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Moscheebau
Jetzt erst recht

Ahmadiyya Muslim Jaamat ist eine kleine islamische Strömung in Deutschland - und plant Großes: ein 100-Moscheen-Programm. In Leipzig soll die erste neue Kuppelmoschee Ostdeutschlands entstehen. Die Stimmung ist angespannt, aufs Baugrundstück flogen schon Schweinekadaver. Ahmadiyya-Vertreter geben die Parole aus: Liebe für alle, Hass für keinen.

Von Wolfram Nagel | 04.05.2016
    Der Siegerentwurf für den Moschee-Neubau in Leipzig-Gohlis. Die für rund 100 Gläubige geplante Moschee soll eine im Dunkeln leuchtende Kuppel und ein Zierminarett bekommen
    Der Siegerentwurf für den Moschee-Neubau in Leipzig-Gohlis. Die für rund 100 Gläubige geplante Moschee soll eine im Dunkeln leuchtende Kuppel und ein Zierminarett bekommen (Jan Woitas / picture alliance / dpa)
    "Wir haben ja über 220 Gemeinden und fast 50 davon haben bereits Moscheen, und unser Wunsch ist natürlich auch, dass die restlichen einen Gebetsraum haben. Denn im Islam ist die Moschee ein zentraler Punkt der Religionsausübung", so Imam Said Ahmed Arif.
    Der 30-jährige Theologe betreut die ostdeutschen Gemeinden der Ahmadiyya Muslim Jamaat. Studiert hat er in Toronto. Aufgewachsen ist der gebürtige Pakistani in Wiesbaden. Die Ahmadiyya verstehe sich als Teil der Gesellschaft. Das möchte sie mit dem Bau von Moscheen auch nach Außen hin zeigen:
    "Weil das ein Weg ist, um in der Gesellschaft anzukommen. Um einfach nicht nur im Hintergrund in den Hinterhöfen zu sein, sondern eine Art und Weise wie wir eine Schnittstelle zur Gesellschaft schaffen. Das ist ein Anlaufpunkt für Muslime und auch für Nichtmuslime, die mehr über den Islam erfahren wollen. Auch die Erkennbarkeit einer Moschee ist sehr wichtig. Der Bau einer Moschee ist ein sehr wichtiger Bestandteil einer Gemeinde."
    So sei auch das sogenannte 100-Moscheen-Programm zu verstehen. Außer in Berlin-Pankow gibt es bisher keinen einzigen Moschee-Neubau in den östlichen Bundesländern. Langfristiges Ziel ist, beispielsweise auch in Chemnitz und Dresden Moscheen zu errichten. In Leipzig genehmigte die Stadtverwaltung bereits eine Bauvoranfrage, sodass noch in diesem Jahr der Grundstein gelegt werden könnte. Finanziert werden die Projekte durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.
    "Es geht um die Erkennbarkeit. Das sind Zierminarette, die nicht begehbar sind, bei all unseren Moscheen. Es geht darum, dass Leute, die da vorbei gehen, Muslime oder Nichtmuslime, einfach erkennen können, dass das ein muslimischer Gebetsraum ist."
    Alleine schon der Moscheebau für die gut siebzig Gemeindemitglieder in Leipzig schlägt seit etwa zwei Jahren heftige Wellen. Die sogenannte Bügerinitiative "Gohlis sagt Nein" versucht das Projekt zu verhindern, mit Unterstützung von Legida und rechtsextremistischen Gruppierungen.
    "Da zeigt die Islamfeindlichkeit ihr bislang grässlichstes Gesicht, in dem Kampf schon allein gegen dieses Bauvorhaben. Und ich möchte nicht wissen, was auf uns zukommt, wenn der Bau dann tatsächlich in Gang kommt", sagt Professorin Verena Klemm, Islamwissenschaftlerin vom Orientinstitut der Universität Leipzig.
    Sie ist Mitherausgeberin des kürzlich erschienenen Buches "Muslime in Sachsen". Die unter dem Leitspruch "Liebe für alle, Hass für keinen" auftretende Ahmadiyya wird darin durchaus kritisch gesehen; als missionierende islamische Sondergemeinschaft. Die Autoren stellen auch die Frage nach sektenähnlichen Strukturen.
    Die Ahmadiyya entstand Ende des 19. Jahrhunderts im damaligen Britisch-Indien. Gründer ist Mirza Ghulam Ahmad, der sich als Messias verstand, ja als die Wiederkunft Jesu Christi, Krishnas und Buddhas in einer Person. Sein gottgegebener Auftrag sei die Vereinigung aller Religionen unter dem Banner des Islam. Im Jahr 1889 prophezeite er:
    "Binnen 300 Jahren wird sich die gesamte Menschheit zum Ahmadiyya-Islam bekehren."
    Allerdings auf weitgehend friedlichem Weg, durch das Überbringen der Botschaft des Koran und ein beispielhaftes Leben der Mitglieder. Innerhalb der verschiedenen Strömungen des Islam wird die Ahmadiyya-Lehre als häretisch abgelehnt. Spirituelles Oberhaupt ist ein Kalif mit Sitz in London. In Hessen und Hamburg ist die Ahmadiyya als Körperschaft des öffentlichen Rechtes anerkannt. In Riedstadt bei Darmstadt unterhält sie sogar ein Institut zur Ausbildung von Imamen.
    In den neuen Bundesländern konnte sich die islamische Sondergemeinschaft bisher allerdings nur in wenigen Städten ansiedeln, so in Erfurt, Leipzig, Chemnitz, Zwickau und Dresden, sowie in Berlin-Pankow. Dennoch: "Sie haben ein Grundrecht darauf, sich öffentlich zu artikulieren und öffentlich sichtbar zu sein. Sie haben ein Grundrecht dazu, und wenn sie das hier nicht wahr haben können, dann verstoßen diejenigen Leute, die ihnen das unmöglich machen, gegen das Grundgesetz." So Verena Klemm.
    "Nach Leipzig, wo sie im Herbst schon anfangen wollen zu bauen und Chemnitz, wo sie einen Standort suchen, wollen se jetzt auch bei euch im schönen Dresden eine Moschee hinbauen, mit Minaretten, wollt ihr das?" - "Nein!"
    Für den Gründer der rechtspopulistischen Kleinpartei "Die Freiheit", Michael Stürzenberger, sind Minarette "Schläfer-Raketen oder Bajonette gegen die Demokratie". Die Ahmadiyya bezeichnet der selbst ernannte Islam-Experte als "Wolf im Schafspelz", die das christlich-jüdische Abendland in Wirklichkeit unterwerfen wolle.
    "Auch sie berufen sich auf Mohammed, auf den Koran, ja, aber sie täuschen. Sie bringen so Sprüche: Liebe für alle, Hass für keinen, Muslime für den Frieden. Das ist alles gelogen und geheuchelt. Wollt ihr diese Brut in Dresden haben?" - "Nein!"
    In München hat Stürzenberger bei seinen Auftritten nur wenige Zuhörer. Bei Pegida in Sachsen jubeln ihm jedes Mal ein paar Tausend Menschen zu. In Österreich wurde der ehemalige Pressesprecher der Münchner CSU im vergangenen Jahr wegen "Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren" verurteilt. Das hinderte ihn nicht, Ende April in Dresden erneut zum Widerstand aufzurufen, gerade gegen die Ahmadiyya.
    "Zeigt, was ihr von diesen Faschisten haltet. Lasst euch bloß nicht dieses faule Ei in euer schönes Nest hinein legen. Das werden wir verhindern Freunde."
    Mit einer Informationskampagne will die Ahmadiyya in Sachsen über sich und den Islam aufklären, unter dem Motto "Muslime für Frieden". Grundsätzlich geben sich die Anhänger der Gemeinschaft weltoffen. Christen, Juden oder auch Religionslose seien gern gesehene Gäste, so Imam Said Ahmed Arif. Erfahrungen hätten er und der Gemeindevorsitzende Rashid Nawaz bereits im vergangenen Sommer gesammelt:
    "Und sind mit den Bürgern ins Gespräch gekommen, auch die, die mit Pegida mitmarschiert sind." - "Gerade über Muslime wird sehr viel geredet und schlecht ist, dass wir wenige Muslime hier haben. Da gibt es auch fast keinen, den man wirklich genau über Islam fragen kann. Das ist, was hier fehlt, deswegen hat die Gemeinde auch hier diese Aktion gestartet..."
    Gegen "Hassprediger" wie Michael Stürzenberger werde die Ahmadiyya rechtlich nicht vorgehen, sagt der junge Imam. Das überlasse die Zentrale in Frankfurt am Main der Justiz. Eine Anzeige würde der Auslegung des Koran widersprechen und passe auch nicht zur Botschaft der Gemeinschaft, Liebe für alle, Hass für keinen.