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Mühlenwanderung

Südlich von Frankfurt an der Oder, am Südrand des hier etwa sieben Kilometer breiten Berliner Urstromtals, liegt der Ort Müllrose. Dort endet oder beginnt der romantische Teil eines Bachtals, das sich die Schlaube geschaffen hat. Die Schlaube durchfließt eine Kette von Rinnenseen; betrachtet man sie auf der Landkarte, wirken sie wie aufgereihte Perlen. Die Abgeschiedenheit der Wälder entlang des Wasserlaufs erweckt noch den Eindruck einer unberührten Natur mit artenreicher Tier- und Pflanzenwelt. 1996 wurde das 22.700 Hektar umfassende Schlaubetal zum Naturschutzgebiet erklärt und ist mittlerweile ein Geheimtipp für Naturliebhaber und Wanderer.

Von Miriam Becker |
    " Diese Hölzer hier, die waren alle verfault und beschimmelt. Da wollte ich, als wir angefangen haben zu restaurieren, mit dem Bandschleifer drüber gehen, damit es gut aussieht. Aber da sagte mir der Denkmalschutz: Nee, nee, diese Narben, das wollen wir alles sehen, das muss erhalten bleiben. Was haben wir gemacht? Ich glaube 600, 700 Radiergummis haben wir verbraucht.
    Wir haben oben angefangen, monatelang radiert, alle Teile auseinander genommen und radiert."

    Baldur Börner ist Bauingenieur. Er hat die Ragower Mühle 1996 als Ruine gekauft. Seitdem arbeitet er mit Hilfe von Fördergeldern daran, den alten Bau wieder in den Originalzustand zu versetzen. Fachmännischen Rat holt er sich von einem Diplom-Restaurateur. Der zeigte ihm auch, wie man das alte Holz mit Radiergummis von Schimmel und Moos befreit.

    " Es war schon ein biss'l geisttötend, die Arbeit, das stimmt…"

    Die Ragower Mühle liegt am Anfang des Wanderweges durch das Naturschutzgebiet - kurz hinter Müllrose, dem so genannten "Tor zum Schlaubetal". Hier beginnt die 80 Kilometer lange Wandertour durch wunderschöne Wälder, vorbei an großen und kleinen Seen, die die Schlaube durchfließt.

    Die unterschiedlichen Mühlen, denen man in dieser Region immer wieder begegnet, sind ein besonderer Reiz dieser Route. Die wechselvolle Geschichte der Brandenburgischen Mühlen reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Sie erzählt von rastloser Arbeit und Ausdauer, von Zerstörung und Plünderung in Kriegszeiten, und von Phasen des wirtschaftlichen Untergangs.

    Es konnten sich damals nur die Mühlenbesitzer behaupten, die sich dem technischen Fortschritt rechtzeitig angepasst oder es geschafft hatten, sich auf einen völlig neuen Erwerbszweig umzustellen, wie den Fischfang oder das Sägen von Holz. Schließlich verfielen nicht wenige der Mühlengebäude zu Ruinen.

    Heute sind daraus Gaststätten, Herbergen oder Museen geworden, die man auf der Wanderung besichtigen kann. Liebhaber - ausgestattet mit einer großen Portion Idealismus - versetzten manche der alten Bauwerke wieder in den Originalzustand.

    Der 63-jährige Baldur Börner ist einer dieser Liebhaber. Seine Passion ist es, Besuchern die Geschichte "seiner" Ragower Mühle am Belenzsee zu erzählen und die faszinierende Technik zu erklären. Alles wird genauso rekonstruiert wie es damals war, und funktionieren soll es am Ende auch. Dabei spielt die Verwendung der ursprünglichen Materialien eine wichtige Rolle. Ein wenig Eisen, Leder und vor allem Holz sind die Hauptbestandteile der alten Wassermühle - Allem voran, der Antrieb - das alte Mühlrad:

    " Die Zähne, die Sie von hier aus sehen, die sind schon 70 Jahre drin, und haben die Mühle seinerzeit schon bewegt. Bloß, ich hatte die dann nachher immer von einer Ecke in die andere geschleppt, da sind ein paar Zähne verfault, die in der Feuchtigkeit lagen.

    Die hab ich dann ersetzt durch Eigenzähne und die sind nicht so gut. Aber das krieg ich auch noch hin."

    Vermutlich ein Projekt, das nie ganz abgeschlossen sein wird ...

    Eine noch aktive Mühle, kann man etwas abseits der Wanderroute besichtigen. Am unteren Ende des Schlaubetals liegt der kleine Ort Neuzelle - wenige Kilometer südlich von Eisenhüttenstadt. Als Wahrzeichen von Neuzelle, gilt das im Jahr 1268 gegründete Zisterzienser-Kloster, mit einer barocken Kirche aus dem 17. Jahrhundert und einem liebevoll angelegten Park.

    Gegenüber steht die Klosterbrauerei, ein verwinkelter Bau aus roten Ziegeln. In der eigenen Malzmühle wird der Rohstoff Malz nach alter Tradition zu verschiedenen Biersuden verarbeitet, aus denen in der angrenzenden Brauerei klassische, aber auch sehr extravagante Biersorten entstehen.

    " Wir verarbeiten drei verschiedene Malze. Das ist einmal ein Pilsener Malz, das ist'n sehr helles Malz, und dann haben wir zwei verschiedene Farben, einmal ein sehr dunkles - das nennt sich Karafarb Dunkel - und Kara Hell, damit werden die Bockbiere gemacht."

    ... erklärt die quirlige Braumeisterin, mit den knallrot gefärbten kurzen Haaren, der Besuchergruppe bei einer Führung durch die fast einhundert Jahre alte Malzmühle. Die Technik der Mühle ist teilweise eben so alt.

    " So, hier können wir das sehr schön sehen: Die arbeitet also voll über Transmission. Es ist ein Motor, ein Elektromotor, der die ganze Mühle betreibt. Das ist also noch richtig original..."

    Die Entwicklung von innovativen Biersorten rückt in dem Familienbetrieb mit 36 Angestellten immer mehr in den Mittelpunkt. Geschäftsführer Stefan Fritsche scheut dabei kein Risiko, und jede neue Idee - scheint sie auch noch so absurd - bekommt eine Chance und wird genau geprüft.

    " Ich vergleiche uns gerne mit einem kleinen Motorboot. Wir sind wie ein Motorboot schnell an einem Punkt, am nächsten Punkt. Wir sind sehr flexibel."

    Stefan Fritsche ist groß, sehr schlank und er lacht viel. Seine schnelle Gestik passt zu seiner dynamischen Art. Der 39-Jährige ist stolz auf seine Produkte, wie zum Beispiel ein Kirsch-Bier mit echten Kirschen, oder ein so genanntes Marathon-Bier mit L-Carnithin-Zusatz, der die Fettverbrennung ankurbeln soll. Und wahre Schönheit verspricht gar das Badebier - zur inneren und äußeren Anwendung geeignet...

    Aber eine Produktionsmenge von etwa 40.000 Hektolitern pro Jahr ist nicht viel. Zum Vergleich, erklärt Stefan Fritsche, sei das in einer Großbrauerei ungefähr die tägliche Produktionsmenge.

    Mittlerweile geht der Vertrieb in die ganze Welt - auch über das Internet. In Russland sei derzeit ein Anti-Aging-Bier "der Renner", so Fritsche. Es bestehe aus echten Meeresalgen und aus Bioflavoniden. Das soll Freie Radikale abhalten und so das Altern der Haut verhindern. Die meisten Brauereien sind sicher froh, keine Algen im Bier zu haben - hier fügt man sie hinzu...

    " Wir haben natürlich lange herum experimentiert. Und das erste Bier mit Algen, das schmeckte so ein bisschen nach Aquariumswasser. Das war nicht ganz so lecker. Aber wir haben soweit rum experimentiert, dass das Bier weiterhin nach Bier schmeckt."

    Bei soviel Experimentierfreude ist allerdings der Konflikt mit dem deutschen Reinheitsgebot nicht verwunderlich. Zehn Jahre stritt sich die Brauerei mit der Regierung von Brandenburg darüber, ob die Zusammensetzung des Getränks "Schwarzer Abt" die Bezeichnung Bier rechtfertige, oder nicht.

    " Den Streit haben wir ja im Jahre 2005 dann - Gott sei Dank - gewonnen."

    Das Besondere und die Qualität stehen hier im Vordergrund - nicht die Massenproduktion.

    " Nein, da wollen wir Gegentrends setzen. Wir wollen quasi sehr gute Rohstoffe einsetzen; wir wollen Produkte machen, die man eben nicht im großen Stil kopieren kann. Und das sichert ja unserer kleinen Klosterbrauerei hier in Neuzelle das Überleben."

    So begegnen dem Besucher auf seinem Weg durch das Schlaubetal, Menschen mit den unterschiedlichsten Passionen. Die einen wollen die Vergangenheit wieder beleben, die anderen leben schon längst in der Zukunft. Aber eines eint sie irgendwie alle:

    " Was uns vielleicht unterscheidet von allen anderen, ist: Wir machen's einfach"