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München
Kein leichtes Spiel für illegale Sprayer

Illegale Graffiti-Sprayer haben es in München schwer: Bemalen sie einen Zug, wird der kurz darauf gereinigt. Auch an den Wänden bleiben viele gesprühte Bilder nicht lange. Das liegt am rigorosen Einsatz der Stadt gegen Sprayer. Für die erhöht sich damit wiederum der Reiz.

Von Sammy Khamis |
    Ein Arbeiter des Baureferats mit Schutzhelm entfernt von der Ludwigsbrücke in München ein Graffiti. Metallschlacke, mit Hochdruck aufgesprüht, reinigt den Sandstein.
    In München verschwinden viele Graffitis schnell wieder von den Wänden und Zügen. (picture alliance / dpa / Frank Leonhardt)
    "Bei vielen Sprühern geht es darum, dass man im Stadtbild präsent ist, dass man seinen eigenen Namen, seine Spuren im Stadtbild hinterlässt. Und dadurch, dass der Zug schon immer so als beliebtestes Transportmittel von den Sprühen gewählt wurde, die auch illegal aktiv sind, also auch die New Yorker Sprüher schon in den 70er Jahren, weil der Zug als Leinwand funktioniert, um durch die Stadt zu fahren, ist es eine eigene Disziplin geworden."
    Hinter Roman Ritze, einem Kulturwissenschaftler mit Forschungsschwerpunkt Graffiti, gleitet eine glänzend rote S-Bahn durch die Abendsonne. Wenn der Zug eine Leinwand ist, wie Ritze meint, dann fährt hier ein einfarbiges Testbild durchs Umland. Dass das so bleibt, dafür sorgt dieser Herr: Florian Kopczyk ist Beamter in der Sonderermittlungsgruppe Graffiti der bayerischen Landespolizei. Auf seinem Computer öffnet er gerade ein Beweis-Foto vom vergangenen Wochenende.
    "Sie haben hier auf Ihrem Rechner ein Bild aufgemacht, da sieht man eine Münchener S-Bahn, eine rote S-Bahn, die auf einer Seite komplett weiß ist, und wie so Mauerlöcher kommen farbige Bilder raus."
    "Es handelt sich hier jetzt um einen aktuellen Vorgang vom Wochenende. In Freising konnte ein Täter auf frischer Tat festgenommen worden, der da eine S-Bahn besprüht hat. Es handelt sich hier um einen ‚whole train', das heißt um eine komplette Besprühung eines S-Bahn-Zuges. Da ist ein großer Bereich des Zugs erst mal weiß grundiert worden, damit man eine Fläche hat, die man später besser besprühen kann. Bei diesen Pieces handelt es sich um sehr verschnörkelte Schriften. Das Linke heißt Shok, das rechte für Tarek.
    Mit welcher Strafe muss der relativ junge Mann, 27 ist er, jetzt rechnen?
    "Bei Erwachsenen wird in der Regel eine Geldstrafe zur Folge haben. Die Geldstrafe richtet sich dann nach dem Einkommen und nach der Höhe des Schadens an dem Objekt. Der Komplettschaden wird hier bestimmt bei 4.000 bis 5.000 Euro liegen."
    In München regiert die Sauberkeit, und die kostet. Nicht nur die Sprüher, auch die Stadt: Rund eine Million Euro. So hoch ist der jährliche Schaden, verursacht durch Graffiti und Schmierereien. Nicht miteingerechnet die Polizeieinsätze, bei denen - wenn auch selten - sogar mit Hubschraubern Jagd auf Sprüher gemacht wird.
    Anerkennung für U-Bahn-Sprayer
    Für Sprayer ist das ein Ort des Grauens, und er ist nur durch Umwege zu erreichen, genauer durchs Unterholz. Watzlaw, einer der Macher des Münchener KlickKlack Magazins, führt mich an den Münchener Stadtrand - zur Waschanlage für beschmutzte S-Bahnen.
    "Wir stehen jetzt hinter der Halle, der Halle vom Hauptwerk und an der Vorderseite von der Halle werden die Züge reingezogen zum Putzen. Die werden dann erst noch registriert, also es wird natürlich aufgenommen was war drauf, es wird fotografisch festgehalten und dann in die Halle gezogen und dort gereinigt. Das funktioniert eben so, dass sie eingerieben werden mit einer Reinigungsflüssigkeit. Das ist so eine - geleeartig darf man sich das vorstellen, das ist so ein Gel, und dann mit Schrubber wird diese Flüssigkeit eingearbeitet in die Bilder. Die Bilder lösen sich dann relativ schnell auf und geben eher so abstrakte Formen und dann kann man das abziehen, diese ganze Flüssigkeit zusammen mit der gelösten Farbe und abspülen. Und das war es dann schon. Dann verschwindet das quasi im Abguss."
    Auf dem Gleis vor uns steht - wie vor dem Schafott - eine besprühte S-Bahn. Ihr droht die Reinigung. Eine besprühte S-Bahn fährt maximal 72 Stunden durch München, dann muss sie geputzt werden. Bei U-Bahnen ist es sogar noch drastischer: Sie werden, egal wo sie stehen, sofort aus dem Verkehr gezogen. Diese erzwungene farbliche Jungfräulichkeit aber macht für viele Sprüher erst den Reiz aus. Polizeikommissar Florian Kopczyk:
    "In der Sprayer-Szene international jemand sein zu wollen, dazu muss man es schaffen, einmal in München einen U-Bahnzug besprüht zu haben. Die U-Bahnzüge in München sind mit abstand die am besten bewachten U-Bahnzüge. Und wenn man es hinterher belegen kann, eine U-Bahn bemalt zu haben, dann ist man in der Sprüherszene anerkannt."
    20 bis 30 Mal pro Jahr gelingt es den Sprühern, einer U-Bahn ihren Namen aufzudrücken. Das ist illegal. Auch an Schallschutzwänden und Betonpfeilern ist Graffiti nicht erlaubt und wird verfolgt. Für Watzlaw, einen der Macher des KlickKlack Magazins, ist das bedrohte Kunst, die er dokumentieren möchte:
    "Und in München ist es ja sowieso so: Du kriegst Graffiti nicht um die Ohren gehauen, sondern du musst so ein bisschen danach suchen, dann findest du auch etwas, dann findest du auch interessante Geschichten und Charaktere. Aber die sind eben nicht so wie in Berlin, wo du durch die Stadt spazierst und überall wirst du zugepflastert, oder es ist alles zugepflastert damit, sondern das ist alles hier ein bisschen versteckter und deswegen umso interessanter, sich so ein paar Sachen rauszupicken und sich auf die zu konzentrieren und das ein bisschen zu konservieren."