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Moscheenbau in Deutschland

Die allererste Moschee in Medina soll bloß ein Platz mit einer Dattelpalme gewesen sein, umgeben von einer Mauer. Bis heute ist eine Moschee nicht per se ein heiliger Raum, sondern auch ein Ort, an dem man sich trifft. Jedes Hinterhof-Gebäude könnte theoretisch als Moschee funktionieren. Wenn aber neu gebaut wird, tritt das Symbolische hinzu. Denn Bauwerke stehen für Macht. Über die formale Seite des Moscheebaus haben Wissenschaftler in Essen diskutiert.

Von Kersten Knipp |
    "Also, diese christlich-säkulare Umwelt und die Muslime, die sehr vielgestaltig auftreten, die diskutieren über Inhalte - man belehrt sich sozusagen theologisch. Man belehrt sich in Weltanschauungsfragen. Man lässt Weltsichten aufeinanderprallen, wenn man so will, Zivilisationsmuster. Das sind alles Inhalte. Wir versuchen den Blick auch im Sinne einer Konfliktschlichtung oder gar Konfliktlösung auf die Formen zu lenken. Und die erste Form, die natürlich ins Auge springt bei Moscheen, ist die architektonische Gestalt, die ästhetische Gestalt, die Wirkung eines Moscheebaus, der teilweise sehr traditionell sein kann, mit Minarett und Kuppel, der teilweise aber als solcher nicht mich erkennbar ist, vielleicht nicht einmal mehr als Sakralbau zu thematisieren."

    Kann es sein, dass Formen die Menschen viel eher beschäftigen als Inhalte? Der Politologe Claus Leggewie, Organisator der Essener Tagung, sieht es so. Und wirklich zeigt ja jede Diskussion um den Bau einer neuen Moschee in Deutschland, dass zunächst um Äußeres gestritten wird: Wie hoch soll das Bauwerk werden, wie breit, wie viel Personen Platz bieten? Von der bautechnischen Seite her gesehen, wäre das völlig gleichgültig. Von der symbolischen her allerdings nicht: Bauwerke stehen für etwas, sie repräsentieren Macht. Und sie repräsentieren die Geisteshaltung ihrer Betreiber. Darum, so die Kunsthistorikerin und Architektin Sabine Kraft, kommt es gerade in westlichen Ländern darauf an, ansprechende, elegante Formen zu finden, die sich selbst genügen - und die klassischen Insignien eine Moschee gegebenenfalls auch überflüssig werden zu lassen.

    "Und das ist dann einfach so eine spannende Architektur, die vom Raum her, die von ihren Materialien, ihren Formen her so überzeugt, dass man diese religiösen Identifikationszeichen wie Minarett und Kuppel gar nicht mehr braucht. Das heißt, die innovative Moschee wagt es sogar, auf solche Symbole zu verzichten, die landläufig als unverzichtbar gelten. Und das wäre sehr spannend. Das wären dann Architekturbeispiele, die es wagen würden, wirklich einmal in Wechselwirkung zu treten mit der Umwelt, dem städtebaulichen Kontext und der Lebenswelt der Moderne."

    An diesem Punkt, das zeigte die Konferenz, kommen die Architekten ins Spiel. Alen Jasarevic hat im bayerischen Penzberg eine der Umgebung sehr behutsam angepasste, dazu sehr offene, helle Moschee geplant, die als solche erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. Diese Form hat ganz erheblich dazu beigetragen, dass das Bauwerk auch von der nicht-muslimischen Bewohner der Stadt akzeptiert wurde. Die anfangs skeptische muslimische Gemeinde konnte er von seinen Plänen auch durch einen behutsamen Argumentationsstil überzeugen.

    "Wir merken, dass, wenn man Zeit investiert und auch Geduld hat, dass der Vorstand oder die Gemeinde das tatsächlich auch versteht, dass ab dem Zeitpunkt alles möglich ist und tatsächliche neue Wege gegangen werden können - aber immer gemeinsam, nicht allein vorpreschen und die anderen dann mitziehen, sondern eher anders herum, quasi gemeinsam diesen unbekannten oder unbeschrittenen Weg gehen."

    Ohnehin zeigt sich, auf wie subtile Art Architekten Probleme lösen, harten Dogmen in eine weiche, flexible Form gießen und so auch auf bislang unbekannte Art weiterentwickeln können. Deutlich wird dies etwa, wie Architekten etwa auf die Forderung nach getrennten Gebetsräumen für Männer und Frauen eingehen können. Durchaus denkbar, so Sabine Kraft, dass …

    "… Architekten die Rolle des Reformers übernehmen sollten. Da sich die Theologie nun mal so zäh bewegt oder vielleicht gar nicht bewegt - gerade in dieser Frage der Geschlechtertrennung aus theologischen und rituellen Gründen wird es wahrscheinlich so sein, dass Frauen eben nicht so stark präsent sind in der Moschee -, sollten doch zumindest in der Lebenswelt der Moderne, also im Westen, in westlichen Gesellschaften dann die Architekten diese Rolle übernehmen: indem sie Planungen vorlegen, die solche festgeschriebenen Dinge aufbrechen. Also, dass Frauen jetzt nur einen eigenen kleinen Hintereingang haben, aber stattdessen vielleicht einen gleichwertigen Eingang, der symmetrisch zu dem der Männer ist, oder doch einen gemeinsamen Eingang, wo in der Moschee auch eine Gleichwertigkeit existiert, die sich architektursprachlich ausdrückt."

    Behutsame bauliche Veränderungen können vieles bewirken können, und zwar bei den muslimischen Gemeinden ebenso wie bei den nicht-muslimischen Nachbarn. Genau diese Erfahrung hat auch der Architekt Alen Jasarevic gemacht. Er ist sich sicher,

    "… dass wir hier in Deutschland mit einem neuen Moscheetypus in einer architektonischen Form neu nur gewinnen können, weil wir dann Gebäude haben, die mit ihrer Umgebung in Einklang stehen und tatsächlich Kommunikationszentren werden. Weil, wenn ich über keine Schranken gehen muss - 'ja, das ist mir unbekannt, das schaut komisch aus, das ist mächtig', das ist so rechthaberisch - wenn ich diese Schranken abbaue, dann ist so ein Gebäude plötzlich sehr attraktiv."