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Mr. Late Night

Koldehoff: In dreißig Jahren hat er in seiner legendären Tonight Show mit rund 20.000 Gästen geplaudert, wurde dabei allabendlich im Schnitt von rund 55 bis 60 Millionen Amerikanern gesehen und er verdiente dafür allein im letzten Jahr seiner Tätigkeit allein 25 Millionen Dollar. Johnny Carson war zwar weder der Erfinder der verspätet, inzwischen aber auch bei uns auf allen Kanälen etablierten Talkshow am Abend, noch war er ihr erster Moderator. Als die Tonight Show 1954, vor einem halben Jahrhundert also, vom US-Sender NBC erfunden wurde, da gab es erst zwei andere Moderatoren, bis dann Carson 1962 übernahm und dreißig Jahre lang das Format prägte. Durch den langen Eingangsmonolog zum Beispiel, der tagesaktuelle Ereignisse lakonisch kommentierte. Wer bei ihm kein gutes Bild abgab, der hatte auch kaum Chancen, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Johnny Carson, der gestern im Alter von 79 Jahren in Los Angeles gestorben ist, galt als die erfolgreichste und populärste Fernsehfigur der USA. Götz Alsmann wiederum ist nicht nur profunder Kenner der amerikanischen Popkultur, er hat auch selbst eine zeitlang im NDR eine Lateshow moderiert. Herr Alsmann, warum haben regelmäßig 50 bis 60 Millionen Zuschauer Johnny Carson angebetet? Was war das Besondere an ihm?

Fernsehmoderator Götz Alsmann im Gespräch |
    Alsmann: Im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern, war er jemand, der die unglaublichsten Gemeinheiten mit einem freundlichen Gesicht sagen konnte. Bei Steve Allen war halt immer sehr viel Mimik im Spiel und Jack Paar konnte kaum irgendetwas Böses sagen, ohne irgendeiner Präsidentenpuppe den Kopf abzubeißen. Aber was Johnny Carson hatte, das war diese ganz besondere Fähigkeit, Leute mit dem Wackeln des kleinen Fingers zu begeistern. Bei ihm wurden die Mittel immer minimalistischer. Die Mittel, mit denen er seinen Monolog, der oft sehr politisch war, seinen Monolog verkaufte. Die Mittel, mit denen er die Talks durchzog und auch das, was er noch so an Situationskomik schuf. Dieses absolute herunterkürzen auf das ganz kleine, feine Besteck, das war halt das, was ihm so keiner nachmachte und was vor ihm dann auch so innerhalb der Tonight Show keiner versucht hatte.

    Koldehoff: Nun sollte man ja meinen, wenn jemand so etwas dreißig Jahre durchhält, dann kennt man alles, dann weiß man, wie er auf jeden reagiert, dann kennt man oder kann man jeden Witz voraussehen. Warum war das bei Carson nicht so? Oder war es so und gerade das hat funktioniert?

    Alsmann: Ich glaube, genau das ist es. Ich glaube, man wusste ziemlich genau, wo Carson stand und man wusste auch, dass er es schaffte mit immer den gleichen Mitteln jeden Morgen erneut dafür zu sorgen, dass die Menschen sich in der Frühstückspause trafen und über das sprachen, was sie am Abend vorher gesehen haben. Zum Beispiel gibt es dies Anekdote oder dieses Gerücht, ich denke es ist wahr, dass Richard Nixon beschloss, damals 1974, von allen Ämtern zurückzutreten, als er den Monolog über sich von Johnny Carson in der Tonight Show am Vorabend gehört hat. Da gab es kein Entrinnen mehr.

    Koldehoff: Jay Leno, David Letterman, vielleicht auch Harald Schmidt, sind das Kopien von Johnny Carson?

    Alsmann: Ich glaube, dass im deutschsprachigen Raum eine Johnny Carson Kopie so einfach nicht funktionieren würde. Dieser Johnny Carson ist einfach zu amerikanisch, um hier auf lange Sicht verfangen zu können. Es gab ja verschiedene Late Night Versuche in Deutschland, die außer Harald Schmidt nach einer langen Wartezeit ja nicht großartig von Erfolg gekrönt waren...

    Koldehoff: Gottschalk, Koschwitz haben es versucht, Anke Engelke ...

    Alsmann: Gottschalk war zu hemdsärmlich. Ich erinnere mich an eine Sendung, wo er Lauren Bacall zu Besuch hatte, die natürlich glaubte, beim deutschen Johnny Carson zu Gast zu sein und dann saß ihr nun so ein Mann in T-Shirt und Jeans gegenüber und sie fragte ihn, "Ain´t I´m worth a suite and a tie?" Das war da, glaube ich, falsch verstanden worden. Andere Late Night Versuche in Deutschland waren sehr jung und szenelastig geprägt. Ich erinnere mich an eine Late Night Show, die ich selber zweieinhalb Jahre moderieren durfte beim NDR. Die war dadurch geprägt, dass man in das eigene Format kein Vertrauen hatte. Diese amerikanischen Verhältnisse sind hier nicht so ohne weiteres anwendbar. Und Leno und Letterman ihrerseits als amerikanische Protagonisten der Late Night Show haben ja immer und lautstark Carson als ihr Vorbild angepriesen.

    Koldehoff: Götz Alsmann zum Tod von Johnny Carson.
    Der Kabarettist und Musiker Götz Alsmann
    Der Kabarettist und Musiker Götz Alsmann (AP Archiv)