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Monti will junge Arbeitnehmer fördern

Der Arbeitsmarkt in Italien ist zweigeteilt: Ältere Beschäftigte genießen den vollen Kündigungsschutz, während sich die Jungen mit Zeitverträgen begnügen müssen. Die Regierung Monti plant Abhilfe - gegen den Widerstand der Gewerkschaften, die kaum junge Mitglieder haben.

Von Kirstin Hausen | 30.01.2012
    Als die Arbeits- und Sozialministerin Ministerin Elsa Fornero den Italienern die abrupte Erhöhung des Renteneintrittsalters verkünden musste, brach sie in Tränen aus. Jetzt, wo es um die Reform des Arbeitsmarktes geht, strahlt sie Stärke und Zuversicht aus:

    "Das Schaffen neuer Arbeitsplätze hat für uns und für mich als Arbeitsministerin ganz besonders oberste Priorität - darum geht es jetzt."

    Anders als von den Gewerkschaften gefordert, will die Regierung aber weder mehr Geld in Förderprogramme für Langzeitarbeitslose stecken, noch staatliche Weiterbildungsangebot für junge Arbeitslose aufstocken. Dafür soll das Arbeitsrecht reformiert werden - ohne zusätzliche Kosten für den Staat:

    "Was ich oft höre, ist, dass Rentner ihre arbeitslosen Kinder mit durchfüttern müssen. Das ist eine gravierende Fehlentwicklung und dagegen müssen wir etwas tun."

    Statt fast 40 Vertragsformen, die es heute gibt, sollen künftig für alle Arbeitnehmer die gleichen Regeln bezüglich Pensionskasse und Kündigung gelten. Konkret heißt das, alle neuen Stellen müssen nach Ablauf einer Probezeit unbefristet sein, abgabenpflichtig und bei Kündigung gibt es immer eine Abfindung. Dafür sollen die Unternehmen mehr Möglichkeiten als bisher erhalten, Mitarbeiter zu entlassen. Bis jetzt ist es in Italien schwer, ab einer Personaldecke von 15 Mitarbeitern einem Festangestellten zu kündigen. Selbst wenn die Firma Verlust macht und auch wenn sich der Mitarbeiter nicht korrekt verhält, entscheidet ein Arbeitsrichter über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung. Mit grotesken Folgen, wie dieser mittelständische Unternehmer beschreibt:
    "Nur ein Beispiel: Ich hatte einen Angestellten, der seine Kollegen bestohlen hat. Ich habe das entdeckt und ihn entlassen. Er hat mich verklagt und der Richter hat mich gezwungen, ihn wieder anzustellen. Warum? Weil er nicht das Unternehmen bestohlen hatte. Meine Mitarbeiter haben mir gesagt, dass eine Tragödie passiert, wenn dieser Herr wieder im Büro erscheint und ich habe ihn zu seiner eigenen Sicherheit nach Haus geschickt. Am nächsten Tag kommt er mit seinem Anwalt. Was hat dieser Anwalt von mir verlangt? 18 Monatsgehälter."

    Nach dieser Erfahrung hat der Unternehmer aus Vimercate seine Personalpolitik geändert. Neue Mitarbeiter beschäftigt er nur noch zeitlich befristet. Und wenn es besonders viel zu tun gibt, bezahlt er lieber Überstunden als eine zusätzliche Kraft anzustellen:

    "Ich will in meiner Firma nicht mehr als 15 Angestellte haben, weil ich Angst davor habe, dann niemanden mehr entlassen zu können. Wir leben in einem System, das gerecht sein soll, aber Ungerechtigkeit erzeugt. Wir unterscheiden nicht zwischen einem Idioten, der die Kündigung verdient und einem Schwachen, der Schutz braucht."

    Die Folge: Der italienische Arbeitsmarkt ist heute zweigeteilt. Wer einen festen Vertrag hat, und das sind meist diejenigen, die seit zehn Jahren oder länger arbeiten, genießt arbeitsrechtlich festgeschriebenen Schutz, während sich die Berufsanfänger ohne jede Absicherung von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln. Egal, wie gut sie sind. Das Leistungsprinzip wird ausgehebelt, zum Nachteil der Jungen:

    "Bisher bestimmen bei uns die Alten, wo es lang geht. Wir verheizen die junge Generation und das ist sehr schade. Wenn ich mit jungen Leuten rede, die 28, 29 Jahre alt sind und ihr Studium mit Auszeichnung abgeschlossen haben, dann staune ich angesichts ihres Talentes."

    Kein Wunder, dass Italiens Jugendorganisationen die Reformpläne der Regierung in der Mehrheit begrüßen. Gegenwehr kommt von den Gewerkschaften. Sie wollen die für Arbeiter und Angestellte im 20. Jahrhundert erstrittenen Rechte nicht zur Diskussion stellen. Ihre Mitglieder sind allerdings auch in der Mehrheit über 50 Jahre alt.