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Mount Everest
Von der Legende zur Müllhalde

Einmal im Leben auf dem höchsten Gipfel der Welt stehen, davon scheinen immer mehr Menschen zu träumen. Rund 380 Menschen haben in diesem Jahr die Genehmigung bekommen, den Mount Everest zu erklimmen. Doch was die Wirtschaft der Region freut, hat auch Schattenseiten.

Von Silke Diettrich | 07.06.2019
Ein nepalesischer Sherpa sammelt Müll von Bergsteigern am Mount Everest auf
Müllberge am Mount Everest (NAMGYAL SHERPA / AFP)
Über eine tiefe Eisschlucht saust ein großer Sack Müll an einer Leine hinweg. 45 Tage lang haben Sherpas, so heißen die nepalesischen Bergführer, in diesem Jahr Müll gesammelt: Rund 11 Tonnen. Darunter zerfetzte Zeltplanen, Sauerstoffflaschen, Kletterwerkzeuge und unzählige Verpackungen. Nicht zu vergessen, all die ziemlich unappetitlichen Plastiktüten, die so genannten Poo Bags. Denn die Gipfelstürmer müssen ja auch mal für kleine Bergsteiger. Und viel zu viele von ihnen lassen ihre Exkremente einfach dort zurück. Für die Sherpas ist die Aufräumaktion nicht nur unangenehm, sondern auch lebensgefährlich:
"Es ist sehr schwer, den Everest zu besteigen", sagt Nim Gorge. Er leitet dieses Jahr die Aufräumaktion. "Es ist aber noch schwieriger, den Müll von dort herunter zu holen. Oft steckt der tief im Eis fest und wir müssen das alles dort heraus klopfen."
Nicht nur Müll muss unter extremen Bedingungen geborgen werden
Die Temperaturen am Everest können auf minus 40 Grad fallen, der Sauerstoffgehalt in der Luft sinkt um 60 Prozent. Die Sherpas haben sich bei den Aufräumarbeiten mit dem Handy gefilmt.
Auf diesem Video versuchen sie mit einer Spitzhacke, eine Leiche aus dem Eis zu befreien. Rund 300 Menschen sind seit dem ersten Gipfelsturm im Jahr 1953 auf dem Everest ums Leben gekommen. Viele Leichen sind noch nicht geborgen und werden auch erst nach und nach entdeckt, weil das Eis in den Bergen immer mehr schmilzt. Nick Hollis, ein 45 Jahre alter Bergsteiger aus Großbritannien, hat es dieses Jahr auf den höchsten Punkt der Welt geschafft und seine Erlebnisse in einem Videotagebuch zusammen gefasst:
"Eines der traurigen Dinge auf dem Everest ist die Zahl der Opfer. Gestern ist hier einer gestorben, die Sherpas verstauen ihn gerade, damit er evakuiert werden kann. Wir sind an einigen Toten vorbei gekommen. Das ist wirklich traurig und zeigt uns auch, wie gefährlich es hier oben ist."
Pfandsystem soll Müllberge vermeiden
Einige Leichen werden zusammen mit den Müllsäcken in Helikoptern bis in die Hauptstadt Kathmandu gebracht. Seit 2014 soll jeder Bergsteiger eigentlich rund 8 Kilo Müll wieder mit herunter nehmen, so viel wie jeder von ihnen im Durchschnitt produziert. Die Regierung in Nepal drängt Reiseveranstalter nun verstärkt dazu, Müll zu vermeiden, etwa durch die Einführung eines Pfandsystems. Expeditionen in die Berge müssen eine Kaution von rund 4420 Euro hinterlegen – Geld, das sie zurückerhalten, sobald ein Regierungsbeamter bestätigt hat, dass die Expedition "sauber" war. Die Kontrollen werden allerdings nicht besonders strikt durchgesetzt. Zumal sich der Müll ja schon seit Jahrzehnten ansammelt. Dieses Jahr fand zum ersten Mal eine Art Zeremonie statt: "Mach unsere Krone stolz" steht auf einem der Plakate. Nim Gorge, der Leiter der Aufräumaktion, steht vor einem Müllberg, der mindestens doppelt so hoch ist wie er selbst:
"Der Everest ist doch nicht nur unser Berg, er ist ein Eigentum der ganzen Welt. Wir Nepalesen produzieren hier keinen Müll, der kommt von den ausländischen Bergsteigern. Aber wir sind stolz, dass wir mit der Hilfe unserer Regierung diese Aufräumarbeiten leisten. Trotzdem finde ich, die ganze Welt sollte sich um den Erhalt des Everests mehr Gedanken machen."
Rund 200.000 Dollar soll die Aufräum-Aktion in diesem Jahr gekostet haben. Laut Schätzungen bringt der Tourismus rund um den Everest rund 300 Millionen Dollar nach Nepal.