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Mozart mach Miau

Vor 30 Jahren wurde im Londoner Nationaltheater eines der erfolgreichsten Theaterstücke des 20. Jahrhunderts uraufgeführt: Peter Schaffers "Amadeus". Die Inszenierung von Peter Hall mit dem unbekannten Simon Callow als Mozart und Paul Schofield als seinem Gegenspieler Antonio Salieri wurde zum Renner.

Von Matthias Thibaut |
    Nicht alle waren auf Anhieb entzückt, als dieser Mozart am 2. November 1979 zum ersten Mal die Bühne betrat. Peter Shaffer hatte Amadeus, den Gott Geliebten, in seiner Regieanweisung so beschrieben:

    "Ein kleiner, fahler Mann mit großen Augen, angeberischer Perücke und angeberischen Kleidern. Er rennt Constanze hinterher und bleibt plötzlich wie eine Katze stehen. Sein Lachen ist schrill und kindisch."

    Dann öffnete Mozart, in der Uraufführung von dem damals 30-jährigen Simon Callow gespielt, zum ersten Mal im Stück den Mund und sagte:

    "Miau.Miau.Miau"

    Aber nicht Mozart, sondern Antonio Salieri, Kapellmeister am Hofe Josephs des Zweiten, der Gegenspieler, Bewunderer und Neider Mozarts, ist die Hauptperson im Drama. Shaffer greift die historisch nicht richtige Behauptung auf, Salieri habe Mozart aus Eifersucht vergiftet.

    Salieri sieht, wie sich Mozart mit Constanze auf dem Boden balgt und Katze spielt und dann im Nebenzimmer das Adagio aus der Bläserserenade in B-Dur dirigiert. Zum ersten Mal hört Salieri, gespielt von Paul Schofield in einer seiner größten Rollen, Mozarts Musik.

    Salieri beschreibt, wie Mozarts Musik ihn ergreift. Die Serenade beginnt einfach, wie eine Drehorgel, dann setzt der hohe Ton der Oboe ein, der Salieri schmerzhaft durchbohrt, und dann in ein zartes Motiv der Klarinette übergeht, das ihn tief bewegt.

    So beginnt der Konflikt zwischen Salieri mit seiner bemühten, fleißigen Durchschnittsbegabung und Mozart, dem unwürdigen Narren, aus dem die Musik anstrengungslos herausfließt. Es ist ein metaphysisches Duell. Nicht Mozart, sondern Gott ist Salieris Gegenspieler, weil er nicht ihn, den Redlichen, Verdienstvollen, Würdigen zum Medium seiner Schöpferkraft gemacht hat, sondern den unwürdigen Mozart. Mozarts Musik kommt aus einer Kreatur mit der Stimme eines öbszönen Kindes.

    Das Publikum war empört über den miauenden Mozart, aber fasziniert von dem Stück. Margaret Thatcher, die gerade ein halbes Jahr Premierministerin der Briten war, polterte beim Pausen-Smalltalk mit Regisseur Peter Hall: "So war Mozart nicht". Autor Peter Shaffer erzählte die Anekdote viele Jahre später.

    "Peter Hall, ich war nicht dabei, sagte ihr, 'Peter Shaffer hat das sorgfältig recherchiert. Sie müssen nur Mozarts Briefe an seine Base lesen, die sind sehr schmutzig, koprophil, kindisch, nicht so grazil und elegant wie seine Musik. Mozart war das genaue Gegenteil seiner Musik, die Antithese dazu und für einen Bühnenautor ist das faszinierend'. Frau Thatcher hörte zu und wiederholte: 'Was ich gesagt hatte war: So war Mozart nicht.'"

    Als weniger als ein Jahr nach der Uraufführung die Broadway-Premiere in New York stattfand, saß der tschechische Filmregisseur Milos Forman im Publikum. Shaffer erinnert sich, wie er ihm nach dem ersten Akt vorgestellt wurde.

    "Er sagte: 'wenn zweiter Akt so gut wie erster, werde ich einen Film daraus machen, wenn sie wollen.'"

    Amadeus, der Film, wurde ein Welterfolg. Preisgekrönt mit acht Oscars, führte er ein Weltpublikum in die Musik Mozarts ein. Das Bild des göttlichen Narren, das Genie als eitler Bummler bestimmte das Mozartbild einer ganzen Generation.