Archiv


"MS Reichtum" als Bild für die Reichen

Die Dresdner Ausstellung über den Reichtum hat keine politische Botschaft. Sie hinterfragt, informiert und karikiert den Reiz und die Vorurteile gegenüber Reichtum. Dabei durchschreitet der Besucher die Räume eines Kreuzfahrtschiffs.

Von Claudia Altmann |
    In maritimem Outfit begrüßt Klaus Vogel, Direktor des Deutschen Hygienemuseums, per Video die Passagiere auf der MS Reichtum zu einer Fahrt durch – nein – nicht die Welt der Reichen und Schönen. Es ist vielmehr eine Reise zu Gründen und Abgründen der menschlichen Gier.

    "Warum nicht mal der Fokus auf dem Reichtum, zumal dem Reichtum ja so eine unglaubliche Faszination zueigen ist, dieses Yellow-Press-Artige, das immer um den Reichtum herum existiert oder gesehen oder hineingeheimnist wird."
    Reichtum als Fantasma war Ausgangspunkt für Kurator Daniel Tyradellis.

    "Was nicht heißt, dass es nicht wahr wäre, dass es nicht echt wäre, sondern dass es – wie viele Fantasmen - die Funktion hat, menschliche Energien zu bündeln auf ein Ziel hin, das nur deshalb so attraktiv ist, weil man es sowieso nicht wird erreichen können."
    Die Ausstellung bewegt sich in dem Spannungsfeld: Jeder möchte gern reich sein, aber wohl wissend, dass das nicht die Lösung aller Probleme sein kann. Dabei betritt der Philosoph so etwas wie Neuland.

    "Und ich war auch sehr erstaunt in der Beschäftigung mit dem Thema, wie oberflächlich das Reden über den Reichtum erfolgt. Das besteht nur aus Klischees und Vorurteilen."

    Und dem setzt er eine informative Schau rund um Reichtum als Motor der Gesellschaft, aber auch als Perversion entgegen.

    "In dem Sinne, dass der Reiche sich etwas leisten kann, was der Normalmensch sich nicht leisten kann, nämlich, aus der Norm auszuscheren. Der Reiche kann im Überfluss leben, im Überschuss. Der Reiche muss sich nicht dauernd ökonomische Sorgen machen und überlegen, ob etwas angemessen ist. Das hat eine große gesellschaftliche Utopie, weil man da auch freier Denken kann, nämlich jenseits ökonomischer Zwänge. Aber es hat eben auch den perversen Charakter, dass es asoziale Momente hat, dass es auf Kosten anderer geht und so weiter."
    Der Parcours führt durch elf Räume, wie man sie vom Kreuzschiff kennt. Über goldene Gänge geht es durch Shoppingbereich, Ballsaal und Luxuskabine. Im Maschinenraum wird die Frage nach dem Antrieb gestellt. Im Swimmingpool des Sonnendecks tummeln sich kleine und große Fische, auf die Informationen projiziert sind, die zum Nachdenken über die Art gesellschaftlicher Debatten anregen: Etwa, dass der Missbrauch von Hartz-IV-Leistungen jeden Bundesbürger 73 Cent pro Jahr kostet, während der Schaden, den Steuerhinterzieher anrichten, jährlich bei 1250 Euro pro Kopf liegt. Wer ist hier der Schmarotzer und wer begeht ein Kavaliersdelikt?

    Wie kommt man zu Reichtum? Wie wird Leistung in Deutschland bewertet? Warum werden Aufmerksamkeit und Interesse in der Öffentlichkeit mehr bewertet als die Fürsorge der Krankenschwester? Es wird viel gefragt, aber auch viel Wissen vermittelt. Besonders gelungen sind die anschaulichen Statistiken, findet Museumsdirektor Klaus Vogel.

    "Wenn die Statistiken noch mit einer zweiten Ebene gelesen werden - und das wird hier tatsächlich angeboten – dann stellt sich oftmals ja fast ein kontrafaktischer Eindruck ein. Also, die Statistik sagt mir, Armut und Reichtum, so sieht die Verteilung aus. Und wenn ich es mir genauer angucke, stellt sich hinter der ersten Wahrheit auch noch eine zweite Wahrheit heraus, nämlich, dass alles gar nicht so einfach ist. Und vielleicht ist das auch eine Botschaft der Ausstellung, dass es so einfach gar nicht ist, wenn wir auf Armut und auf Reichtum schauen."

    Die Wahrnehmung von Reichtum ist eine Frage der Perspektive. Das vermitteln sechs Kurzfilme. Der Schauspieler Martin Wuttke schlüpft in die Rolle des protzigen Schlagerstars, des Unternehmers, der Charity-Lady, des Zimmermädchens und der Servicekraft. Als Mäzen denkt er über die Verantwortung des Reichen in der Gesellschaft nach:

    "Der unabhängige vermögende Mann, sagen wir Mensch, spielt in einer Gesellschaft eine noch wichtigere Rolle als der Unternehmer, wenn er sein Kapital nicht zum Zweck des materiellen Erfolgs einsetzt, sondern Zwecken widmet, die keinen materiellen Gewinn bringen."

    Oder fragt sich als einfacher Rentner, was er auf einem Luxusschiff verloren hat:

    "Ich hab mein ganzes Leben lang geschuftet und meine Frau und ich, wir haben uns immer gefragt: Wenn wir uns mal so richtig was leisten, was könnte das sein?"

    Die Schau versteht sich als Satire. Der Besucher soll provoziert werden. Er soll sich amüsieren.

    "Aber das Lachen darf einem, soll einem, muss einem auch manchmal im Halse stecken bleiben. Sie will den Reichtum nicht entzaubern, sondern seine individuelle und gesellschaftliche Ambivalenz tatsächlich spürbar machen. Aber auch sagen: Ungleichheit ist nicht zwangsläufig gleich Ungerechtigkeit."