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Müll im Meer
NABU wirbt mit Schiffstour für Umdenken

Fische, Krabben und Plastikabfall - Fischer finden tagtäglich Dinge in ihren Netzen, die nicht dorthin gehören. Und schlimmer noch: Fische fressen Kunststoffstückchen, wenn die Brandung sie zu kleinen Teilen zerrieben hat, und verenden daran. Der Naturschutzbund NABU ist jetzt in See gestochen, um sich ein Bild von der Situation in der Ostsee zu verschaffen.

Von Dietrich Mohaupt | 11.08.2014
    Windstärke 5 bis 6 - der Traditionssegler "Lovis" macht richtig gut Fahrt in der Neustädter Bucht südlich von Fehmarn. Gut so, freut sich NABU-Experte Nils Möllmann, wir haben schließlich noch einiges vor in den nächsten Tagen. Auf dem Programm steht Klinken putzen bei den Kommunalpolitikern, bei den Akteuren aus der Tourismusbranche und anderen Wirtschaftszweigen. Mit dem freiwilligen Müllsammel-Projekt "Fishing for Litter" hat der NABU schon vor ein paar Jahren einen Anfang gemacht, jetzt soll der nächste Schritt erfolgen.
    "Fishing for litter findet auf See statt, die Fischer holen eben den Müll aus ihren Netzen und entsorgen ihn in den aufgestellten Containern. Jetzt geht es aber darum, überhaupt erst zu verhindern, dass der Müll in die Meere gelangt."
    Die nackten Zahlen sprechen für sich: Geschätzt rund zehn Millionen Tonnen Abfälle werden pro Jahr weltweit in die Meere eingetragen - gut drei Viertel davon Plastikmüll. Allein in der Nordsee vermuten die Experten rund 600.000 Kubikmeter Müll auf dem Meeresboden, berichtet der NABU-Projektleiter Meeresschutz, Kim Detloff:
    "Und wir haben inzwischen eine ganz gute Vorstellung, was an die Küsten und Strände angespült wird über das sogenannte Spülsaummonitoring. Da gibt es in der niederländischen und deutschen Wattenmeerküste Messungen von 236 Müllteilen auf 100 Meter Küstenabschnitt. Wir als NABU unterstützen diesen Aufbau des Spülsaummonitorings jetzt in der Ostsee und haben zum Beispiel auf der Insel Fehmarn 90 Müllteile auf 100 Meter Küstenabschnitt gefunden, auf Rügen sogar das Doppelte, bis zu 200."
    Vorsorge statt Aufräumen
    Vorsorge statt Aufräumen - der NABU will mit dem Segeltörn in den Häfen für ein Umdenken werben. Es gibt so viele Möglichkeiten – nicht alles muss neu erfunden werden, man muss nur die bekannten Mittel und Wege konsequent nutzen, meint Kim Detloff.
    "Der Einzelhandel kann zum Beispiel Plastikverbrauch reduzieren - zum Beispiel die Plastiktüte, indem er Alternativen anbietet, in dem er Stoffbeutel anbietet. Es ist aber auch die Möglichkeit zum Beispiel in der Gastronomie den Plastikverbrauch zu reduzieren, indem man wirklich Einwegbesteck, Einwegteller, reduziert und Mehrweg- und Pfandsysteme einführt. Wir können insgesamt mehr wieder auf Mehrwegsystem setzen, gerade auch bei Getränkekonsum - das kennen wir ja alle. Früher war die Glasflasche da, heute setzen wir auf den leichteren PET-6er-Träger."
    Der Anfang muss im Kleinen gemacht werden, vor Ort in jedem Hafen, auf jedem Boot, auf jedem Schiff - aber es muss natürlich auch ein weltweites Umdenken geben, betont Stefanie Werner vom Umweltbundesamt. International gibt es noch zu große Unterschiede im Umgang mit Plastikmüll - das muss sich ändern, fordert die Biologin:
    "Fast jedes Land hat auch schon gute Lösungen – wir haben zum Beispiel ein Deponierungsverbot für hochkalorische Abfälle, also für Kunststoffe, in Großbritannien beispielsweise werden noch über 70 Prozent der Kunststoffe auf Deponien entsorgt. Also – im Prinzip ist es auch ganz stark voneinander Lernen und die guten Praxisbeispiele zu übernehmen."
    Plastikmüll verrottet auf Deponien nur extrem langsam – und bleibt so über Jahrzehnte in der Umwelt. Deutschland hingegen könne in einem Bereich ganz besonders von seinen skandinavischen Nachbarn - Schweden vor allem - lernen. Dort werden ganz konsequent sämtliche Kosten für die Müll- und Abfallentsorgung durch die üblichen Hafengebühren abgedeckt - in Deutschland sieht das anders aus:
    "Wir haben die Richtlinie für Hafen-Auffangeinrichtungen, die gibt vor, dass ca. 30 bis 40 Prozent indirekt schon über die Hafengebühren abgedeckt sein müssen. Wir wollen aber, dass 100 Prozent in den Hafengebühren enthalten sind, weil dann kein Anreiz mehr besteht, auf See illegal zu entsorgen und auch der Wettbewerb zwischen den Häfen extrem gemindert wird was das Abfallmanagement betrifft."
    Rückendeckung aus der Landespolitik
    Rückendeckung dafür gibt es aus der Landespolitik. Die grüne Landtagsabgeordnete Marlies Fritzen hat in ihrem Wahlkreis Ostholstein schon einiges angestoßen - immerhin erste vorsichtige Schritte in die geforderte Richtung:
    "Wir haben eine Arbeitsgruppe gegründet hier in Ostholstein mit unseren grünen KommunalpolitikerInnen und wollen zum einen mal einen Status quo erheben und nachschauen, wie wird denn in unterschiedlicher Weise in den Häfen mit den verschiedenen Problemen umgegangen, und danach aber auch Forderungen zu stellen – gerade da wo Häfen zum Beispiel in kommunaler Hand sind – dass dieses sich dann auch verändert und dafür dann für politische Mehrheiten zu sorgen."
    Und darüber hinaus hat auch der grüne Umweltminister Robert Habeck ganz konkret eine Finanzspritze des Landes für das Projekt "Fishing for Litter" an den Küsten von Schleswig-Holstein in Aussicht gestellt.