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Mortier als Joker

Wer künftig die Bayreuther Festspiele leitet - diese Frage wird noch einmal spannend. Denn wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" meldet, hat sich der frühere Intendant der Pariser Oper, Gérard Mortier, gemeinsam mit der Dramaturgin Nike Wagner für das Amt beworben. Matthias Sträßner, Kulturchef im Deutschlandfunk, glaubt, dass damit ein wirkliches Schwergewicht ins Rennen gebracht wurde. Die Frage sei nun, wie sich Eva Wagner-Pasquier verhalten werde.

Matthias Sträßner im Gespräch mit Christoph Schmitz | 25.08.2008
    Christoph Schmitz: Gestern, Sonntag, ging das Fax in München bei Wissenschaftsminister Gockel ein, als Mitglied des Stiftungsrates der Bayreuther Festspiele. Nike Wagner teilte mit, sie will zusammen mit Gerard Mortier die Bayreuther Wagner-Festspiele leiten, wenn Wolfgang Wagner sein Amt Ende dieser Woche zur Verfügung stellt. Der Belgier Mortier hat eine stattliche Erfolgsbilanz aufzuweisen. Die Brüsseler Oper hat er geleitet, die Salzburger Festspiele und die RuhrTriennale in NRW. Als Opernchef in Paris ist er weniger gut angekommen. Im nächsten Jahr will er zur New York City Opera wechseln. Am kommenden Montag, am 01. September aber werden die Weichen für die Zukunft der Bayreuther Festspiele gestellt. Nike Wagner hatte sich bisher alleine beworben. Die Halbschwestern Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier zusammen. Ist Nikes Wagners neue Aufstellung mit Mortier ein echter Joker? Das habe ich Matthias Sträßner gefragt, Kulturchef im Deutschlandfunk.

    Matthias Sträßner: Gerard Mortier ist auf alle Fälle ein Joker. Diesen Joker ziehen zu können, verdient alle Achtung. Und Nike Wagner hat sich durch diesen Joker in eine, ich würde es nennen, strategische Win-win-Position gebracht, weil die eine Seite ist, sie kommt mit diesem Joker durch und gewinnt das Spiel. Und die andere Lösung ist, sie kommt nicht durch und gewinnt das Spiel nicht. Dann hat sie aber immerhin den gewinnenden Schwestern den Makel angeheftet, dass sie es mit einer besseren Lösung hätten schaffen können.

    Schmitz: Wenn man davon ausgeht, dass Nike und Gerard Mortier die bessere Lösung wären?

    Sträßner: Ich gehe auf alle Fälle davon aus, dass Mortier die bessere Lösung ist als Intendant und Nike Wagner ist als Wagner gesetzt. Das ist übrigens eine Sache, über die man eigentlich diskutieren müsste. Denn zu solcher Lösung gibt es natürlich zwei Intendanten und nicht einen. Aber ich halte Mortier in der Tat für ein absolutes Schwergewicht. Und die eigentliche Frage, die sich jetzt auftut, die ist doch auch gar nicht, wie verhält sich Katharina Wagner, sondern die eigentliche Frage, die sich jetzt auftut, wie verhält sich Eva Wagner-Pasquier.

    Schmitz: Eva Wagner-Pasquier hat ja ursprünglich zusammen mit Nike Wagner kandidiert, aber diese Kandidatur zurückgezogen, weil sie sich dann doch mit Eva Wagner, ihrer Halbschwester, zusammengetan hat und dieses Konzept ist wohl auch auf Wohlwollen im Stiftungsrat gestoßen. Das Konzept liegt seit wenigen Wochen vor dieser beiden Halbschwestern. Wird denn Eva Wagner sich noch mal anders entscheiden, nachdem sie einmal illoyal gewesen ist?

    Sträßner: Der Ruch des Illoyalen, der Ruch des Opportunistischen hängt in diesem Verfahren eigentlich allen an. Er hängt auch Nike Wagner an, denn sie hat auch schon mit anderen Kandidaten sich vorgestellt in dem ganzen Verfahren. Damals war das Elmar Weingarten. Katharina Wagner hat sich nur als Tochter in das Verfahren begeben, wenn man das so will. Und wenn man es sachlich sieht, ist das Theater-Kompetenzzentrum meines Erachtens ganz eindeutig bei Eva Wagner-Pasquier. Und es sie wird auch gebraucht deswegen, weil sie, wenn der Name Wagner sein muss, sie mit ihrer Erfahrung eigentlich am besten auf dieses Profil passt. Und deswegen hat Nike Wagner damit einen Coup gelandet, denn sie bringt Eva Wagner-Pasquier nun wirklich in die Verlegenheit, sollte sie sich dafür entscheiden, es bei der Konstellation zu belassen, die wir haben, nämlich mit Katharina Wagner, dann muss sie sich nachsagen lasse, sie hätte Mortier haben können.

    Schmitz: Sie sagen, es sei ein Coup, ist es nicht eher eine Verzweiflungstat, nachdem Nike Wagner erkennen musste, dass alles auf das Duo Eva/Katharina hinauslaufen wird?

    Sträßner: Das mag als Verzweiflungstat begonnen haben. Aber es ist trotzdem ein Coup, weil hätte sie den Namen Mortier früher gespielt, früher, als Wagner selber seinen Rücktritt erklärt hatte, dann hätte sie sicherlich auch den großen Namen Mortier verbrannt.

    Schmitz: Der Stiftungsrat ist einigermaßen konsterniert, weil niemand, außer anscheinend Wissenschaftsminister Goppel in Bayern dieses Konzept oder die Neubewerbung bekommen hat, weder Kulturstaatsminister Bernd Neuman hat es etwas vorliegen, noch die Gesellschaft der Freunde der Festspiele in Bayreuth, noch der geschäftsführende Leiter des Stiftungsrates, der Oberbürgermeister von Bayreuth. Insofern könnte man annehmen, dass, na ja, diese kurzfristige Strategie vielleicht doch dann ins Leere geht, weil man sich gar nicht gut genug auf diese neue Variante einstellen kann. Es sei denn, man würde die Entscheidung am 1. September verschieben und später erst entscheiden, für welches Duo man votiert?

    Sträßner: Beides ist möglich. Wenn man sich kurzfristig nicht mehr umentscheiden möchte, dann fällt die Entscheidung eben so. Aber auch dann hat Nike Wagner klargemacht, das ist die zweitbeste Entscheidung. Oder, und damit würde ich jetzt mal rechnen, gegebenenfalls muss dieser Termin verschoben werden.

    Schmitz: Meint Matthias Sträßner zur Neubewerbung Nike Wagners zusammen mit Gerard Mortier als Leiter der Bayreuther Festspiele.