Montag, 29. April 2024

Archiv


Monster, Hexen und Dämonen

In Neapel ist eine Gesamtretrospektive auf den italienischen Barockmaler Salvator Rosa zu sehen. Rosa sprengte die zu seiner Zeit geltenden Grenzen des guten Geschmack, stellte pointierte Zuspitzungen unterbewusster Lustträume und Horrorvisionen dar.

Von Thomas Migge | 24.04.2008
    "Die größten Schwierigkeiten bei der Vorbereitung dieser Ausstellung hatte ich nicht mit dem Entleihen der Bilder aus Museen in Europa und den USA, sondern mit der Idee, diesen Maler in seiner Komplexität vorzustellen. Er war Zeit seines Lebens ein enfant terrible, das sich zunächst an den gängigen Geschmack anpasste, darin ein unbestrittener Meister wurde, dann aber seine ganz eigenen Wege ging."

    Für Nicola Spinosa war Salvator Rosa ein rätselhafter Maler, in gewissem Sinn ein Mann der Moderne:

    "Rosa war nicht nur ein qualitativ fantastischer Maler, er rang ständig mit seinen ganz eigenen Ideen, die mit zunehmendem Alter nur noch wenig mit dem damals modischen Geschmack gemein hatten. In den letzten Jahren seines Lebens kümmerte er sich dann gar nicht mehr um das, was allen gefiel, sondern nur um das, was ihn interessierte."

    Nicola Spinosa ist Superintendant des Museo di Capodimonte, des ehemaligen Königspalastes der Borbonen in Neapel. Ein riesiger Palast hoch über der Stadt, der seinen 500. Geburtstag nun mit der Gesamtretrospektive auf den italienischen Barockmaler Salvator Rosa feiert.

    Er wurde irgendwann im Jahr 1615 in Arenella bei Neapel geboren. Das genaue Geburtsdatum ist unbekannt. 1673 starb er in Rom, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Ein Künstler, der nach seinem Tod schnell in Vergessenheit geriet und erst 1824, nach dem Erscheinen der von Lady Morgan verfassten Biographie "The Life and Times of Salvator Rosa", wiederentdeckt wurde. Ein Maler, der Anfang des 19. Jahrhunderts dem neogotischem Geschmack der Briten für düstere Motive mit Hexen und Magiern entgegenkam - etwa mit dem in der Ausstellung gezeigten Bild "Hexenszenen" von 1646, entliehen aus einer Privatkollektion. Das Gemälde zeigt unbekleidete Frauen, die mit lodernden Fackel herumfuchteln, und furchterregende Monster. Horrorvisionen dieser Art fanden zu Rosas Lebzeiten nicht viele Käufer.

    Seine Karriere begann Salvator Rosa in Neapel. Nicola Spinosa:

    "Der Besucher bekommt hier nicht einfach alle Gemälde eines Malers zu sehen, chronologisch geordnet, sondern taucht in die zum Teil abstruse Gedankenwelt und in das interessante Leben Rosas ein. Er ging zunächst bei seinem Onkel, dem Maler Antonio Domenico Greco, in die Lehre. Doch er wollte nach Rom, wo ihn der kunstsinnige Kardinal Brancacci mit Malaufträgen überschüttete. Rosa nahm in einer Art Spielszene den großen Bernini auf den Arm und machte sich damit so viele Feinde, dass er nach Florenz fliehen musste."

    Dort gründete Rosa die Accademia dei Percossi, in der er und seine Freunde Musik machten und freche Satiren vortrugen. Als Künstler spezialisierte er sich auf Schlachtszenen - und wurde damit zum wichtigsten Maler dieses Genres in Italien. 1649 kehrte er nach Rom zurück und blieb dort bis zu seinem Tod.

    Die Ausstellung in Neapel zeigt großartige Kriegsszenen - wie ein vor kämpfenden Menschen und Tierleibern dominiertes Gemälde, 230 Mal 350 Zentimeter groß, aus dem Florentiner Palazzo Pitti. Eine extrem dynamische Bildaufteilung lässt den Eindruck entstehen, das sich ganze Bildteile zu bewegen scheinen. Mit Sujets dieser Art wurde Salvator Rosa wohlhabend - und so konnte er es sich erlauben, unfassbar für seine Kollegen, den Ruf von Königin Christina nach Schweden und an den französischen Hof abzulehnen: Er wollte in Rom bleiben und das malen, was ihm gefiel. Nicola Spinosa:

    "Er malte keine Porträts von wichtigen Leuten, sondern zunächst fast ausschließlich Kriegs- und dann Landschaftsbilder. Mit seinem Erfindungsreichtum und seiner improvisatorischer Frische löste sich Rosa von dem abgeklärt klassischen Naturempfinden seiner Zeitgenossen. Er strebte nach malerischer Wildheit und war damit eine Art neuer Wilder seiner Zeit. In seinen dynamisch bewegten Formen war er ein Vorläufer der romantischen Landschaftsauffassung, das zeichnet ihnen seinen Kollegen gegenüber aus."

    In seinem Drang nach ungewöhnlichen Bildmotiven ließ er zunehmend seinem Hang nach makraben Themen freien Lauf und sprengte damit die zu seiner Zeit vorgegebenen Grenzen des sogenannten guten Geschmacks. Salvator Rosa malte düstere Szenen mit erschreckenden Dämonen und Monstern, mit in ihrer Nacktheit skandalösen Zauberinnen und schrulligen Hexen: pointierte Zuspitzungen unterbewusster Lustträume und Horrorvisionen.