Nach der Wende verschwanden die Stücke von Heiner Müller weitgehend aus den deutschen Spielplänen. Nur "Quartett", Müllers tiefschwarzes Denkspiel um Liebe, Erotik und Macht, verankerte sich in den Spielplänen. Der Regisseur Dimiter Goscheff dagegen hat sich dem Werk von Müller geradezu verschrieben. Seit er dessen "Philoktet" im Jahr 1983 in Sofia zur bulgarischen Erstaufführung brachte, worauf der Autor mit einem zustimmenden Brief antwortete, hat Gotscheff immer wieder Stücke von Müller inszeniert, aber auch in jede seiner Inszenierungen anderer Autoren, seien sie von Koltès, Tschechow oder Molière, stets Texte von Heiner Müller eingefügt.
"Die Hamletmaschine", 1977 entstanden während der Übersetzungsarbeit an Shakespeares "Hamlet" für eine Inszenierung von Benno Besson am Deutschen Theater, ist ein enigmatischer Text, dessen vielfältige Bedeutung- und Anspielungsebenen Literatur- wie Theaterwissenschaftler zu heftigsten Interpretationsanstrengungen verführt haben. Ein Text wie ein Albtraum: In fünf kurzen monologischen Blöcken arbeiten sich Hamlet und Ophelia an ihren privaten Erfahrungen ab, die zugleich in geschichtlichen und kollektiven kritisch gespiegelt werden. Gegeben wird ein Denk-Kampf gegen den Spuk des patriarchalischen Realitätsprinzips und des als Huren-Prinzip beschriebenen der Mutter, das sich allein aus dem Gegensatz zum Patriarchat zu definieren weiß.
Immer wieder haben Regisseure die Regieanweisungen des Autors als Anleitung zur opulenten theatralischen Bebilderung des Textes missverstanden. Dimiter Gotscheff dagegen setzt Müllers Denkspiel wieder in sein Recht. Die von schwarzen Stoffbahnen umhüllte Bühne von Mark Lammert markiert mit zwei Reihen offener (Grab-)Luken die Leere eines Friedhofs. Das Stück wird in unsere Gegenwart geholt, indem die drei Darsteller, anspielungsüberdeutlich gekleidet, Dimiter Gotscheff im schwarzen Anzug, Alexander Khuon im roten Pulli und Valery Tscheplanowa im gelb-goldenen Kleid, aus der ersten Zuschauerreihe auf die Bühne steigen. Außerdem wird zu Beginn der zweifelnde Dialog von Bankmanagern aus Müllers "Mommsens Block" gesprochen. Wenn von der Verantwortung, der Unsicherheit und dem Versagen von Intellektuellen in unserer Gesellschaft erzählt werden soll, dann sind dies heute die Menschen, auf die es ankommt.
Der Regisseur spielt selbst einen Hamlet, der sein Funktionieren als Theaterfigur im alten Trauerspiel zu erproben sucht. Gotscheff, der sich vor zwei Jahren schon einmal, eher wenig überzeugend, in seiner "Philoktet"-Inszenierung an der Volksbühne als Schauspieler versucht hat, setzt diesmal die Fremdheit und Langsamkeit seiner vom Akzent geprägten Sprechweise bewusst als Mittel ein. Wenn er immer wieder in die Knie geht, die Arme vorstreckt und den Kopf schräg gegen den Himmel reckt, wenn er sich mit aufgerissenen Augen die Haare rauft und mit groteskem Pathos Spielweisen vergangener Jahrhunderte vorführt, und wenn er gegen die deutschen Texte bulgarische Sätze setzt, die von englischen aus dem off untermalt werden, dann spielt er auch auf die Schwierigkeiten von Theater an, Wirklichkeit abzubilden. Wenn der Darsteller Gotscheff seine deutlich von Laienhaftigkeit bestimmte schauspielerische Leidenschaftlichkeit einsetzt, spaziert er auf einem nicht absturzfreien schmalen Grat zwischen unfreiwilliger Komik und tieferer Bedeutung.
Souverän zynisch über Gräber hüpfend bekräftigt dagegen Alexander Khuon die kapitalistische Position "Arbeiten und nicht verzweifeln", um später, aus einer Bodenluke auftauchend, die Figur des von Selbstekel Befallenen souverän bis in die Parodie hinein zu überzeichnen, während sich Vera Tscheplanowas Ophelia erst einmal noch durch Hamlets Text arbeiten muss, bis sie im eigenen als Frau und Opfer anlangt. Hoch hinauf recken zu einem wie am Selbstmordstrick baumelnden Mikrofon muss sie sich, wenn sie ihren rauschhaften Monolog furios herausschleudert. Wenn Ophelia sanft lächelnd am Schluss in ihrer Adresse an die "Metropolen der Welt" auf Rebellion und Rache setzt und die Vision von einer notwendigen anderen Welt beschwört, dann steht sie barfuß und selbstsicher vor dem Publikum. Dann wird es dunkel, und ihr Verzweiflungschrei setzt den Schlusspunkt.
Während der des Textes kundige Zuschauer durch Dimiter Gotscheffs nicht unproblematische, aber durch ihre klare Einfachheit doch überzeugende Inszenierung Müllers Text neu erfahren kann, wird es der Zuschauer, der die "Hamletmaschine" nicht kennt, eher schwer haben. Bei der Premiere jedenfalls gab es viel Beifall.
"Die Hamletmaschine", 1977 entstanden während der Übersetzungsarbeit an Shakespeares "Hamlet" für eine Inszenierung von Benno Besson am Deutschen Theater, ist ein enigmatischer Text, dessen vielfältige Bedeutung- und Anspielungsebenen Literatur- wie Theaterwissenschaftler zu heftigsten Interpretationsanstrengungen verführt haben. Ein Text wie ein Albtraum: In fünf kurzen monologischen Blöcken arbeiten sich Hamlet und Ophelia an ihren privaten Erfahrungen ab, die zugleich in geschichtlichen und kollektiven kritisch gespiegelt werden. Gegeben wird ein Denk-Kampf gegen den Spuk des patriarchalischen Realitätsprinzips und des als Huren-Prinzip beschriebenen der Mutter, das sich allein aus dem Gegensatz zum Patriarchat zu definieren weiß.
Immer wieder haben Regisseure die Regieanweisungen des Autors als Anleitung zur opulenten theatralischen Bebilderung des Textes missverstanden. Dimiter Gotscheff dagegen setzt Müllers Denkspiel wieder in sein Recht. Die von schwarzen Stoffbahnen umhüllte Bühne von Mark Lammert markiert mit zwei Reihen offener (Grab-)Luken die Leere eines Friedhofs. Das Stück wird in unsere Gegenwart geholt, indem die drei Darsteller, anspielungsüberdeutlich gekleidet, Dimiter Gotscheff im schwarzen Anzug, Alexander Khuon im roten Pulli und Valery Tscheplanowa im gelb-goldenen Kleid, aus der ersten Zuschauerreihe auf die Bühne steigen. Außerdem wird zu Beginn der zweifelnde Dialog von Bankmanagern aus Müllers "Mommsens Block" gesprochen. Wenn von der Verantwortung, der Unsicherheit und dem Versagen von Intellektuellen in unserer Gesellschaft erzählt werden soll, dann sind dies heute die Menschen, auf die es ankommt.
Der Regisseur spielt selbst einen Hamlet, der sein Funktionieren als Theaterfigur im alten Trauerspiel zu erproben sucht. Gotscheff, der sich vor zwei Jahren schon einmal, eher wenig überzeugend, in seiner "Philoktet"-Inszenierung an der Volksbühne als Schauspieler versucht hat, setzt diesmal die Fremdheit und Langsamkeit seiner vom Akzent geprägten Sprechweise bewusst als Mittel ein. Wenn er immer wieder in die Knie geht, die Arme vorstreckt und den Kopf schräg gegen den Himmel reckt, wenn er sich mit aufgerissenen Augen die Haare rauft und mit groteskem Pathos Spielweisen vergangener Jahrhunderte vorführt, und wenn er gegen die deutschen Texte bulgarische Sätze setzt, die von englischen aus dem off untermalt werden, dann spielt er auch auf die Schwierigkeiten von Theater an, Wirklichkeit abzubilden. Wenn der Darsteller Gotscheff seine deutlich von Laienhaftigkeit bestimmte schauspielerische Leidenschaftlichkeit einsetzt, spaziert er auf einem nicht absturzfreien schmalen Grat zwischen unfreiwilliger Komik und tieferer Bedeutung.
Souverän zynisch über Gräber hüpfend bekräftigt dagegen Alexander Khuon die kapitalistische Position "Arbeiten und nicht verzweifeln", um später, aus einer Bodenluke auftauchend, die Figur des von Selbstekel Befallenen souverän bis in die Parodie hinein zu überzeichnen, während sich Vera Tscheplanowas Ophelia erst einmal noch durch Hamlets Text arbeiten muss, bis sie im eigenen als Frau und Opfer anlangt. Hoch hinauf recken zu einem wie am Selbstmordstrick baumelnden Mikrofon muss sie sich, wenn sie ihren rauschhaften Monolog furios herausschleudert. Wenn Ophelia sanft lächelnd am Schluss in ihrer Adresse an die "Metropolen der Welt" auf Rebellion und Rache setzt und die Vision von einer notwendigen anderen Welt beschwört, dann steht sie barfuß und selbstsicher vor dem Publikum. Dann wird es dunkel, und ihr Verzweiflungschrei setzt den Schlusspunkt.
Während der des Textes kundige Zuschauer durch Dimiter Gotscheffs nicht unproblematische, aber durch ihre klare Einfachheit doch überzeugende Inszenierung Müllers Text neu erfahren kann, wird es der Zuschauer, der die "Hamletmaschine" nicht kennt, eher schwer haben. Bei der Premiere jedenfalls gab es viel Beifall.