Donnerstag, 28. März 2024

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Morde der klugen Denkungsart

Erdolcht, erdrosselt, vergiftet, erschossen, ertränkt und dann vergraben, versenkt, in der Kühltruhe verstaut, an die Wand genagelt - in der Kriminalstatistik sind derartige Mordfälle und Opferentsorgungen in den letzten Jahren - Gott sei Dank! - rückläufig, in der deutschsprachigen Krimiliteratur jedoch nicht.

Von Rolf Cantzen | 16.04.2011
    Im Gegenteil: Noch nie wurde so fantasievoll gemordet, betrogen und gestohlen wie heute und noch nie wurden so raffiniert Verbrechen aufgeklärt - von versoffenen Detektiven, feministischen Hauptkommissarinnen, ehrgeizigen Reportern oder ausgemusterten Geheimagenten.

    Es gibt kaum eine Stadt, eine Landschaft ohne Regionalkrimis. Es gibt keine historische Epoche, in der nicht die abscheulichsten Bösewichter ihre Untaten begehen. Oft sind diese Krimis nicht nur einfallsreich und spannend, sondern verraten ein feines Gespür für das gesellschaftliche wie das soziale Umfeld der Akteure.

    Eine "Lange Nacht" über unerhörte Dinge - ganz in Ihrer Nähe.

    Friedrich Ani Geboren 1959 in Kochel am See. Von 1981 bis 1989 arbeitete er als Reporter und Hörfunkautor. Seine Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Staatlichen Förderungspreis für Literatur des Bayerischen Kultusministeriums, dem Literaturförderpreis der Stadt München sowie dem "Radio-Bremen-Krimi-Preis". Seinen Roman "Die Erfindung des Abschieds" wählten Kritiker in der Schweiz als einziges deutschsprachiges Buch unter die zehn besten Kriminalromane der neunziger Jahre. Für vier seiner Romane um den Vermisstenfahnder Tabor Süden erhielt Ani den Deutschen Krimipreis. Sein Kriminalroman "Idylle der Hyänen" wurde 2006 mit dem Buchpreis der Stadt München, dem Tukan-Preis, ausgezeichnet, der für "das formal und inhaltlich am besten gelungene Buch des Jahres" verliehen wird.
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    " Ich habe mal den Satz geschrieben, Kriminalromane sind Bücher über Menschen in Not und ich nehme Kriminalromane schon ernst. Und ich nehme auch das Verbrechen ernst. Ich möchte schon wissen, warum das passiert ist, soweit ich das überhaupt nachvollziehen kann. Ich möchte schon, dass man sich damit auseinandersetzt. Der Kommissar oder andere Leute. Also ein Kriminalroman ist für mich genau so ein ernsthaftes Buch wie jeder andere Roman. Das heißt, das wird die Existenz des nackten Menschen verhandelt und dem möchte ich folgen - inhaltlich, sprachlich, mit dem ganzen Sound eines Autors. Und ich möchte auch Kriminalromane lesen, in denen der Autor anwesend ist. Es gibt ja Krimis, die leben halt vom Plot oder von der Regionalität oder von diesem ganzen Rankwerk, weil dieses Rankwerk eigentlich auch schon eine Hauptperson ist. Es ist wunderbar, dass es so etwas gibt. Das ist nicht meine Art Krimis zu lesen, denn ich lese Krimis nicht zum Zeitvertreib. Ich lese Kriminalromane, weil ich etwas erleben will oder erfahren will über die Menschen, oder die Sicht des Autors über die Welt ... " Friedrich Ani

    Friedrich Ani
    Die Tat
    Kriminalroman.
    2010 DTV
    Wer nicht sehen kann, sieht tiefer. Eine einfache gelbe Kordel aus Strohseide, bis auf die Farbe identisch mit den Kordeln aus den anderen Mordfällen: Ist die 38-jährige Sonja Piers das dritte Opfer eines Serienmörders, der in der Stadt seit Monaten sein Unwesen treibt? Jedoch gibt es in der Familie des Opfers ebenfalls Verdächtige, findet Hauptkommissar Max Vogel: Sowohl der 17-jährige Sohn Benjamin als auch dessen Vater Hannes Piers verstricken sich in Widersprüche. Als ein Zeuge aussagt, Sonja Piers unmittelbar vor ihrem Tod mit einem Mann gesehen zu haben, schaltet sich der blinde Jonas Vogel ein. Die Ermittlung nimmt eine vollkommen überraschende Wendung ...

    Detlef Bernd Blettenberg wurde am 13. Oktober 1949 in Wirges im Westerwald als einziges Kind einer Arbeiterfamilie geboren. In einfachen und von der Natur geprägten Verhältnissen wuchs er bis zu seinem zwölften Lebensjahr in der nahe gelegenen Dorfgemeinde Elgendorf auf. Nach der Volksschule besuchte er zunächst drei Jahre lang das Gymnasium in Montabaur. Später lebte er drei weitere Jahre in einem Schülerheim in Garmisch-Partenkirchen und besuchte dort das Werdenfelser Gymasium. 1966 folgte er seinen Eltern nach Leverkusen, wo sein Vater in der chemischen Industrie Arbeit gefunden hatte. Dort absolvierte Blettenberg eine Industrielehre als Technischer Zeichner im Maschinenbau. Unmittelbar danach leistete er Wehrdienst. Nach Besuch der Marinefernmeldeschule in Flensburg-Mürwig fuhr er als Bordfunker zur See.
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    Detlef Bernd Blettenberg
    Land der guten Hoffnung
    Südafrika-Krimi.
    2010 Pendragon
    In Hamburg wird die Tochter des reichen Reeders Carsten entführt. Nach der Übergabe bleiben Täter und Geld spurlos verschwunden. Der Fall wird zu den Akten gelegt. Aber Carsten gibt nicht auf. Der Privatdetektiv Tempow soll den Fall klären. Die Spur führt ihn nach Südafrika. Am Kap der guten Hoffnung trifft er auf Rena Carsten, die sich auf eigene Faust auf die Suche nach ihrem ehemaligen Entführer gemacht hat. Sie will ihn zur Rede stellen, will dem Mann, der während der Entführung eine Maske trug, endlich ins Gesicht sehen können, aber da ist noch etwas anderes ... sie hat eine Tochter von ihm, gezeugt während ihrer Gefangenschaft. Tempow und Carsten müssen bei ihrer gemeinsamen Suche feststellen, dass im Land am Kap nicht alles Dunkle schwarz und nicht alles Helle weiß ist. Spuren kreuzen und verlieren sich.

    Auszug aus dem Manuskript:

    (D.B. Blettenbergs "Land der guten Hoffnung".) "Nachdem Mandela an die Macht kam, war ich so gut wie erledigt." Bertrand räusperte sich. "Aber es dauerte nicht lange, da kamen auch die Leute, die für den ANC die Drecksarbeit gemacht haben, unter Druck. Plötzlich standen wir alle auf derselben Seite. Und zwar im Abseits. Ohne Rücksicht auf politische Gesinnung oder Hautfarbe. Also musste man sich etwas überlegen."

    So wie der Gastgeber zwischen den Leopardenfellen saß und bereitwillig Auskunft gab, hatte es den Anschein, als erzähle er mir etwas aus einem bewegten Unternehmerleben.

    "Timmy und ich waren in jenen Tagen Spezialisten für alles Deutsche. Er dank eines frühen Stipendiums, und ich als Deutschstämmiger aus Namibia. Verarmter Adel aus Deutsch-Südwest, wenn Sie so wollen."

    Das dröhnende Lachen, mit dem Bertrand mich bedachte, hätte leicht ein ganzes Bierzelt gefüllt.

    "Das Regime kommandierte mich an das Büro für Zivile Zusammenarbeit ab. Die internationale Ächtung und der dadurch bedingte Mangel an Botschaften zwang die damaligen Machthaber, sich etwas einfallen zu lassen, um ihre Geheimdienstler strategisch zu platzieren: Verlage, Handelshäuser, alles, was dazu geeignet war. Mein Stammbaum aus Windhoek gab ich auch in Europa weiter brav meine sorgfältig aufgebaute Rolle als SWAPO-Verbindungsmann und suchte und fand auch dort die Nähe zum ANC.

    "Sie waren also so etwas wie ein Doppelagent ..."

    " Natürlich hat mich erst einmal wieder, wie immer die Politthriller-Seite interessiert, also als ich dort war und habe mit Anwälten gesprochen und anderen Leuten, habe diese Geschichte erzählt bekommen, dass die Wahrheitsfindungskommission jetzt Schluss gemacht hat und dass viele sich gar nicht erklärt haben und dass unheimlich viele frustriert sind ... "

    D. B. Blettenberg spricht über seinen Roman. Er spielt in Südafrika nach der Abschaffung der Apartheid und der Machtübernahme durch den zuvor in der Illegalität operierenden ANC.

    " ... auch das Tragische des ANC, dass man auch auf beiden Seiten, die Apartheid-Vertreter und der ANC natürlich auch ihre Dreckstruppen hatten, die Putztruppen, die die dreckigen Sachen gemacht haben, wie jeder Geheimdienst, wie jeder militärische Geheimdienst, wie jede Nachrichtenorganisation. Und dieses Erbe schleppen natürlich beide Seiten mit sich herum ... aber natürlich hat auch der ANC Dreck am Stecken wie alle anderen, das ist immer so und das ist ihnen auch gar nicht vorzuwerfen, denn er hätte diesen Sieg gar nicht errungen, wenn er nicht auch mit anderen Mitteln gekämpft hätte, der muss sich mit diesem Erbe auseinandersetzen. Die einen sind für Aufklärung und die anderen halten mal lieber den Mund und man sieht jetzt auch die Technokratisierung der Politik. Das ist nun einmal so, wenn man an der Macht ist. "

    Bodo Dringenberg (Autor) Jahrgang 1947, lebt seit 1972 in Hannover. Er veröffentlicht literarische Texte und sprachgeschichtliche Untersuchungen, schreibt für diverse Rundfunkanstalten und konzipiert kulturelle Veranstaltungen.

    Bodo Dringenberg
    Die Gruft im Wilhelmstein
    Historischer Kriminalroman.
    Herausgegeben von Mischke, Susanne .
    2011 zu Klampen
    Liebe, Intrige und Mord beim Bau der Festung Wilhelmstein im Steinhuder Meer.
    Zwischen 1774 und 1777 kommen Graf Wilhelm, seine junge Gemahlin und ihre kleine Tochter in Schaumburg-Lippe zu Tode. Hat ihr Tod wirklich natürliche Ursachen? Immerhin gibt es mächtige Interessen, Schaumburg-Lippe und den als unbezwingbar gebauten Wilhelmstein in die Hand zu bekommen. Soll das gräfliche Geschlecht ausgelöscht werden? Ein rohes Grab tief im Wilhelmstein bietet dafür einen grausigen Hinweis.

    Auszug aus dem Manuskript:

    " Gifte für historische Kriminalromane sind einfach sehr gut. Einmal deswegen, weil es damals keine kriminaltechnischen Untersuchungen gegeben hat, mit denen man Gift nachweisen konnte. Andererseits deswegen, weil die ärztlichen Diagnosen sehr pauschal und ungenau waren. Heute ist nicht mehr nachvollziehbar, was damals passiert ist. "

    Bodo Dringenberg hat für seinen Roman "Die Gruft im Wilhelmstein" genauestens recherchiert - nicht nur in toxikologischer Hinsicht, sondern auch in historischer.

    " Ganz wunderbar waren - und das geht bis in die Gegenwart hinein - waren Pflanzengifte, die sich auch abbauen, die auch nach längerer Zeit nicht mehr chemisch nachweisbar sind wie - für mich die heimliche Königin der Gifte - der blaue Eisenhut, Akoniton ist der Hauptwirkstoff und man rechnet mit etwa acht bis zehn Milligramm, die absolut tödlich sind. Das Zeug löst sich auf, es gibt Zustände von Mundkribbeln bis Krämpfe, Übergeben und dann scheidet der Mensch in relativ kurzer Zeit dahin. "Nur widerwillig hatte Emilie am Abend des 17. Juni 1774 einen Teil ihrer kleinen Mahlzeit gegessen, als sich ihre erschöpfte Mutter mit einer Schale für sich selbst zubereiteten süßen Breis wieder in ihr Wochenbett zurückziehen wollte. Während diese mit ihren Lippen den Zustand des Essens prüfte, verlangte Emilie leise etwas vom Hirsebrei ihrer Mutter. Letztere zeigte sich überrascht und erfreut, hatte doch ihre Tochter in den letzten Stunden immer wieder die meisten Speisen von sich gewiesen. Aber nun nahm das Mädchen fast gierig einen Löffel voll Brei in den Mund, pappte die Lippen aufeinander, schluckte ihn herunter und verlangte nach mehr. Maria Barbara Eleonore schöpfte Hoffnung, dass ihre liebe Kleine nun doch auf dem Wege der Besserung wäre und gab ihr aus der Schale weitere kleine Portionen der warm-sämigen Speise. Nach vier weiteren Häuflein Breis hatte die Tochter genug und schüttelte matt das Haupt. Ihre Mutter legte sie an ihren Busen, streichelte sie und sagte leise Koseworte. Plötzlich erhob sich Emilie, keuchte, bog ihren kleinen Leib von dem der Mutter weg und fing erregt wirr zu plappern an. Ihre Mutter freute sich über die unerwartete Lebendigkeit ihre Tochter und lachte leise auf. Nach einigen Minuten legte sich aber diese scheinbar Gesundung anzeigende Aktivität. Emilie schüttelte sich nun, ihr Antlitz wurde bleich und schweißnass, so dass ihre Mutter erschüttert rief:

    Emilie, Emilie, was hast du, meine Kleine?

    " Ein Nachteil ist immer: Nimmt es auch die Person zu sich, für die es gedacht ist. Das gibt immer wieder tragische Verwechselungen. Ich arbeite auch in einem Text damit, wo eine tragische Speiseverwechselung stattfindet, wo jemand Falsches umkommt, so dass ein zweiter Versuch möglich geworden ist, um das Ziel des Mordes zu erreichen. "

    Der historische Hintergrund des Romans: 70er-Jahre des 18. Jahrhunderts: Die Grafschaft "Schaumburg-Lippe" mit ihrer Residenz Bückeburg und der auf dem Steinhuder Meer gelegenen, als uneinnehmbar geltenden Inselfestung "Wilhelmstein" wecken die Begehrlichkeiten der Grafschaft Hessen-Kassel.

    Zoran Drvenkar wurde 1967 in Kroatien geboren und zog als Dreijähriger mit seinen Eltern nach Berlin. Seit 1989 arbeitet er als freier Schriftsteller, 2002 legte er sich das Pseudonym von zwei kanadischen Schriftstellern zu (Victor Caspak & Yves Lanois) und lebt heute in der Nähe von Berlin in einer ehemaligen Kornmühle.
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    Zoran Drvenkar
    Sorry
    Thriller.
    Ausgezeichnet mit dem Friedrich-Glauser-Krimipreis 2010, Bester Roman.
    2010 Ullstein TB
    Die fetten Jahre sind vorbei. Eine gute Geschäftsidee ist gefragt. Frauke, Tamara, Kris und Wolf, vier junge Berliner, stört, dass sich niemand mehr für nichts verantwortlich fühlt. Sie setzen auf die heilsame Kraft eines einfachen "Sorry" und gründen eine "Agentur für Entschuldigungen". Erstaunt stellen sie fest, dass die Resonanz überwältigend ist. Bis Kris eines Tages am vereinbarten Treffpunkt nicht den Klienten, sondern eine brutal zugerichtete Leiche findet. Und den Auftrag, sich bei ihr zu entschuldigen. Die vier lassen sich auf ein gefährliches Spiel mit dem Mörder ein, das immer perfider und grausamer wird. Ihr Angebot rüttelt die Geschäftswelt auf, denn sie entschuldigen sich für die Vergehen von Unternehmen. Sie bieten den Schuldigen Unterstützung an und helfen den Opfern. Sie selbst verdienen viel Geld damit, die vier jungen Berliner, die diese clevere Geschäftsidee hatten, irgendwann, bevor alles anfing. Immer mehr Menschen erleichtern über sie ihr Gewissen - als ihnen eines Tages jemand den Auftrag erteilt, eine Tote um Verzeihung zu bitten für die unvorstellbaren Qualen, unter denen sie starb. Hier schnappt die Falle zu. Die Lektion, die der Auftraggeber ihnen ab jetzt erteilt, ist voller Dunkelheit: Wie Schachfiguren werden sie auf eine Spur der Grausamkeit gesetzt, auf der es keine Vergebung gibt, kein Schwarzweiß mehr zwischen Opfer und Täter. Zoran Drvenkars verstörender neuer Roman erzählt auf zwingende Weise von einer Welt, in der wir der Gewalt nicht mehr ausweichen können. Weitere Informationen über Zoran Drvenkar und 'Sorry' finden Sie hier. Entdecken Sie auch das Hörbuch zu 'Sorry'.

    Auszug aus dem Manuskript:

    Für den Roman mit dem schlichten Titel "Sorry" bekam der Autor Zoran Drvenkar 2010 den Glauserpreis für den besten deutschen Krimi des Jahres.

    " Nein, ich bin kein Krimiautor, ich bluff bloß. .. Ich habe früher gerne Krimis gelesen, aber irgendwann wird man ja müde davon. Man kennt das ja. Man hat den müden Inspektor, wie immer die auch heißen, man hat irgend jemanden, der jemanden umbringen muss, weil er auf dem Klo festgesessen hat als er klein war. Diese ganzen Geschichten kennt man ja schon. Das ist sehr schwer, Krimis zu lesen, der was Neues macht. Und für mich war es reizvoll, nachdem ich alle diese Millionen Krimis gelesen habe und Thriller und was auch immer, auch etwas Neues zu machen. Das ist für mich der Reiz am Schreiben. Darum sitze ich auch nicht gerne in einer Sparte fest. Ich bin auch kein Kinderbuchautor. Ich schreibe auch nicht gerne Fantasy. Ich schreibe einfach nur gerne Bücher. "

    Zoran Drvenkar ist ein sanfter Mann. Das lange Haar hat er sich zu einem Zopf zusammengebunden. Vor dem Interview kochte er einen sehr milden Tee und entschuldigt sich, dass er zu stark geworden sei. Im Hintergrund ruhige Musik, ein wohliger Klangteppich. Das gemütliche Sofa, auf dem er mit untergeschlagenen Beinen sitzt, ist mit einem heimeligen rot-braunen Stoff bezogen. Zoran Drvenkar duzt ungefragt den Interviewer, was nicht unangenehm ist. "Du" ist auch der Titel seines neuen Romans. Doch bleiben wir beim Krimi "Sorry". Auch dort sorgt die "Du-Form" für eine intime Atmosphäre.

    Du machst ein Päckchen aus ihr. Du drückst ihr die Oberschenkel an die Brust und schiebst ihr die Arme unter die Kniekehlen. Sie ist nicht groß. Du hast an alles gedacht. Zehn Tage Planung sind genug Zeit. Sie passt in einen von diesen schwarzen 120-Liter-Müllbeuteln. Du trägst sie aus der Wohnung. Auf der Treppe begegnet dir ein alter Mann. Du nickst ihm zu, er nickt zurück. Es ist so einfach wie Müll runterbringen. Sie wird erst sehr spät wach.

    " Das Schwierige ist - ich darf ja nicht zu viel erzählen, ich darf nicht zu viel aus der Geschichte verraten. Für mich war ja der Clou, weil du gerade sagtest, das ist das Übliche, das Übliche umzukippen und den Leser damit reinzulegen, das ist der Spaß daran. Denn das Übliche kennen wir aus allen Büchern. Das Letze, was ich will, ist, ein Buch zu lesen, wo ich weiß, was passiert. Es darf auch nicht zu weit hergeholt sein, aber es muss nachvollziehbar sein. Und bei der Geschichte war mir auch wichtig - ich bin nicht jemand, der gerne Gewalt darstellt - auch wenn ich sehr brutal sein kann - aber ich sitze nicht da und denke, ja, jetzt ein bisschen Gewalt, denn wir haben ja ein spannendes Buch, denn es entwickelt sich aus dem Buch heraus und oft erschrecke ich selber, was ich da anstelle. Ich sitze dann da und sage, was hast du denn jetzt schon wieder getan? "

    Der linke Schuh fällt von ihrem Fuß, als du sie gegen die Wand drückst. Du kommst ihr dabei so nahe, dass dir übel wird. Ihr ohnmächtiger Körper ist weich, und es ist schwierig, ihn in der Vertikalen zu halten. All die Stunden im Fitnesscenter lohnen sich endlich. Deine Kraft gibt dir Ruhe. Ihr seid Brust an Brust. Ihr Atem riecht nach kaltem Rauch. Du hebst ihre Arme nach oben, ihre Füße lösen sich einige Zentimeter vom Boden, du holst mit dem Hammer aus und schlägst zu.

    " Meine Idee ist eigentlich vier nette Leute, die die Idee haben, sich nicht privat für Leute zu entschuldigen, sondern für Firmen. Wenn Firmen Mist bauen, und wir wissen ja, wenn Firmen Mist bauen, dann müssen die sich nicht entschuldigen. Aber ich habe darauf gesetzt, dass es Firmen gibt, die sich entschuldigen wollen, was vielleicht auch eine Illusion ist, die meine Agenten einstellen und aushandeln, wie Entschuldigungsgabe ist. Das hat mir gut gefallen und der Gedanke, dass jemand auftaucht und eine Tote vorfindet und sagt: Entschuldigt euch bei der Toten, das hat mir gut gefallen, das hat so etwas Dunkles gehabt und dadurch brach Chaos auf, was fast nichts mit der Agentur zu tun hatte. Ich mag es, Chaos anzurichten, wo du denkst, wie kommt man da nur rein und jetzt sitzt man drin und dann sitze ich da und grinse. "

    Norbert Horst, geboren am 08. April 1956 in Bad Oeynhausen und aufgewachsen in dem kleinen Ort Bergkirchen in Ostwestfalen. 1974 nach der Schule zur Polizei des Landes Nordrhein Westfalen gewechselt und zunächst in Düsseldorf einige Jahre Streife gefahren.

    Nach dem Studium zum Kriminalkommissar 1984 dort noch einmal für drei Jahre beim Landeskriminalamt gearbeitet. Bis 1995 in Bielefeld ermittelt, hauptsächlich im Kommissariat für Wirtschaftskriminalität, zwischendurch auch in etlichen Mord- und anderen Ermittlungskommissionen. Dann elf Jahre lang Seminare für Kollegen geleitet mit den Inhalten Stressbewältigung, Kommunikation und Konfliktmanagement. Derzeit wieder bei der Polizei in Bielefeld beschäftigt, jetzt im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Presse.

    Irgendwann Ende der Schulzeit begann das Schreiben, zunächst hauptsächlich Texte für die eigene Band. Ab Mitte der 80er als Mitglied der Bünder Schreibwerkstatt intensivere Versuche in Lyrik, kürzerer Prosa und szenischen Texten. Erste Veröffentlichungen in kleineren Anthologien und der Beginn, Texte öffentlich vorzutragen. 2003 erscheint mit "Leichensache" der erste Roman.
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    Auszug aus dem Manuskript:

    In Norbert Horsts Romanen "Todesmuster", "Sterbezeit" und Blutskizzen" wird aus der Sicht des Hauptkommissars Konstantin Kirchenberg erzählt.

    " Das läuft unter "Polizeikrimi". Ich wüsste auch nicht, wie man das kategorisiert. Also wichtig ist für mich - das ist für mich auch ein Zeichen von Literatur, von guter Kriminalliteratur - natürlich schreibe ich eine Geschichte. Das ist jemand tot und mit diesem Sterben passiert irgend etwas. Und natürlich schreibe ich die Aufklärung oder den Versuch der Aufklärung. Aber das Spannende sind natürlich die ganz vielen Geschichten drum herum. "

    "... legt die Säge weg, das Teppichmesser, sie stehen auf, die Gesichter glatt, Köpfe wie kubistische Statuen, setzen sich in Bewegung, rückwärts, in den Gesichtern erste Schatten, werden Konturen, sie gehen weiter Schritt für Schritt..." In den Mordkommissionen, in denen ich gewesen bin, da hat man jemanden, der liegt da und ist tot und dann arbeitet man sehr, sehr intensiv in einer relativ großen Gruppe und man hat dann nach vier Wochen Mosaiksteinchen um Mosaiksteinchen zusammengelegt ... "

    Norbert Horst ist Kriminalhauptkommissar im Brotberuf, als Krimi-Autor wurde er ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis und dem Glauser-Krimipreis.

    "... immer schneller aus der Küche, eine Nase über den Flur, rückwärts, der Mund, durch die Eingangstür, fast ein Gesicht, in die Dunkelheit, immer schneller, Augen, immer schneller ins Dunkel, weg."

    Kriminalhauptkommissar Norbert Horst schreibt schon sehr lange, zuerst Liebesgedichte, dann Erzählungen. Er nahm an einer Art Schreibwerkstatt teil, schrieb weiter, einen Kriminalroman - das lag nahe. Das Skript landete über einen persönlichen Kontakt beim Goldmann Verlag. Zwei Krimipreise, "Blutskizzen" ist einer seiner Roman, wieder mit dem Teamworker Konstantin Kirchenberg, mit seiner hübschen multikulturellen Freundin Ayse, die es irgendwie nahe legt, dass er nebenbei auch mal ein paar Skinheads verprügelt.

    " Diese Perspektive, manche sagen stream of consciousness, also Bewusstseinsstrom, das ist also eine extrem subjektive Perspektive, das heißt, der Leser sitzt im Kopf des Protagonisten Kirchenberg und kriegt natürlich auch seine Gedanken mit. "Gute einsachtzig, breite Schultern, grauer Igelschnitt. Mann, Mann, ganz schöner Brocken, hätten uns mal die Beschreibung in der Akte ansehen sollen. Tatoos satt auf den Unterarmen, da, noch eins an der Wade. Hat sich ziemlich aufgepumpt, der Bursche. Ob das mit den Krafträumen in den Knästen die richtige Beschäftigungstherapie ist?

    "Was is denn los?" Seine Augen sind noch nicht ganz wach, an der Unterhose vorn ein gelber Fleck.

    "Herr Küpper, wir haben ein paar Fragen an Sie, können wir das drinnen machen?"

    Ein kleiner Alarm durchfährt ihn ..." Das kriegt man als Polizist vielleicht mit: Man ist in tragischen Situationen dabei. Tragik und Komik sind ja Geschwister, die teilweise in selben Situationen stattfinden. Das ist einfach so und das bekommt man in dieser sehr subjektiven Perspektive ganz gut mit. "

    Andreas Izquierdo, geb. am 09.08. 1968 in Euskirchen als Sohn eines deutschen Ingenieurs und einer spanischen Krankenschwester; aufgewachsen in Iversheim (Nord-Eifel), nach dem Abitur (1987) nach Köln gezogen, um dort mit wenig Fleiß und noch weniger Erfolg zu studieren. Dann volontiert bei einem kleinen Sportverlag und 1993 mal was als Nachwuchsjournalist gewonnen. Ich lebe als Freier Autor in Köln, bin Mitglied im Syndikat (seit April 2008 auch einer der Sprecher) und spiele dort beim FC Criminale.
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    Das SYNDIKAT, das sind mittlerweile über 600 Autorinnen und Autoren, deren Ziel es war und ist, die deutschsprachige Kriminalliteratur zu fördern, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, sowie für die Mitglieder ein Forum des Austauschs zu schaffen und Kontakte zu ausländischen Kolleginnen und Kollegen zu pflegen.

    Bernhard Jaumann wurde am 8.6.1957 in Augsburg geboren. Er studierte an der Ludwig Maximilian Universität in München und arbeitete danach als Gymnasiallehrer für Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Italienisch in Bad Aibling, unterbrochen von längeren Auslandsaufenthalten in Italien, Australien und Mexico-Stadt. Ab 1997 schrieb er eine Krimiserie, deren einzelne Bände jeweils einen der fünf Sinne zum Thema haben und in einer anderen Metropole spielen. Danach machte er das kleine italienische Dorf Montesecco, bei dem er ein Haus hat, zum Schauplatz einer erfolgreichen Krimitrilogie. Zur Zeit lebt er in Windhoek/Namibia, wo seine neuesten Werke angesiedelt sind.
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    Bernhard Jaumann
    Die Vipern von Montesecco
    Roman.
    2007 Aufbau TB
    Ein Dorf sucht seinen Mörder. Gluthitze über den alten Mauern von Montesecco. Abends treffen sich die Familien in der Bar. Sie reden. Über einen Mörder, der zurückgekehrt ist. Über die Schlangen. Und über einen neuerlichen Mord. Der Autor macht in diesem Kriminalroman eine verschworene Gesellschaft gleichzeitig zum Helden, Täter und Ermittler. Meisterhaft schildert er das italienische Lebensgefühl in all seiner Anmut, Vitalität und Gefährlichkeit.
    Auszug aus dem Manuskript:
    " Man hat eine Vorgabe. Man weiß, es muss spannend sein und es gibt auch eine bestimmte Struktur, die man erfüllen muss. Gleichzeitig - das ist ja auch das Interessante am Krimi - auch nicht erfüllen muss. Der Leser will ja immer überrascht werden, aber doch das Bekannte sehen. Er will den Krimi erkennen, aber doch sagen, so einen Krimi habe ich eigentlich noch nie gelesen. Das ist schon eine Aufgabe, die für einen Schriftsteller spannend ist, die für mich jetzt besonders spannend ist am Genre Krimi. "

    Bernhard Jaumann schreibt Kriminalromane. Er ist seit vielen Jahren erfolgreich, aber kein Bestsellerautor. Die üblichen Krimipreise hat auch er bekommen.

    " Ich glaube, man muss versuchen, ein literarisch gutes Buch zu schreiben. Und das gilt für Genre-Literatur genauso wie für ernsthafte Literatur. Ich bemühe mich zumindest, ich würde meine Literatur nicht als reine Unterhaltungsliteratur sehen. "

    Drei seiner Romane spielen in Montesecco, einem italienischen Ort, in dem nur noch 25 Personen leben. Viele sind ausgewandert oder umgezogen in die großen Industriestädte Italiens. Vor allem die Alten sind übrig geblieben.

    Die armen Lucarelis. Dass gleich beide ohne den Segen der Kirche gehen mussten.

    Gott würde es ihnen nachsehen, wenn es ihn gäbe.

    Ich überlebe dich, Franco, und ich garantiere dir, du bekommst eine christliche Beerdigung, wie es sich gehört. Da kannst du dich in deinem Testament noch so sehr dagegen wehren!

    Und ich garantiere dir, dass ich aus dem Sarg aufstehen und deinen Pfarrer zum Teufel schicken werde.

    Hör auf an deinen Ohren herumzubohren! Das tut man nicht.

    So ein altes Ehepaar in "Die Vipern von Montesecco". Wenn in Montesecco die Ordnung gestört ist, dann regeln das die Menschen selbst.

    " Es ist wirklich ein Prinzip des Anarchismus, alles Leid der Welt kommt daher, dass sich der Staat einmischt. Gäbe es keinen Staat, dann wäre die Welt in Ordnung. "

    Die Welt ist in Ordnung. Das Verbrechen stört die Ordnung. Die Polizei stellt die Ordnung wieder her.

    " Das ist da auf keinen Fall so. Da ist die Polizei die Institution, die die Ordnung stört und die Dorfbewohner selber müssen dafür sorgen, dass das Ganze wieder seinen richtigen Lauf nimmt. Das lebt natürlich auch ein bisschen von diesem alten Vor-Berlusconi-Italien, in dem es solche anarchischen Charaktere nicht nur gab, sondern die wirklich auch das italienische Leben und die italienische Öffentlichkeit mitbestimmt haben. Ich habe ja auch in Italien gelebt, länger, und ich weiß, wovon ich rede. Ich habe das immer ganz faszinierend gefunden, gerade in diesen kleinen Dörfern im Hinterland, im italienischen Hinterland, in dem es also auch noch .. zu diesem italienischen Nationalgefühl, das man dem Staat auf jeden Fall erst einmal Widerstand leisten muss auch noch so ein Provinzialismus dazu kommt, der in der Mischung diese Leute wirklich dann für eine Staatsmacht zu schwer erträglichen Untertanen werden lässt. Das habe ich natürlich in diesem Buch schon abgebildet oder in diesen drei Büchern. Das ist etwas, was mich immer fasziniert hat und was ich auch sehr schön fand, in gewisser Weise. "


    Ingrid Noll (* 29. September 1935 in Shanghai) ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie gilt als eine der erfolgreichsten deutschen Krimi-Autoren der Gegenwart. Ihre Bücher wurden bislang in 21 Sprachen übersetzt. Mehr über Ingrid Noll bei:
    Wikipedia
    Perlentauscher

    Auszug aus dem Manuskript:

    Ingrid Noll: " ... überhaupt auch wie Frauen morden, doch häufiger durch Gift und das kann ich auch nachvollziehen, denn man macht sich die Hände nicht so schmutzig. "

    Doch auch hier emanzipieren sich die Männer. Heute greifen ökologisch orientierte Krimiautoren und -autorinnen gendermäßig unabhängig gerne auf altbewährt Natürliches und zudem biologisch Abbaubares zurück.

    " Ich habe durchaus Pflanzengift schon einmal benutzt, Eisenhut, der sehr giftig ist und der auch schwer nachzuweisen ist, das hat mir mal eine Gerichtsmedizinerin mal einen Fall erzählt, was die Mediziner nicht nachweisen konnten, sondern erst ein Biologe. Der ist giftiger als Fingerhut. Aber jetzt will ich kein Rezept dafür liefern. Das dann die Hörer anwenden. "

    Ingrid Noll ist die Altmeisterin des deutschsprachigen Krimis und Krimigiftmords und nutzt die Apotheke von "Mutter Natur" - etwa den heimtückischen Knollenblätterpilz ...

    ... der ist ausgezeichnet, aber man darf nicht sofort ins Krankenhaus kommen. Wenn man das etwas schleifen lässt für ein paar Tage und es geht dem Patienten schon etwas besser, und er kommt dann erst nach vier Tagen ins Krankenhaus, dann ist wahrscheinlich nichts mehr zu machen.

    Bei giftigen Pilzgerichten gibt es zwei große Probleme. Erstens: Giftige Pilze riechen und schmecken in der Regel auffallend unangenehm. Darauf verweisen jedenfalls Bücher für den Hobby-Pilz-Sammler. Und zweitens: Wie ist auszuschließen, dass die falsche Person von der tödlichen Mahlzeit nimmt? Erinnern wir uns an Emilie aus "Die Gruft im Wilhelmstein", an den nicht für sie bestimmten Blauen Eisenhut. Ingrid Noll - ihr Mann verfügt als Arzt über hilfreiche Kenntnisse - hat in einem ihrer Romane das Problem gelöst:

    " Der Raffinierteste war der aus der Apothekerin und da hat mir mein Mann unter die Arme gegriffen, dass eben .. in einem Gebiss eine Giftpille deponiert wird und der Großvater am nächsten Tag sein Gebiss aufsetzt und seinen Kaffee dazu trinkt dann löst sich das auf und dann haben wir den Salat während die Mörder weit weg sind und ein Alibi haben. Meinem Mann fiel das eben so ein, weil das Gebiss meiner Mutter, die bis zu ihrem Tod hier bei uns gewohnt hat, weil das oft irgendwo lag, wo es nicht hingehörte und man hätte daran ohne weiteres manipulieren können. So einfach war das auch nicht. Der eine Täter musste ein Zahnarzt sein, der einen Bohrer und so etwas haben musste, um so etwas zu machen und seine Freundin war Apothekerin und kam an das Gift ran. Also wenn diese Kombination steht und dazu noch ein Opa beerbt werden soll, dann ist es vielleicht möglich. Aber jedermann kann es jetzt nicht nachmachen. "

    Dr. Thomas Wörtche - der Kritiker und Herausgeber im Gespräch mit der Krimi-Couch
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    Thomas Wörtche
    Das Mörderische neben dem Leben.
    Ein Wegbegleiter durch die Welt der Kriminalliteratur.
    Libelle 2008.
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    Auszug aus dem Manuskript:

    80 Prozent Schrott und Schotter, 10 Prozent Konfektionsware, 10 Prozent Literatur ...

    So bewertet ein Krimikritiker die deutschsprachigen Kriminalromane der letzten Jahre. Wir widersprechen: Viel Schrott, nun ja, es wird viel veröffentlicht, die Verlage müssen verdienen und die Menschen lesen Krimis - immer mehr, auch immer mehr von deutschsprachigen Autoren. Viel Konfektion, zweifellos, darunter auch sehr routiniert geschriebene und spannende Romane mit gelegentlichen Überraschungen. Dann "Literatur", gemeint ist wohl die "gehobene" Kriminalliteratur, der E-Kriminalroman - "E" für ernst im Gegensatz zu "U"-für den Unterhaltungskrimi. Doch, wer will das entscheiden und nach welchen Kriterien?

    Literaturwissenschaftler tun sich schwer, das Genre zu definieren und langweilen damit. Doch langweilen dürfen vielleicht Literaturwissenschaftler, Krimis, so viel steht fest, Krimis dürfen das nicht. Sie müssen überraschend sein, sprachlich originell und vielleicht sollen sie auch noch Sinn und Unsinn des Lebens erhellen oder diese oder jene politische oder soziale Wirklichkeit reflektieren. Doch Letzteres kann auch langweilen, und langweilen, wie gesagt, darf ein Kriminalroman - gleichgültig ob "E", "U" oder sonst etwas - auf keinen Fall, ebenso wenig wie das wirkliche Leben. Dann setzen sich die Menschen lieber gleich vor den Fernseher und langweilen sich dort.

    Dr. Thomas Wörtche: " Ich denke, dass der Krimi ein breiteres Publikum hat. Was das genau für ein Publikum ist, weiß man nicht genau. Ich habe den Verdacht, weil der Krimi so eine Universalformel geworden ist, es im Krimibereich genau die selbe Gabelung gibt, die es in der gesamten Literatur gibt. Es gibt sozusagen den E- und den U-Krimi und dass die relativ auseinanderdriften. "

    Thomas Wörtche ist Kritiker und ärgert sich berufsbedingt über Schrott, Schotter und Konfektionsware.

    " Also an Neuerscheinungen. Ich bekomme pro Monat für meine Jury-Tätigkeit und andere Rezensionstätigkeiten ca. 170 bis 180 Titel auf den Tisch pro Monat. Der deutsche Anteil ist größer geworden, auf jeden Fall. "Gefühlt" hat er sich in den letzten 15 oder 20 Jahren verdoppelt, wenn nicht verdreifacht. Das hat damit zu tun, dass die Verlage natürlich den deutschen Krimi entdecken, weil der deutsche Krimi einen großen Vorteil hat, er kostet kein Übersetzungsgeld und er hat auch weiterhin den Vorteil, dass deutsche Autoren bei den Vorschüssen - Verlage sagen oft - sehr vernünftig sind. Das heißt, entweder nehmen sie keine oder sie kaufen auch noch 300 Exemplare ihrer eigenen Werke. Der deutsche Krimi ist für den Verleger irgendwie ein risikoloses Ding und soweit es um Regionalkrimis ... "