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Müllkippe, Selbstbedieungstheke, Urlaubsziel

Mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Meeren bedeckt. Lange Zeit wurde das Meer als Müllkippe mit scheinbar unerschöpflichem Aufnahmevermögen genutzt und leergefischt. Doch wie steht es aktuell um die Weltmeere? Der "World Ocean Review" wurde am 18. November in Hamburg vorgestellt.

Von Verena Herb | 18.11.2010
    Das Layout macht Lust auf mehr: viele Fotos, Grafiken, und Text. Der Initiator des World Ocean Review ist Nikolaus Gelpke, Meeresbiologe und Gründer der Zeitschrift "Mare – die Zeitschrift fürs Meer". Diese Publikation jedoch sei eine wissenschaftliche Analyse – populär und spannend aufbereitet für viele Leser:

    "Die Idee des World Ocean Review ist, dass man mit so einem regelmäßig erscheinenden Bericht über den Zustand der Weltmeere aufklären kann. Der Öffentlichkeit ist viel zu wenig bewusst, wie es um die Meere steht und wie kritisch der Zustand eigentlich ist."

    200 Seiten umfasst die Publikation. Die wissenschaftlichen Untersuchungen wurden zum einen vom International Ocean Institut, was 1972 von Elisabeth Mann – Borghese gegründet wurde durchgeführt, in erster Linie jedoch von Forschern des Exzellenzclusters "Ozean der Zukunft" der Kieler Meereswissenschaften.

    "Wissen Sie, wenn Sie durch Wälder durchlaufen und sehen, das sind kahle Bäume, durch den sauren Regen, dann ist das schnell erzielt: Oh Gott, unsere Wälder gehen weg. Das ist relativ schnell vermittelbar. Beim Meer – da sehen sie es nicht. Das schluckt das weg. Das ist so immens, das ist so weit weg, das ist so Menschenfeindlich... dass man schon einen Vermittler braucht. Die Meere sind eben anwaltschaftlich nicht vertreten."

    Dabei sei es um die Mandanten – die Weltmeere - alles andere als gut bestellt, sagt Gelpke:
    "Es gibt verschiedene Aspekte, aber besonders kritisch ist der hohe Eintrag von CO2 durch den Klimawandel in die Meere. Die Meere sind auf der einen Seite die wichtigste Senke, also Puffersystem für das CO2 auf der Welt. Auf der anderen Seite kippt die ganze Chemie der Meere auch, wenn zuviel CO2 eingetragen wird. Die Meere versauern und es gibt eine dramatische Artenverschiebung."

    Der World Ocean Review befasst sich mit dem Klimawandel, der Verschmutzung der Meere, aber auch mit den Problemen der Fischerei:

    "Gerade die EU betreibt seit Jahrzehnten eine desaströse Fischereipolitik und versuchen, jetzt langsam gegenzusteuern, weil sie merken, dass eben auch wirtschaftlich diese Politik nicht sehr nachhaltig war. Und da muss man wirklich sagen, ist es für einige Fischarten in einigen Gebieten schon irreversibel."

    Es gebe jedoch Möglichkeiten, die auch schon wissenschaftlich erprobt seien, um diesen Effekt einzudämmen, so der Meeresbiologe:
    "Dass man fangfreie Gebiete einführt wie so ein Naturschutzgebiet, wo dann zwischenzeitlich nicht gefangen werden darf. Und dass man sich tatsächlich mal an die Quoten der Wissenschaftler hält, die seit Jahren Quoten vorgeben und die EU hauptsächlich aufgrund des Lobbyismus der Fischereistaaten wie Portugal und Spanien die Quoten regelmäßig wieder kippen. Dieser politische Opportunismus muss einfach aufhören."

    Der Druck auf den Meeresboden wächst. Stichwort: Bodenschätze und Energie. Noch beherbergen die Ozeane noch sehr viele Vorkommen an Öl und Gas - die Konsequenzen zeigten sich zuletzt im Golf von Mexico – es gebe aber auch einen relativ neuen Energieträger: Methanhydrate.

    "Da liegt Methan in fester Form auf dem Meeresboden vor. Und wenn man das abbauen würde, hätte man eine unglaublich starke Energiereserve. Da gibt es zwei Probleme: Das eine ist, dass diese Methanhydrate nicht sehr stabil sind. Und sobald die ein bisschen erwärmt werden, kippt der feste in den Gaszustand über und das Methan wird frei. Und wir haben hier noch einen viel stärkeren Klimaeffekt wie durchs CO2."

    Das heißt: Auch diesbezüglich ist Vorsicht geboten im Hinblick auf die Erwärmung der Meere, erläutert Meeresexperte Gelpke:

    "Da gibt´s auch beim Abbau der Methanhydrate eine große Gefahr: aber ein sehr großes wirtschaftliches Interesse. Und es bedeutet natürlich auch eine Zukunftschance. Aber weil wir jetzt da schon wissen, wie sensibel das ganze System ist, müssen wir halt auch sehr viel Forschung auch investieren und sorgfältig damit umgehen."
    Der Appell der Autoren des World Ocean Review ist international: Und natürlich sei es auch ein Appell an die Politik.
    "Weil wir im Grunde genommen vieles nur ändern können, wenn es politische Maßnahmen gibt. Die Industrie zockelt da natürlich nur hinterher, wenn da nicht entsprechende Vorgaben gemacht werden."

    Dieser erste World Ocean Review ist ein Statusbericht zum Zustand der Meere und soll in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden.