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Montezumas hässlicher Bote

Medizin. - In Berlin treffen sich auf Einladung des Bundesinstituts für Riskobewertung Mediziner aus aller Welt noch bis Freitag zum Weltkongress zu Lebensmittelinfektionen und -Intoxikationen. Ein stets hochaktuelles Thema dabei bei solchen Zusammenkünften Magendarminfektionen. Zwar sind Salmonellen häufigste Erreger dieser mitunter lebensgefährlichen Erkrankungen, doch auch andere, weniger prominente Keime können nicht minder bedrohliche Leiden verursachen. Dazu zählt auch ein Bakterium namens Campylobacter.

    "Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland etwa 45.000 Campylobacter-Erkrankungen gemeldet. Allerdings müssen wir von einer Dunkelziffer nicht erfasster Fälle mit dem Faktor zehn ausgehen und mit fast einer halben Million Infektionen rechnen. Campylobacter ist ein typischer Durchfallserreger, bei dem es zu schweren Bauchschmerzen, Fieber und mitunter zu blutigem Stuhl kommt", resümiert Volker Thurm vom Robert-Koch-Institut, das auch mit weiteren Informationen zum Thema aufwartet. Die Betroffenen sind dann für einige Tage außer Gefecht gesetzt, was wiederum für erhebliche Folgekosten sorgt. Als Haupt-Risikoquelle gilt - wie bei wie bei Salmonellen auch - Geflügelfleisch, das mit dem Erreger kontaminiert ist. Zwar vermehrt sich Campylobacter auch unter angenehmen Zimmertemperaturen nicht so explosiv wie Salmonellen, doch das ist auch gar nicht nötig, zumindest was die Infektionsgefahr betrifft. Denn schon geringe Keimzahlen genügen, um beim Menschen unangenehme und teils gefährliche Folgen zu zeitigen.

    Ausgesprochene Expertin für Campylobacter ist die Immunologin Diane Newel vom britischen Umwelt- und Ernährungsministerium, die sich seit 25 Jahren mit dem problematischen Keim beschäftigt - und dennoch bleiben auch für sie viele Fragen offen: "Dieser Organismus stellt uns selbst nach so vielen Jahren noch vor große Probleme: Wir wissen nicht, wie er die Krankheit auslöst. Wir wissen nicht, wie er in der Lebensmittelkette überlebt und ob wir überhaupt alle Infektionsquellen kennen. Und wir wissen auch nicht, welche Bevölkerungsgruppen empfänglich für Campylobacter-Erkrankungen sind und welche nicht." Ein Geheimnis des spiralförmigen Übeltäters glaubt Newel indes gelöst zu haben: "Campylobacter hat einen sehr kleinen Erbschatz. Doch das Bakterium setzt seine Gene sehr effektiv ein. Trotz der geringen DNS-Menge arrangieren sich die Erbinformationen ständig neu und schaffen so neue Unterstämme dieser Keime." Zwar gingen einerseits viele der neu geformten Bakterienstämme verloren, andererseits verschafft es den überlebenden Gruppen einen permanenten Vorsprung vor seinen Gegnern, die sich im anpassen wollen. Und genau das erschwert es auch dem Immunsystem, mit Campylobacter fertig zu werden.

    Doch der Fäkalkeim beherrscht noch andere unangenehme Tricks. Beispielsweise lässt er Standard-Antibiotika einfach ins Leere laufen: mit speziellen Kanal-Proteinen pumpt er die für ihn gedachten Gifte einfach wieder aus sich heraus, berichteten US-Mikrobiologen in Berlin. Weil Campylobacter eine relativ hohe Resistenz besitzt, liegt für den Verbraucher das Heil also in der Vorsorge. Wer ein Faible für Geflügel hegt, dem sei zu strikter Hygiene bei der Verarbeitung geraten. Besonders vorsichtig ist dabei mit dem Darm der Tiere umzugehen, in dem Campylobacter residiert. Allerdings geraten auch andere Lebensmittel immer stärker in Verdacht, Reservoir für Campylobacter zu sein. Eine neue Studie des Robert-Koch-Instituts zu den Campylobacterinfektionen der vergangenen zehn Jahre in Deutschland, so Mikrobiologe Volker Thurm, belege Rohmilch als einen ganz wesentlichen Risikofaktor: "Daher sollten Verbraucher nur pasteurisierte Milch verwenden", empfiehlt der Experte.

    [Quelle: Volker Mrasek]