Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Mozarts Oper "Lucio Silla" in Brüssel
"Eine musikalisch geglückte Deutung"

Nach zweijähriger Renovierungspause beginnt in der Brüsseler Monnaie die neue Saison. Nicht etwa mit einem Highlight wie Don Giovanni, sondern mit Mozarts Jugendoper Lucio Silla. Christoph Schmitz war bei der Premiere von Tobias Kratzers Inszenierung dabei und zieht ein positives Fazit.

Christoph Schmitz im Gespräch mit Raoul Mörchen | 30.10.2017
    Die niederländische Sopranistin Lenneke Ruiten singt in Mozarts Oper "Lucia Silla" die Rolle der Giunia
    Die niederländische Sopranistin Lenneke Ruiten singt die Rolle der Giunia (La Monnaie/ Bernd Uhlig)
    In dem Jugendwerk von Wolfgang Amadeus Mozart stecke musikalisch und in der Geschichte selbst, mehr als man ihm zugetraut hätte. "Die Musik hat Tiefgang. Sie bedient das strenge Schema der Opera seria, weitet aber kräftig aus, indem ungeheuerliche Farben hineinkommen – dunkle, finstere Farben", so DLF-Musikkritiker Christoph Schmitz.
    Sowohl in den Orchesterzwischenspielen als auch in den Arien höre man tief erschütternde Ombraszenen, die eine Todesnähe hätte, wie man sie mitunter erst im 19. Jahrhundert wieder höre, die aber bereits in diesem Frühwerk des 16-Jährigen das Requiem anklingen ließen.
    Mozart verbindet Politik und Privatleben
    Inhaltlich dreht sich Mozarts Oper um einen hasserfüllten römischen Diktator und vier jungen Menschen, die voller Liebe sind. In den Hauptrollen: Silla und der geächtete Senator Cecilio, der heimlich zu seiner Braut Giunia nach Rom zurückkehrt. Am Ende eskaliert das Ganze. "Mozart verbindet mit diesem Libretto Politik und Privatleben – und das macht diese Oper nach wie vor interessant", sagt Christoph Schmitz.
    Von Wölfen und Barbie-Puppen
    Regisseur Tobias Kratzer habe die Todessehnsucht jener Zeit in heutige Bilder gefasst. So werde schon während der Ouvertüre ein Video mit privaten Filmaufnahmen der Mächtigen der letzten fünf Jahrzehnte gezeigt: John F. Kennedy am Pool, wie er seine Kinder anlacht, Putin beim Angeln oder den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un. Dazu montiert, Barbie-Puppen, die von einem Schneider und ihrem männlichen Gefährten Ken eingekleidet werden sowie eine Stechmücke, die einem Menschen Blut aussaugt. Auch ein wolfsähnlicher Hund läuft immer wieder über die Bühne.
    "Klasse" Besetzung - bis auf die Titelrolle
    Die Rollen in Kratzers Inszenierung sind laut Schmitz "klasse besetzt", bis auf die Titelrolle des Lucio Silla, die der Brite Jeremy Ovenden singt. Doch das sei nicht weiter schlimm, denn viel wichtiger als die Titelrolle sei die Rolle der Giunia – gesungen von der niederländischen Sopranistin Lenneke Ruiten.
    "Sie hat einen ungeheuren, agilen, höhensicheren Sopran. Sie singt und spielt, als wäre ihr wirklich die Rolle auf den Leib geschrieben", schwärmt Schmitz. Sie agiere mit einer großen schauspielerischen Intensität und ziehe die Zuschauer in ihren Bann.
    Musikalisch geglückte Deutung
    Überzeugen würden auch die anderen Solisten, wie die slowakische Sopranistin Simona Šaturová. "Ihr Sopran ist besonders facettenreich, besonders frequenzreich, sehr reif und genau. Sie ist auch eine tolle Schauspielerin", sagt Schmitz. Sein Fazit: Die musikalische Deutung ist sehr geglückt. Das gelte auch für das Dirigat von Antonelle Manacorda.