Archiv


Mozarts Heimkehr

In Wien wurde 1782 Mozarts "Entführung aus dem Serail" im damaligen Burgtheater uraufgeführt. Jetzt gab es die Neuinszenierung, doch die floppte beim Publikum. Die Handlung versetzte Regisseurin Karin Beier in die Türkei, doch die Inszenierung blieb in vielen Teilen unklar. Und auch die musikalischen Leistungen waren uneinheitlich, so dass das Publikum am Ende das Gesamturteil "schiach" - auf gut Deutsch "hässlich" - fällte.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Das österreichische Wörtchen "schiach" hörte man bei und nach dieser Premiere öfters, damit gemeint waren sowohl einige Sänger wie die Inszenierung. "Schiach" meint "hässlich" und auf den ersten Blick, wie auf den zweiten Ton stimmt der Eindruck schon ein wenig.

    Um es vorweg zu nehmen: die Neuinszenierung von Mozarts "Entführung aus dem Serail" im sonst dem Schauspiel vorbehaltenen Burgtheater floppte beim Publikum, das sich am Ende zu einem wütenden und beinahe homogenen Buhchor zusammenfand. Solche Homogenität suchte man in den vorangegangenen drei Singspiel-Stunden vergebens, denn Karin Beier hat zwar eine interessante Lesart des vermeintlich leichtflüssigen Geschehens angedeutet, aber nicht konsequent umgesetzt.

    Von Jens Kilian hat sie sich ein Serail bauen lassen, das in schmucklosem Einheitsweiß daherkommt. Die Rückwand ist auf- und zuklappbar und dient für die zahlreichen Auf- und Abtritte, am Schluss des Abends kommt die Wand immer näher nach vorn, das soll vermutlich klaustrophobisch wirken, wirkt jedoch ziemlich einfallslos. Im steril-weißen Serail befinden sich einige Stühle, die gelegentlich – vor allem bei den Wutausbrüchen Osmins – durch die Gegend geschleudert werden. Ferner gibt es einen in Umzugspapier verpackten Flügel sowie eine große Leiter, darüber eine Leinwand, auf die Belmonte ganz am Anfang die Buchstaben T Ü R K E I pinselt, am Ende wird "Türkei" dann durchgestrichen und durch das Wort "Scheisse" ersetzt.

    Karin Beier versetzt die Handlung wohl in eine Türkei jenseits von Atatürk, denn die Choristen tragen schwarze Burkas und wirken äußerst bedrohlich. Manchmal fügt sich auch Konstanze in diese dunkle Menge ein, dann wiederum wirft sie die Burka weg oder sie bittet Bassa Selim, ihr die Burka anzulegen, nur dieses eine Mal. Er akzeptiert es, schickt sie zu den anderen Frauen, um kurze Zeit später wie ein Kind herum zu laufen und zu schreien. Dann plötzlich ziehen sich einige der Chor-Frauen aus und entpuppen sich als Unterwäsche-Models eines renommiertes Labels, das im Programmheft dankend erwähnt wird.

    Unklar bleibt an dieser wie auch an mehreren anderen Stellen der Inszenierung, wer ist dieser Bassa ist, in welcher Beziehung er zu seiner Religion steht. Auch sein Verhältnis zu den Frauen bleibt fragwürdig: diese legen sich zwar manchmal auf den Boden in seine Nähe, er beachtet sie jedoch kaum. Undurchsichtig bleibt auch Konstanze, die zwischen Belmonte, Bassa und ihrer Religion zu schwanken scheint – zuweilen aber auch als lebenslustiges Fräulein herumtanzt.

    Stringenter gezeichnet sind indes Pedrillo und Blondchen sowie Osmin. Hier seziert die Regie bestechend das unsichere Innere der Figuren, und bietet nebenbei ganz guten Klamauk: Wasserstoff-Blondchen ist eine emanzipierte Deutsch-Türkin oder Türkisch-Deutsche und heizt den männlichen Verehrern kräftig ein. Dabei greift sie auch in die Kalauerkiste und bedroht ihre männliche Umwelt etwa mit dem Spruch "Ich zeig dir, wo der Frosch die Locken hat!" Irgendwie leidet sie aber auch an ihrer Rolle und wünscht sich – vermutlich – doch eine gewisse Autorität. Pedrillo ist ein netter Gutmensch, der es allen recht machen will und dabei seine eigenen Interessen hintanstellt, Osmin erscheint psychisch leicht marode, die Stilisierung als Dandy mit Schal und Gelfrisur ist ihm selbst wohl nicht ganz geheuer.

    Am Ende beruhigen sich alle und nach einigen Maschinengewehrsalven aus dem Lautsprecher stehen die richtigen Paare an der richtigen Stelle, überlebend und einigermaßen zufrieden. Das lieto fine geschieht ohne größere Störungen, Gnade siegt über das Prinzip Rache, aber wir sehen betroffen, den Vorhang zu und etliche Fragen noch offen.

    So uneinheitlich wie die Regie waren auch die musikalischen Leistungen, Philippe Jordan dirigierte das Wiener Staatsopernorchester gut gelaunt, verzichtete allerdings auf besondere Kicks und Effekte. Diana Damrau war eine stimmschöne, anfänglich leicht forcierende Konstanze, Julia Rempe leider ein recht farbloses Blondchen, Franz Hawlata ein rauchiger Osmin, der auch auf der Bühne mehrfach rauchte. Ein Desaster erlebte Daniel Kirch als Belmonte, er schwächelte bereits im zweiten Akt und verpatzte mehrere Arien. Die Entdeckung des Abends war dagegen Cosmin Ifrim als Pedrillo, der seine lustig-listige Rolle stimmlich wie darstellerisch ideal umsetzte.