Freitag, 19. April 2024

Archiv


Moral oder Money?

Die Kritik am Weltmarktführer Nike wird lauter. Die Firma trennt sich ungern und stets sehr spät von dopenden Sportlern und legt offenbar kaum Wert darauf, sich aktiv am Kampf gegen Doping zu beteiligen.

Von Jürgen Kalwa | 24.02.2013
    Das Jahr 2001 ragt in der Doping-Karriere von Lance Armstrong durchaus heraus. Es war das Jahr, in dem der Radsportler bei einem EPO-Test unangenehm auffiel und in dem bekannt wurde, dass er mit dem italienischen Dopingdoktor Michele Ferrari zusammenarbeitet. Es war auch das Jahr, in dem einer von Armstrongs Werbepartnern, die Firma Nike, versuchte, einen aufkeimenden Verdacht zu verwischen. Mit einem Werbespot und einem doppeldeutigen Wortspiel.

    "This is my body. And I can do whatever I want to it. I can push it. Study it. Tweak it. Listen to it. Everybody wants to know what I’m on? What am I on? I’m on my bike. Busting my ass. Six hours a day. What are you on?”"

    "Jeder will wissen, auf was man mich gesetzt hat”, sagte Armstrong und spielte auf den Verdacht an, dass er unerlaubte Arzneimittel nehme. "Auf was wurde ich gesetzt? Ich sitze auf meinem Fahrrad. Reiße mir den Arsch auf. Sechs Stunden am Tag.”

    Nike ist ein Sportausrüster, der seit Jahren mit Athleten zusammenarbeitet, die rebellisch wirken und sich mit dem Rest der Welt im Clinch befinden. Von denen trennt sich das Unternehmen nur ungerne. So war es im Fall der Sprinterin Marion Jones. So beim Baseball-Star Alex Rodriguez, obwohl er selbst zugab, sich mit Anabolika vollgepumpt zu haben. Beide Male verzichtete man auf eine Kündigung der Verträge, sondern ließ sie lieber regulär und ganz still auslaufen.

    Eine Taktik wie später im Fall von Lance Armstrong. Nibelungentreue bis zum Letzten. Dann eine schmallippige Erklärung, wonach man "den Gebrauch von illegalen Substanzen im Sport nicht gutheißt”. Ein Verhalten, für das die Firma in Amerika zunehmend kritisiert wird.

    Tito Morales, einst Schwimmer, nun Journalist, fand es neulich an der Zeit, den Sportausrüster in der renommierten Zeitung Christian Science Monitor mit einem Meinungsbeitrag öffentlich in die Pflicht zu nehmen. Nike solle Geld an Anti-Dopingagenturen spenden und Dopingforscher unterstützen und auf diese Weise ein Zeichen setzen.

    ""Jede Firma, die Sportler oder Sportveranstaltungen unterstützt, sollte den Dopingkampf zur Priorität erheben. In der Vergangenheit haben sie nur zugeschaut und null Initiative gezeigt. Ich kann das nicht begreifen. Das Thema gehört in den Vordergrund gerückt. Man kann nicht dauernd den Kopf in den Sand stecken und so tun, als beträfe einen das nicht.”"

    Ein Beispiel für eine andere Haltung ist der Australier Jaimie Fuller, der eine Bekleidungsfirma besitzt. Fuller engagiert sich in der Radsport-Reformbewegung "Change Cycling now". Und er verklagte im November vor einem Schweizer Gericht den Weltradsportverband und seinen Präsidenten Pat McQuaid auf 2 Millionen Dollar. Der Grund: Sie hätten für den Vertrauensverlust der Öffentlichkeit in den Radsport gesorgt. Damit hätten seine finanziellen und emotionalen Investitionen in den Radsport Schaden genommen. Fuller kritisiert auch Nike offen.

    ""Ich war erstaunt, wie lange sie gebraucht haben, um sich von Lance Armstrong zu trennen. Ich will aber Nike gar nicht isoliert sehen. Dies gilt für alle: Sie sehen nur den kommerziellen Aspekt, egal ob dies das Markenbild prägt oder wichtige Wertvorstellungen in Frage stellt. Und darin ähneln sie übrigens Armstrong, der ja zugegeben hat, dass er gewinnen wollte – koste es, was es wolle.”"

    Doch konkrete Fragen an Nike, darüber, ob das Unternehmen, das im letzten Jahr 6 Milliarden Dollar Umsatz erzielte, in Zukunft im Kampf gegen Doping tun will, beantwortet das Unternehmen nicht. Jaimie Fuller ist nicht überrascht.

    "”Aber das ist nicht nur bei Nike so. So verhält sich fast jede andere Marke. Es wäre schön, wenn Sponsoren mal den Mund aufmachen würden und sagen, dass sie stocksauer sind und etwas ändern wollen. Vielleicht ist es es Apathie oder Furcht, dass sich diese Einstellung eingebürgert hat, wonach man einfach akzeptiert, dass es im Sport Korruption gibt. Und dass man sich seiner Verantwortung entzieht und sagt: ‘Ich kann doch sowieso nichts machen.‘"