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Mons- führende Kulturstadt der Wallonie

Bis 2015 ist es noch ein bisschen hin, aber die belgische Stadt Mons arbeitet schon fieberhaft auf das Jahr hin, wenn sie sich Kulturhauptstadt Europas nennen darf. Der neue Bahnhof von Star-Architekt Calatrava ist nur eines von vielen neuen Projekten.

Von Nicole de Bock | 27.02.2011
    "Der Ort Mons geht auf die Heilige Waltraud zurück, die hierher kam und ein Kloster gegründet hat."

    Stadtführerin Kathy Schneider über das Entstehen der Stadt Mons im 7. Jahrhundert. Im Mittelalter war das Städtchen wichtig, weil Sitz des Grafen von Hennegau. Und auch heute ist Mons die Hauptstadt der belgischen Provinz Hennegau.

    "Der Name der Stadt Mons kommt aus dem lateinischen 'Mons' das ist der Berg und auf flämisch heißt die Stadt ja Bergen, weil es hier in dieser flachen Landschaft vier, fünf Hügel genauer gesagt gibt. Vier weitere Hügel um die Stadt Mons herum und der Hügel in der Mitte das ist heute die Stadt Mons, wo das 'Collegiale' steht und der "Beffroi."

    Eines der herausragenden Gebäude ist der "Beffroi", der Burgfried also, ein schlanker, barocker Glockenturm, der die Altstadt von Mons überblickt und von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Der Schriftsteller Victor Hugo verglich die bauchige Spitze des Turms mit einer "enormen Kaffeekanne inmitten vier kleinerer Teekannen". Das Collegiale Sainte-Waudru ist die Kirche der Stiftsdamen, Nachfolgerinnen der ursprünglichen Klosternonnen. Der Turm dieser Stiftskirche wurde nie vollendet. Dennoch wirkt die Kirche majestätisch, ein Schmuckstück gotischer Baukunst mit nicht weniger als 29 Seitenkapellen.

    "Also die Heilige Waltraud hat hier wohl sehr viel Gutes getan, ist verehrt worden, so dass nach ihrem Tod, haben die Leute, die Bewohner beschlossen, dass sie nicht begraben wurde und ist dann auch schnell heilig gesprochen worden. Ihre Gebeine wurden in einem Sarg über dem Altar der Kirche aufbewahrt."

    In der Kirche besticht neben den goldenen Schrein auch eine große weiße Kutsche mit Golddekorationen, auf der einmal im Jahr die Reliquien der Heiligen Waltraud durch die Stadt gefahren werden. Abbildungen dieser Prozession sind im historischen Rathaus auf dem Grand-Place zu sehen. Durch einen Torbogen betreten wir den stimmungsvollen Innenhof des Rathauses. Ein Seiteneingang führt zum Trauungszimmer. Hier hängt ein großes Gemälde:
    "Das zeigt hier die berühmte Ducasse von Mons. Es ist ein Folkloreereignis, das jedes Jahr am Dreifaltigkeitsonntag stattfindet, 'le dimanche de la trinité', das ist der Sonntag nach Pfingsten."

    Ducasse bedeutet schlicht Stadtfest. Das Spektakel in Mons ist es das größte kulturelle Fest der Wallonie. Warum es hier "Doudou" heißt, weiß Benoit Vetkennegem, Konservator der Stiftskirche und ihrer Schätze:

    "Doudou ist ein Fest, das die gesamte Bevölkerung von Mons vereint. Ursprünglich war Doudou der Name der Musik, die während dem Drachenkampf gespielt wurde. Seit 2005 die Unesco den Doudou in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen hat, ist Doudou die Bezeichnung für das gesamte Fest, bei dem zuerst die Reliquien der Heiligen Waltraud auf einer goldenen Kutsche durch die Stadt gefahren werden und anschließend der sogenannte 'Lumecon', der Kampf des Heiligen Georgs mit dem Drachen stattfindet."

    Obwohl das traditionsreiche Städtchen Mons mitten in einem alten Kohlerevier liegt, ist es keine Industriestadt, sondern vielmehr Verwaltungszentrum und Sitz der NATO-Streitkräfte für Europa. So manch Monser Bürger lebt zunehmend auch von der Kultur. Vor etwa zehn Jahren wurde eine besondere kulturelle Einrichtung sogar von Brüssel nach Mons verlegt: das Mundaneum. Das Archiv- und Dokumentationszentrum der Französischsprachigen Gemeinschaft Belgiens hat in Mons Unterschlupf gefunden in einem Art Deko Gebäude. Die Direktorin Charlotte Dubray:

    "Die Gründer des Mundaneums, Paul Otlet und Henri La Fontaine waren beide Juristen in Brüssel. Sie hegten den großen Wunsch, alles Wissen der Welt zu vereinen, um Frieden zu schaffen. Henri La Fontaine bekam 1913 den Friedensnobelpreis und Paul Otlet ist bekannt als Vater des Bibliothekswesens."

    Das historische Karteikartensystem umfasst 12 Millionen Karteikarten, aufbewahrt in großen Holzmöbeln mit unzähligen Schubladen.
    "Wir haben zum Beispiel einen umfangreichen Karteikasten, der Jules Verne gewidmet ist. Das war ein Mann, der sich auch mit der Verbreitung von Wissen beschäftigt hat. Hier sind alle seine Publikationen registriert, aber auch alle Werke die über Jules Verne handeln. Heute ist das Mundaneum ein Museum und ein Archivzentrum mit allen Sammlungen, die durch Otlet und La Fontaine zusammengebracht worden sind. Es sind unzählige Dokumente, die aneinandergereiht 6 km lang sein würden: Bücher, Plakate, Postkarten, Zeitungen. So haben wir u.a. ein Museum der internationalen Presse hier."

    Noch ist zur Zeit im Mundaneum ein Teil des Belgien Pavillons der vergangenen Weltausstellung in Shanghai zu sehen. Alle wichtigen belgischen Städte werden hier in 3D-Filme vorgestellt. In Kürze aber wird, als Vorbereitung auf 2015, wenn Mons Kulturhauptstadt von Europa wird, eine Ausstellung über die Geschichte des Mundaneum selbst auf die Beine gestellt. In der Stadt wurde auch schon gebaut für das Kulturhauptstadtjahr. Yves Vasseur, Intendant von Mons 2015, führt eine Gruppe Besucher durch das neu entstandene Theater.

    "Dieses Theater wurde erst 2006 eröffnet. Es war die erste Realisation einer Reihe von Infrastruktur-Erneuerungen, die bis 2015 fertiggestellt werden. Sechshundert Zuschauerplätze gibt es hier und es ist der ausgelesene Ort für zeitgenössisches Theater. Wir werden viele junge Leute damit ansprechen, Mons ist eine relativ junge Stadt mit vielen Studenten. Vorher war dieses Gebäude eine Manege, eine Reithalle für das Militär. Der Architekt hat viel von der alten Architektur belassen: die dicke Mauer , das eiserne Gerüst an der Decke. Der Zuschauerraum ist neu, aus Glas und Beton. So treffen sich hier das kulturelle Erbgut der Stadt mit der zeitgenössischen Architektur und das ist genau das Thema von 2015: 'Wo Technologie auf Kultur trifft.'."

    Yves Vasseur, waschechter Wallone, erklärt mir weitere Details des Kulturhauptstadtjahres dann doch lieber in seiner Muttersprache:

    "Wir sind hier nicht in Brügge und haben keine Grachten, aber ich denke doch, dass wir das Mystische einer mittelalterlichen Stadt bewahren konnten: die kleinen Gassen, die Kirchen, die Plätze. In Mons herrscht eine Atmosphäre, ein Esprit, der schon Jahrhunderte lang berühmte Künstler inspiriert hat: vom Komponisten Orlando di Lasso, der im sechzehnten Jahrhundert in Mons geboren wurde, bis hin zu den zeitgenössischen Künstlern."

    Auch Vincent van Gogh ließ sich in der Umgebung von Mons nieder und malte das Arbeiterleben des umliegenden Bergbaugebiets. Das Häuschen, das der Künstler bezog, kann man heute noch besuchen. Ein Symbol für den Brückenschlag zwischen historischem Erbgut und innovativen Technologien wird der neue Bahnhof, den der Star-Architekt Santiago Calatrava in der zukünftigen Kulturhauptstadt bauen wird. Er hat vor einigen Jahren auch den Lütticher Bahnhof entworfen. In Mons befindet sich an der einen Seite des heutigen Bahnhofs der historische Stadtkern mit seinen Sehenswürdigkeiten. Die neuen Technologiefirmen haben sich alle an die andere Seite des Bahnhofs niedergelassen. Um von der Altstadt ins Technologiezentrum zu gehen, muss man heute einen kilometerlangen Umweg um die ganze Stadt in Kauf nehmen.

    "Der neue Bahnhof wird ein Durchgangsbahnhof. Eine Brücke für die Fußgänger und den Fahrradverkehr wird die beiden Stadtteile verbinden. Das wird die Mobilität in der Stadt gänzlich verändern! Außerdem wird die Architektur des Bahnhofs wunderschön. Calatrava ist mehr als ein Architekt, er ist ein Künstler. Sein Entwurf gleicht einem großen weißen Vogel, der sich auf dem Bahnhofsbereich niederlässt und beide Stadtteile zusammenfügt. Es ist ein außergewöhnliches Design."

    Die Einwohner von Mons sind schon voller Erwartung. Sie glauben an ihre Stadt.

    "Das was ich bis jetzt so mitbekommen habe, hört sich einwandfrei an, mit dem neuen Bahnhof und allem was daraus folgen wird. Ich denke, dass das eine gute Sache wird."

    "Das ist eine Chance für uns, wieder neu durchzustarten. Mons ist heute schon ein hübsches, lebendiges Städtchen - das könnte funktionieren!"