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Motorräder
Lärmgrenzwerte werden kaum kontrolliert

Laute Motorräder führen immer wieder zu Streit und Ärger. Das Problem: Zwar gibt es festgelegte Grenzwerte für Stand- und Fahrtgeräusche. Die Schalldämpferanlagen lassen sich aber leicht manipulieren. Zudem werden die Lärmgrenzwerte in der Praxis auch nur selten kontrolliert.

Von Daniela Siebert | 02.10.2014
    Ein sonniger Sonntagnachmittag. Die Spinnerbrücke am südlichen Rand Berlins. Der Motorradfahrertreffpunkt der Hauptstadt. Für die Männer und Frauen hier ist ganz klar, wie ein Motorrad klingen soll:
    "Kernig, dumpf." - "Kräftig und unverwechselbar." - "Laut und sportlich auf jeden Fall. Es muss schon irgendwie ein kräftiger Sound sein, ein leises Geflüster passt halt nicht zu einem richtigen Motorrad."
    Man ahnt: Da gibt es viel subjektiven Spielraum. Leise will sein Motorrad hier niemand.Tatsächlich macht die EU seit Jahrzehnten konkrete Vorschriften, wie laut ein Motorrad sein darf. Der Wert stehe in den jeweiligen Fahrzeugpapieren erklärt Andreas Röse vom TÜV in Berlin.
    Jetzt heißt es nicht mehr Fahrzeugschein, sondern Zulassungsbescheinigung, dort steht sowohl ein Fahrgeräusch als auch ein Standgeräusch drin und das ist zunächst erst einmal verbindlich. Es gibt Standgeräusche, die mit mehr als 100 dB eingetragen sind und andere die so um die 80 dB liegen.
    Diese Werte gelten für normierte Bedingungen auf einer Messstrecke. Es sind quasi Laborwerte. Das hat mit den Fahrgeräuschen im Freien und der Wirkung auf die Umwelt – etwa genervte Anwohner kurviger Landstraßen – wenig zu tun. Dazu kommt: Viele Motorradfahrer rüsten ihre Fahrzeuge um. Gerne durch lautere Schalldämpfer:
    "Man muss ganz offen gestehen, dass die Manipulation an Schalldämpferanlagen von Motorrädern meist sehr einfach ist. Und die Personen kaufen sich diese Nachrüst-Schalldämpfer-Anlagen, weil sie sich einen anderen – jetzt sage ich das mal neutral – "Sound" wünschen als den, den ihr Fahrzeug original hat.
    Wenn man dann gleichzeitig auch noch Einsätze hat, die man mit ein oder zwei Schrauben entfernen kann, dann ist die Versuchung nun mal allzu menschlich, diese ein oder zwei Schrauben mal schnell zu entfernen."
    Wenn die Umrüstanlagen eine EG-Prüfnummer haben, sind sie noch nicht mal illegal. Das alles macht es für die Polizei bei Straßenkontrollen schwierig unzulässig laute Motorräder dingfest zu machen.
    Im Zweifel muss sie den Fahrer zur Überprüfung der Maschine zum TÜV schicken. Vor der Kontrolle dort lässt sich aber der leisere Schalldämpfer-Einsatz schnell wieder anbringen. In der Praxis wird wohl auch deshalb kaum ein Lärm-Sünder überführt.
    In Baden-Württemberg kämpft auch die Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung Gisela Splett mit dem Problem. Derzeit laufen Versuche mit speziellen Leit-Pfosten am Straßenrand – eigentlich aufgestellt zur Verkehrszählung, die mit ihren eingebauten Mikrofonen nun aber auch die Lautstärke vorbeifahrender Motorräder erfassen soll. Das Ziel so Gisela Splett:
    Dass einzelne besonders laute Fahrzeuge identifiziert werden können und das kann eine Kontrolle unterstützen.
    An mehrspurigen Straßen funktionierten die Messungen noch nicht bedauert Gisela Splett. 2012 hatte Baden-Württemberg erfolgreich einen Antrag im Bundesrat eingebracht. Die Bundesregierung sollte sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, strengere Regeln einzuführen, die die Geräuschemissionen realitätsnäher erfassen und kontrollierbarer machen. Ein Argument dabei: mögliche Gesundheitsschäden.
    Wir wissen einfach, dass Lärm ab bestimmten Werten gesundheitsschädlich sein kann und es gibt eben Strecken, wo sehr viele Motorradfahrer unterwegs sind und der Motorradlärm eben auch einen deutlichen Anteil an der Lärmbelastung insgesamt hat und dann bin ich eben da auch im Bereich der Gesundheitsgefährdung.
    Auf europäischer Ebene konnte sich der Bundesratsantrag aber nicht durchsetzen so Splett.
    Dennoch wird es zum 1.1.2016 neue EU-Regeln geben, die den maximalen Geräuschpegel bei neuen Fahrzeugtypen auf 80 dB(A) begrenzen. Insgesamt gingen die neuen Vorschriften deutlich über die bisherigen "nicht sehr anspruchsvollen" Regeln hinaus findet Christoph Gatzweiler vom Industrieverband Motorrad Deutschland.
    "Das neue Messverfahren unterscheidet sich, und dann gibt es zum Beispiel ein Verbot der Testzykluserkennung, die Manipulation wird schwieriger, die sogenannten dB-Eater, die dürfen nicht mehr einfach ausschraubbar sein, das muss zum Beispiel verschweißt sein, dann gibt es ein neues Prüfverfahren der Motordrehzahl im Bereich von 20 bis 80 km/h, das gab es vorher auch nicht, die Fahrzeuge bekommen ein Extra-Schild für die Polizei auf dem die notwendigen Daten für die Kontrolle im Straßenverkehr sind, plus natürlich zwei neue Stufen von Grenzwerten, die selbstverständlich gesenkt werden."
    Allerdings blieben die Regelungen für Ersatz-Schalldämpfer aus dem Zubehörhandel weiterhin großzügiger moniert Gatzweiler und sieht damit die Bemühungen der Motorrad-Hersteller konterkariert.