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"Mozart: String Quartets KV 428 & KV 464"

Zu den Kammermusikpartnern von Christian Zacharias zählt unter anderem das Leipziger Streichquartett, das auch mit dem Label Dabringhaus & Grimm verbunden ist. Auch diese vier Leipziger Musiker haben nun eine weitere CD veröffentlicht, diesmal mit den Quartetten Es-Dur KV 428 und A-Dur KV 464 von Wolfgang Amadeus Mozart, also mit zweien der sechs sogenannten Haydn-Quartette. Charakteristisch für diese Kammermusikvereinigung ist das hohe Maß an gelassener innerer Spannung, die ihre Interpretationen auszeichnet. Sie neigen einfach nicht dazu, der Musik in irgendeiner Weise Gewalt anzutun. Auch bei raschen Tempi gewinnt man den Eindruck, die vier hätten alle Zeit der Welt. Die Musik entsteht wie von selbst aus einem gemeinsamen Atem, und dabei können die vier vor allem auch aufeinander warten - jeder formuliert die Gedanken seiner Stimme frei von Druck. So entstehen diese beiden Mozart-Quartette wie von selbst, werden die tragenden Ideen mit bemerkenswerter Tonkultur dargelegt und bis in die Verästelungen verfolgt. Transparenz der Faktur kommt nicht zuletzt dadurch zustande, daß an allen Pulten ein hohes Maß an Bereitschaft besteht, zurückzutreten, manches nur anzudeuten, um Wichtigeres an anderer Stelle momenthaft aufscheinen zu lassen. Das alles wirkt im besten Sinn konventionell, zeugt von einer Tradition, die das Gegenteil von Schlamperei darstellt, die vielmehr getragen scheint vom intensiven und geistvollen Umgang mit Interpretationsgeschichte. So ist der vorherrschende interpretatorische Gestus doch wohl der der Anspielung. Das wird gerade bei Mozart interessant, der die Anspielung liebte und dessen Stilmittel häufig genug darauf abzielen, zusätzliche Bedeutungshorizonte zu eröffnen, anderes anklingen zu lassen, die Welt der barocken Polyphonie etwa, die Welt des gesungenen Dramas. Es ist denn auch der Reichtum an Assoziationen, der bei dieser Art von Mozart-Interpretation mehr und mehr fesselt, je sorgfältiger man zuhört. So könnte man das Leipziger Streichquartett als eine musikalische Societät beschreiben, die der Aufklärung in ihrer liebenswürdigsten Form huldigt und die dem Zuhörer in diesem Fall auf die zuvorkommenste Weise versichert, bei Mozart könne jeder nach seiner Façon selig werden. Wie sich herausstellt, ist es tatsächlich gar nicht so schwer, mit diesem Mozart selig zu werden. * Musikbeispiel: Wolfgang Amadeus Mozart - Finale aus: Streichquartett Es-Dur KV 428

Norbert Ely |