Archiv


Müll nach Sizilien

Seit Jahren kommt es in Neapel zu wütenden Protesten, weil sich vor den Häusern der Menschen die Abfallberge häufen: Trotz bestehender Deponien klappt die Entsorgung nicht. Deshalb verschifft Neapel seinen Müll nun nach Sizilien. In Palermo und Catania gab es deshalb bereits Streiks und Demonstrationen, andere verdienen indes gut an diesem Geschäft.

Von Karl Hoffmann |
    Luigi und Giovanni verbringen diese Tage im Olivenhain, die Ernte ist in vollem Gange, aber die Nachricht von den Mülltransporten hat sie auch hier erreicht.

    " Von zwei Schiffen ist die Rede. Was sollen wir damit, wir haben selber genug davon. In Palermo haben sie schon gestreikt deswegen. Dort ersticken sie längst im Müll. Und für die Müllabfuhr müssen wir einen Haufen Geld hinlegen. "

    Eine endlose Schlange von Lastwagen quält sich Tag für Tag die Steile Straße hinauf: die Müllkippe der Hafenstadt Palermo liegt in 400 Meter Höhe auf einem Berg, der einzige Ort, an dem noch Platz ist für die Abfälle der über eine Million Einwohner im Großraum Palermo. Aber die Sizilianer sind generös, bei Tisch wie beim Müll: zur Not rückt man zusammen. Und deshalb bringen die Fähren aus Neapel nicht nur Güter und Urlauber sondern auch noch den Abfall aus Neapel. Meint Salvatore Cuffaro, der Gouverneur von Sizilien:

    " Als Präsident dieser Region und als Vertreter des Staates halte ich es für richtig, einer in Not geratenen Nachbarregion bei der Müllbeseitigung zu helfen. Ein Akt der Großmut und der Solidarität mit dem wir beweisen wollen, dass wir und mitverantwortlich fühlen, wenn jemand in Schwierigkeiten ist. Und wir hoffen das wird uns auch gebührend gelohnt. "

    Mag ja sein, dass der Gouverneur ein großes Herz hat. Aber die sizilianischen Müllkippen sind viel zu klein und deshalb stinkt die hochoffizielle Großzügigkeit zum Himmel wie der ganze Müll aus Neapel, meint der Signor Luigi auf seinem Olivenbaum orakelhaft.

    " Bei dieser Müllgeschichte in Neapel, na da sind so manche Hände im Spiel. Wer sind die? Tja wer sind die, na ja Leute die Geschäfte machen. In Neapel munkelt man von der Camorra Ja, ja, eben. Und hier in Sizilien keine Mafia? Na klar, die mischt bei uns auch mit. Genau blickt natürlich nicht durch. Aber da geht's um Riesengeschäfte. "

    Müll bringt Geld, nicht etwa durch Mülltrennung und Wiederverwertung, das wäre viel zu anstrengend, sondern wenn man ihn einfach wegwirft. Etwa 2000 Tonnen, die von Neapel übers Meer nach Sizilien schippern, und wohl trotz der Proteste der Umweltschützer an Land gehen, werden streng nach Tarif abgerechnet: Neapel zahlt an Sizilien 69,71 Euro pro entsorgte Tonne. Nun macht die Großzügigkeit des Gouverneurs schon mehr Sinn: Sizilien ist praktisch pleite, von dem Präsidenten persönlich in Grund und Boden gewirtschaftet. Cuffaros Wunsch nach Belohnung ist daher nur allzu begründet. Der Umweltschützer Mimmo Fontana fürchtet, dass dies nur der Anfang ist und seine herrliche Insel zur süditalienischen Abfallhalde werden soll, um die Finanzen zu sanieren.

    " Bis vor kurzem hat Cuffaro noch gesagt wir brauchen dringend mehrere Verbrennungsanlagen, damit wir unserem Müll fertig werden. Jetzt plötzlich wird Abfall importiert, das bedeutet er macht Druck, damit die Anlagen gebaut werden, anders lässt sich das nicht erklären. "

    80 Euro Verbrennungsgebühren für jede Tonne Müll, wenn das kein Zukunftsgeschäfts ist. Kein Wunder dass Signor Luigi auf seinem Olivenbaum von der Schweiz träumt, wo er 25 Jahre lang als Gastarbeiter gelebt hat.

    " In Schaffhausen hatten wir eine Müllverbrennungsanlage, eines Tages haben sie sie gesprengt, trotzdem wird der Müll beseitigt, überall stehen Tonnen für die getrennte Sammlung . Und warum geht das nicht in Sizilien? Dazu müsste man die Mentalität der Menschen ändern, in Sizilien und in ganz Italien. Bevor Garibaldi Italien einigte, hätte er erst mal vernünftige Italiener schaffen sollen. "