Kate Maleike: Deutschland steuert einer jüngsten Studie zufolge auf einen Arbeitskräftemangel zu. Diese Meldung ist neu, doch die Botschaft, die damit verbunden ist, wird bereits seit Jahren immer und immer wieder formuliert. Deutschland hat einen enormen Fachkräftemangel und steuert noch auf eine Steigerung zu, die jüngste Studie der Prognos AG spricht davon, dass dem hiesigen Arbeitsmarkt im Jahr 2015 fast drei Millionen Arbeitskräfte fehlen werden, gut eine Million davon mit Hochschulabschluss, bis 2030 soll er noch auf gut fünf Millionen anwachsen. Einer der angesichts dieser Mangelsituation schon seit Langem Alarm schlägt, ist Martin Wansleben, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK. Hallo, Herr Wansleben!
Martin Wansleben: Frau Maleike, guten Tag!
Maleike: Hat sich in Sachen Fachkräftemangel aus Ihrer Sicht was bewegt?
Wansleben: Gut, ein Fachkräftemangel hat mit drei Dingen zu tun: einmal die Demografie. Ich sage mal, da kommen selbst die Geburten, die ja angeblich ein bisschen wieder steigen, im Augenblick zu spät, aber immerhin, da passiert was. Das Zweite ist die Konjunktur, da hat die Krise sicherlich uns im Moment ein bisschen Luft verschafft. Aber täusche sich keiner, die Realität wird kommen, spätestens dann, wenn es wieder besser wird, und das hoffen wir ja, dass das spätestens ab nächstes Jahr dann soweit ist. Und das Dritte ist das Bildungsthema. Ich glaube, das Bildungsthema hat schon erheblich an Fahrt aufgenommen, wenngleich das, was die Länder da gerade so absolvieren, längst nicht ausreicht, eigentlich mehr als enttäuscht.
Maleike: Was reicht Ihnen da nicht?
Wansleben: Gut, was sich im Moment erweist, ist, dass letztlich die Länder offensichtlich ja fast schon in Teilbereichen überfordert sind. Das sieht man ja an den verschiedenen Gipfeln, die stattfinden. Geld fehlt vorne und hinten, man hat im Oktober 2008 gesagt, wir wollen Geld in den Topf schmeißen, zehn Prozent vom BIP, und wollen richtig vorne dabei sein, und jetzt versuchen die Länder, sich sozusagen reich zu rechnen, indem sie Pensionen der Lehrkräfte noch mit reinrechnen, also, die Rechenmethode ändern. Und wenn Sie sich angucken, welches Tableau vereinbart worden ist – fast muss man sagen, man hat sich eigentlich ziemlich stark schon festgelegt – und was dann am Ende passiert, also, das Geld ist nicht passiert, man hat noch nicht mal eine Offensive gestartet, um Lehrkräfte mit Migrationshintergrund verstärkt einzustellen, um die Integrationsleistung der Schulen zu verbessern und ich könnte jetzt leider so weitermachen.
Maleike: Herr Wansleben, lassen Sie uns zurückkommen zum Thema Fachkräftemangel, da sind ja einige Initiativen gestartet worden in der Zwischenzeit, besonders die MINT-Fächer sind bedacht worden, unter anderem mit vom Bund gestützten Programmen. Greift das schon?
Wansleben: Also, hier geschieht eine ganze Menge, hier geschieht auch dadurch eine ganze Menge, dass Unternehmen Schulklassen und Lehrer in die Unternehmen einladen, um Mathematik, Physik, Chemie – um mal die drei Beispiele zu nennen – so aus dem theoretischen Lehrraum herauszunehmen und zu zeigen, dass das ganz konkretes Leben ist. Ich glaube, dass das ganz wichtig ist, dass auf den Schulen und in den Universitäten, im Übrigen auch die Eltern, dass die MINT-Fächer da mal so enttabuisiert werden und dass wir viel stärker motivierend tätig sind. Das gilt für die Lehrkräfte und natürlich auch für die Eltern und für die Unternehmen.
Maleike: Aber bis wir sehen können, ob diese Programme greifen, wird es ja etwas dauern. Fachkräftemangel haben wir schon jetzt. Wie ernst ist der? Sie sind ja Hauptgeschäftsführer des DIHK, also Sie sind mit den Unternehmen ganz nah. Was hören Sie aus den Unternehmen?
Wansleben: Das ist flächendeckend, im Übrigen nicht nur Ingenieure, sondern im Grunde alle Fächer oder alle Berufszweige, die was mit Technik zu tun haben, was mit Naturwissenschaften zu tun haben, wo man rechnen können muss, wo man Vorstellungen haben muss von Chemie, das ist flächendeckend das Thema, also, hier gibt es überall Knappheiten. Nun gibt es unterschiedliche Zahlen und sicherlich auch gute Gutachten darüber. Diese Gutachten suggerieren so ein bisschen, dass der Fachkräftemangel die Probleme auf dem Arbeitsmarkt schon beseitigen wird. Und mich beschleicht eine viel stärkere Dimension des Fachkräftemangels, denn wenn Unternehmen, wenn die Wirtschaft erkennt, dass Deutschland keine gut ausgebildeten Ingenieure mehr haben wird, dann müssen Unternehmen woanders investieren, das heißt, dann entstehen Arbeitsplätze woanders, nämlich dort, wo Menschen sind, die die Arbeit tun können. Und deswegen befürchte ich, dass der Fachkräftemangel auf Dauer eine viel größere Wirkung haben wird als nur, in Anführungszeichen, Wohlstandsverluste und leere Arbeitsplätze, sondern wir werden möglicherweise unsere Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht lösen und werden Arbeitsplätze hier in Deutschland nicht haben. Also, deswegen müssen wir an das Thema ran und müssen motivierender auf die Jugendlichen zugehen und auch motivierender im Bereich der Weiterbildung arbeiten.
Maleike: Andersherum haben aber auch andere Länder die Diagnose Fachkräftemangel. Die klugen Köpfe werden also international gesucht. Damit ist es nicht so ganz einfach, zu bestehen. Womit können wir denn auftrumpfen, womit wird Arbeit in Deutschland attraktiv?
Wansleben: Sie sprechen gelassen aus, was auf uns zukommt. Es gibt ja viele Länder, um das noch mal kurz zu unterstreichen, wenn Sie mal nach Arabien gehen, die wirklich Geld haben ohne Ende und die aber keine Skills haben, die keine Leute haben, die in der Lage sind, Geld zu Wertschöpfungsstrukturen zu machen, um dann alle anderen in Arbeit zu kriegen. Also, dieser Wettbewerb um die besten Fach- und Führungskräfte, insbesondere im MINT-Bereich, der wird völlig neue Dimensionen erreichen. Also, attraktiv ist am Ende das Land, was zukunftsorientiert ist, das Land, was die besten Bildungs- und Weiterbildungsbedingungen bringt und – das dürfen wir nie vergessen, hoffentlich in Zukunft auch relevant – das Land, was die besten Lebensbedingungen für Familien darstellt. Deutschland hat da eigentlich gar keine schlechten Karten, aber ich glaube, dass wir eine ganz andere Form von Zuwendung gerade in Richtung Familien, gerade in Richtung junge Leute hinkriegen müssen. Und was im Moment, gerade wenn wir jetzt mal auf diejenigen gehen, die studieren, was da einige in den Universitäten erleben, ich sage mal, da ist die Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Jugendlichen doch sehr verbesserungsfähig.
Maleike: Deutschland und der Fachkräftemangel, ein Rückblick mit Ausblick war das von Dr. Martin Wansleben, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, DIHK, in Berlin. Vielen Dank und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Wansleben: Danke, gleichfalls, Frau Maleike!
Martin Wansleben: Frau Maleike, guten Tag!
Maleike: Hat sich in Sachen Fachkräftemangel aus Ihrer Sicht was bewegt?
Wansleben: Gut, ein Fachkräftemangel hat mit drei Dingen zu tun: einmal die Demografie. Ich sage mal, da kommen selbst die Geburten, die ja angeblich ein bisschen wieder steigen, im Augenblick zu spät, aber immerhin, da passiert was. Das Zweite ist die Konjunktur, da hat die Krise sicherlich uns im Moment ein bisschen Luft verschafft. Aber täusche sich keiner, die Realität wird kommen, spätestens dann, wenn es wieder besser wird, und das hoffen wir ja, dass das spätestens ab nächstes Jahr dann soweit ist. Und das Dritte ist das Bildungsthema. Ich glaube, das Bildungsthema hat schon erheblich an Fahrt aufgenommen, wenngleich das, was die Länder da gerade so absolvieren, längst nicht ausreicht, eigentlich mehr als enttäuscht.
Maleike: Was reicht Ihnen da nicht?
Wansleben: Gut, was sich im Moment erweist, ist, dass letztlich die Länder offensichtlich ja fast schon in Teilbereichen überfordert sind. Das sieht man ja an den verschiedenen Gipfeln, die stattfinden. Geld fehlt vorne und hinten, man hat im Oktober 2008 gesagt, wir wollen Geld in den Topf schmeißen, zehn Prozent vom BIP, und wollen richtig vorne dabei sein, und jetzt versuchen die Länder, sich sozusagen reich zu rechnen, indem sie Pensionen der Lehrkräfte noch mit reinrechnen, also, die Rechenmethode ändern. Und wenn Sie sich angucken, welches Tableau vereinbart worden ist – fast muss man sagen, man hat sich eigentlich ziemlich stark schon festgelegt – und was dann am Ende passiert, also, das Geld ist nicht passiert, man hat noch nicht mal eine Offensive gestartet, um Lehrkräfte mit Migrationshintergrund verstärkt einzustellen, um die Integrationsleistung der Schulen zu verbessern und ich könnte jetzt leider so weitermachen.
Maleike: Herr Wansleben, lassen Sie uns zurückkommen zum Thema Fachkräftemangel, da sind ja einige Initiativen gestartet worden in der Zwischenzeit, besonders die MINT-Fächer sind bedacht worden, unter anderem mit vom Bund gestützten Programmen. Greift das schon?
Wansleben: Also, hier geschieht eine ganze Menge, hier geschieht auch dadurch eine ganze Menge, dass Unternehmen Schulklassen und Lehrer in die Unternehmen einladen, um Mathematik, Physik, Chemie – um mal die drei Beispiele zu nennen – so aus dem theoretischen Lehrraum herauszunehmen und zu zeigen, dass das ganz konkretes Leben ist. Ich glaube, dass das ganz wichtig ist, dass auf den Schulen und in den Universitäten, im Übrigen auch die Eltern, dass die MINT-Fächer da mal so enttabuisiert werden und dass wir viel stärker motivierend tätig sind. Das gilt für die Lehrkräfte und natürlich auch für die Eltern und für die Unternehmen.
Maleike: Aber bis wir sehen können, ob diese Programme greifen, wird es ja etwas dauern. Fachkräftemangel haben wir schon jetzt. Wie ernst ist der? Sie sind ja Hauptgeschäftsführer des DIHK, also Sie sind mit den Unternehmen ganz nah. Was hören Sie aus den Unternehmen?
Wansleben: Das ist flächendeckend, im Übrigen nicht nur Ingenieure, sondern im Grunde alle Fächer oder alle Berufszweige, die was mit Technik zu tun haben, was mit Naturwissenschaften zu tun haben, wo man rechnen können muss, wo man Vorstellungen haben muss von Chemie, das ist flächendeckend das Thema, also, hier gibt es überall Knappheiten. Nun gibt es unterschiedliche Zahlen und sicherlich auch gute Gutachten darüber. Diese Gutachten suggerieren so ein bisschen, dass der Fachkräftemangel die Probleme auf dem Arbeitsmarkt schon beseitigen wird. Und mich beschleicht eine viel stärkere Dimension des Fachkräftemangels, denn wenn Unternehmen, wenn die Wirtschaft erkennt, dass Deutschland keine gut ausgebildeten Ingenieure mehr haben wird, dann müssen Unternehmen woanders investieren, das heißt, dann entstehen Arbeitsplätze woanders, nämlich dort, wo Menschen sind, die die Arbeit tun können. Und deswegen befürchte ich, dass der Fachkräftemangel auf Dauer eine viel größere Wirkung haben wird als nur, in Anführungszeichen, Wohlstandsverluste und leere Arbeitsplätze, sondern wir werden möglicherweise unsere Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht lösen und werden Arbeitsplätze hier in Deutschland nicht haben. Also, deswegen müssen wir an das Thema ran und müssen motivierender auf die Jugendlichen zugehen und auch motivierender im Bereich der Weiterbildung arbeiten.
Maleike: Andersherum haben aber auch andere Länder die Diagnose Fachkräftemangel. Die klugen Köpfe werden also international gesucht. Damit ist es nicht so ganz einfach, zu bestehen. Womit können wir denn auftrumpfen, womit wird Arbeit in Deutschland attraktiv?
Wansleben: Sie sprechen gelassen aus, was auf uns zukommt. Es gibt ja viele Länder, um das noch mal kurz zu unterstreichen, wenn Sie mal nach Arabien gehen, die wirklich Geld haben ohne Ende und die aber keine Skills haben, die keine Leute haben, die in der Lage sind, Geld zu Wertschöpfungsstrukturen zu machen, um dann alle anderen in Arbeit zu kriegen. Also, dieser Wettbewerb um die besten Fach- und Führungskräfte, insbesondere im MINT-Bereich, der wird völlig neue Dimensionen erreichen. Also, attraktiv ist am Ende das Land, was zukunftsorientiert ist, das Land, was die besten Bildungs- und Weiterbildungsbedingungen bringt und – das dürfen wir nie vergessen, hoffentlich in Zukunft auch relevant – das Land, was die besten Lebensbedingungen für Familien darstellt. Deutschland hat da eigentlich gar keine schlechten Karten, aber ich glaube, dass wir eine ganz andere Form von Zuwendung gerade in Richtung Familien, gerade in Richtung junge Leute hinkriegen müssen. Und was im Moment, gerade wenn wir jetzt mal auf diejenigen gehen, die studieren, was da einige in den Universitäten erleben, ich sage mal, da ist die Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Jugendlichen doch sehr verbesserungsfähig.
Maleike: Deutschland und der Fachkräftemangel, ein Rückblick mit Ausblick war das von Dr. Martin Wansleben, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, DIHK, in Berlin. Vielen Dank und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Wansleben: Danke, gleichfalls, Frau Maleike!