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Morsen auf hohem Niveau

Ungebrochen auch in Zeiten des Internets ist das Interesse an Funktechnik. Auf der Messe "Ham Radio" in Friedrichshafen tauschen sich die Insider aus und präsentieren verblüffende Kniffe, mit denen sich Sprache und Informationen durch den Äther schicken lassen.

Von Thomas Wagner | 23.06.2007
    Zugegeben: Besonders schön hört sich das nicht an, was Thilo Kootz seinem Kurzwellen-Empfänger auf der Ham Radio entlockt. Im Gegenteil: Der Ton klingt fast ein wenig schmerzhaft, "unrein". Und ein Blick auf das daneben stehende Oszilloskop zeigt auch, warum das so ist. Zu sehen ist zwar so etwas Ähnliches wie eine Sinus-Kurve, aber:

    "Da sind auf einmal Zacken drin. Und zwar im Nulldurchgang wird das Sinus-Signal einfach umgekehrt: Es kommt von oben – und geht nach oben."

    "Phase Shift Keying", kurz PSK, nennt Thilo Kootz, technischer Referent im Deutschen Amateur-Radioclub, dieses Modulationsverfahren. Dabei werden weder Amplitude noch Frequenz eines hochfrequenten Trägersignals verändert – im Gegenteil: Diese Parameter bleiben völlig gleich. Das einzige, was sich verändert, ist die Phase der Sinus-Kurve: Statt von oben nach unten zu schwingen, wird der ursprünglich nach unten weisende Teil einer reinen Sinus-Kurve im Rechner einfach nach oben geklappt. Oder anders herum: An bestimmten Stellen des Signals wird die Phase gedreht.

    "Und durch diese beiden verschiedenen Phasenzustände, die ich dadurch erzeuge, kann ich eine digitale Information codieren. Die eine Phasenlage wird sozusagen die Null repräsentieren. Und die anderen Phasenlagen die Eins. Insofern können wir über 0 und 1, wie wir das in der Digitaltechnik gewöhnt sind, eben Informationen übertragen."

    Allerdings nur im Schneckentempo: 50 Zeichen pro Minute – mehr gibt PSK nicht her. Das reicht allenfalls zur Übertragung von Buchstaben und Zahlen. Auf den ersten Blick erscheint damit "Phase Lift Keying" als neues Modulationsverfahren für Funkamateure nicht eben attraktiv. Bei genauerem Hinsehen bietet es aber doch Vorteile. Thilo Kootz:

    "PSK ist eben sehr schmalbandig. Im Endeffekt wird nur eine Bandbreite von 31 Hertz benötigt. Mann kann also in einem sehr schmalbandigen Frequenz-Segment sehr viele Frequenzen hineinbringen. Das ist der eine Vorteil. Und der zweite Vorteil: je weniger Bandbreite ich habe und benutzen muss, desto gezielter kann ich meine verwendete Sendeleistung auf diese Bandbreite konzentrieren und so möglichst große Reichweiten überbrücken. Also bei schlechtem Signal-Rausch-Verhältnis lässt sich damit eine Verbindung herstellen, wo andere Verfahren passen."

    Das heißt: Ein Signal, das mit PSK moduliert wurde, ist fast unverwüstlich. Über Kurzwelle kann es zudem ohne Umsetzer an Empfänger in alle Welt übermittelt werden; Störeinflüsse machen ihm kaum etwas aus. Das kann, so Thilo Kootz, vor allem dann wichtig sein, wenn Funkamateure besonders gefragt sind:

    "Der Amateurfunk hat ja einen gewissen Stellenwert im Notfunk. Wir kennen das aus Naturkatastrophen. Funkamateure sind oftmals die ersten Personen, die aus solchen Katastrophengebieten Verbindungen herstellen, und das mit Heimmitteln, also mit kleinen Sendeleistungen und kleinen Energie-Ressourcen. Und da bietet sich eben PSK besonders an, weil es mit relativ wenig Energie trotzdem saubere interkontinentale Verbindungen erzeugen kann."

    Und auch ein weiteres Übertragungsverfahren, das auf der "Ham Radio" in Friedrichshafen vorgestellt wurde, trägt der Frequenzknappheit auf den Amateurfunk-Bändern Rechnung:

    "Dies ist ein D-Star-Test auf der Ham Radio in Friedrichshafen auf dem Stand der Firma Icom."

    Dieter Hamberger, Mitarbeiter des Funktechnikherstellers Icom, testet "D-Star." Dahinter verbirgt sich ein neues, ursprünglich in Japan entwickeltes Übertragungssystem, das gleich mehrere Besonderheiten vereint. Das Echo im Test rührt daher, dass das Sprachsignal erst digitalisiert und dann datenreduziert wird, so ähnlich bei beim MPEG-Vefahren. Die Rechenprozesse des Codierens und Decodierens verursachen die Zeitverzögerung. Parallel zum Sprachsignal wird bei D-Star aber auch ein Datensignal übertragen. Mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 1200 Baud lassen sich dabei in den VHF- und UHF-Amateurfunkbändern lediglich Zahlen und Buchstaben übermittelt. Aber immerhin: Beides zusammen, Sprach- und Datensignal, benötigt gerade mal eine Bandbereite von 12.500 Kilohertz, also genau die Hälfte von dem, was eine Sprachsignal in herkömmlicher Frequenzmodulation beansprucht. So richtig Freude haben die Funkamateure, wenn sie im D-Star-Modus im Gigahertz-Bereich senden. Dieter Hamberger:

    "Dort sind wir in der Lage, Daten zu übertragen bis 128 Kilobit pro Sekunde. Das heisst: Doppelte ISDN-Geschwindigkeit bei einer Bandbreite von 150 Kilohertz. Das ist eigentlich auch nicht besonders viel."

    Dabei bietet D-Star nicht nur die Möglichkeit so genannter "Peer-to-Peer"-Verbindungen, also von Funkstation zu Funkstation. Europaweit wurden bislang im Rahmen eines Tests fünf UKW-Umsetzer in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich über das Internet miteinander vernetzt. Das heißt: Ein Funkamateur kann Sprache und Daten über diese Umsetzer und übers Internet europaweit in Echtzeit versenden.

    "Als Beispiel haben wir einen Testrepeater in der Schweiz stehen. Und dort kann ein Amateur über diese Gateway-Funktion mit einem Amateur im Raum Frankfurt sprechen, auf normalem UKW-Band. Das heißt: Er kann mit seinem Handfunkgerät in der Stadt Bern herumlaufen und kann mit einem anderen Kollegen im Frankfurter Raum, in Wien oder in Würzburg auch sprechen, der ein ganz normales UKW-Handfunkgerät hat."