Sonntag, 19. Mai 2024

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München wirft die Fenster zu.

Ausgerechnet unweit der deutschen Microsoft-Dependance in Unterschleißheim bröckelt das Vertrauen auf Betriebssysteme aus Redmond. Denn die Stadt München trennt sich von Windows auf ihren Rechnern. Stattdessen soll zukünftig die freie Alternative Linux ihr Können in städtischen Verwaltungen unter Beweis stellen. Das Großvorhaben könnte Signalwirkung für zahlreiche andere Städte und Gemeinden besitzen.

31.05.2003
    Vergangenen Mittwoch feierte die Münchener Linux-Fraktion als hätte sie die Meisterschaft gewonnen. Ein beachtlicher Sieg war es allemal, konnten doch die Linux-Pinguine den bisherigen Platzhirsch Microsoft vom Thron stürzen. So sprach denn auch Richard Seibt, Vorstandsvorsitzender der SuSE Linux AG von einem Meilenstein in der Geschichte des freien Betriebssystems. In der Münchner Stadtverwaltung ist die Stimmung indes weniger euphorisch, erwartet sie doch erhebliche Anstrengungen beim Umstieg auf Linux. " Linux erfüllt die fachlichen Anforderungen für eine hochkomplexe Stadtverwaltung wie die von München mit seinen insgesamt 14.000 Computer-Arbeitsplätzen und 180 Fachanwendungen. Auch ist man mit Linux nicht von einem bestimmten Hersteller abhängig", räumt Ernst Wolowicz, Leiter des Direktoriums der Stadt, ein. Der Fachmann geht davon aus, dass dem Münchener Beispiel bald viele andere Gemeinden und private Unternehmen folgen und so auch Linux neue Impulse geben.

    Dabei siegten die Pinguine nur knapp nach Punkten. Experten sehen in der Entscheidung vom vergangenen Mittwoch auch politische Motive der Münchner Stadträte. Ausgangspunkt dazu bildete eine Studie der Unternehmensberatung Unilog, die eine Offerte von Microsoft sowie ein gemeinsames Angebot von IBM und SuSE akribisch miteinander verglich. Bereits das erste Urteil der Unternehmensberater empfahl der Stadt den Einsatz einer billigeren, flexibleren und sichereren Open-Source-Lösung. Dann aber zog Microsoft nach in Punkto Kosten und auch auf dem Bereich der IT-Sicherheit, was wiederum die Redmonder in der Studie besser aussehen ließ. Weil auch das Linux-Duo nochmals nachbesserte, musste Unilog einen weiteren Ergänzungsbericht anfertigen, schildert Harry Maack von der Unternehmensberatung: "Das Papier kam zu dem Schluss, dass beide Angebote definitiv sehr vergleichbar waren. Die Unterschiede zwischen Windows XP und Open-Source waren wirklich sehr marginal."

    Marktführer Microsoft versuchte durch weitere finanzielle Zugeständnisse die Entscheidung zu eigenen Gunsten zu wenden, und brach sich möglicherweise gerade damit das Genick, meint Ernst Wolowicz: "Microsoft hat diesen letzten Vorschlag einen Tag vor der Abstimmung gemacht. Und - das ist jetzt nur meine persönliche Bewertung - ich glaube, der Stadtrat war darüber eher verstimmt und fühlte sich vielleicht unter Druck gesetzt." So beeindruckte die Münchner Stadträte auch Microsoft Chef Steve Ballmers Stippvisite aus dem Skiurlaub in die bayrische Landeshauptstadt, um bei Oberbürgermeister Christian Ude persönlich zu intervenieren, offenbar wenig. Während sich der verschmähte Branchenprimus in die Rolle als guter Verlierer fügt und weiterhin gute Kooperation gelobt, sieht Maack im Münchner Stadtratsbeschluss weitreichende Folgen für die Verbreitung von Linux: "Das ist absolut eine richtungweisende Entscheidung. So besagen Schätzungen, dass bis zu 30 Prozent aller deutschen öffentlichen Haushalte, Gemeinden, Städte, sich dieser Entscheidung annehmen könnten und die Alternative Open-Source wesentlich ernsthafter betrachten werden als sie es vielleicht bisher getan haben."

    [Quelle: David Globig]