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Münchner Kammerspiele
Matthias Lilienthals Rambazambatheater endet 2020

Matthias Lilienthal hört als Intendant der Münchner Kammerspiele 2020 auf. Die CSU-Fraktion im Stadtrat war gegen eine Vertragsverlängerung. SPD-Vertreter hätten ihm mehr Zeit gewünscht für seine Experimente. Die kamen vor allem bei den Abonnenten nicht an.

Von Rosemarie Bölts | 20.03.2018
    Matthias Lilienthal
    Intendant Matthias Lilienthal wird schon 2020 die Münchner Kammerspiele verlassen (picture alliance/dpa/Foto: Tobias Hase)
    So, das wär dann auch geklärt. Matthias Lilienthal wird keine zweite Intendanz bekommen. Dabei wurde er eingestellt, die hochdekorierten und weit renommierten Kammerspiele auf den Kopf zu stellen. "Mut zum Experiment" nannte das der SPD-Kulturreferent der Stadt München, offenbar fest entschlossen, mit der Berufung Lilienthals die städtischen Bühnen, wenn nicht gar die Münchner Kultur sozialdemokratisieren zu wollen. So ein bisschen wie: weg von der elitären Hochkultur der Bildungsbürger, hin zum gemeinen Volk. Das war das erste Missverständnis. Denn: Was ist Kultur? Und wer das gemeine Volk? Die Erwartungen in München waren enorm.
    Experiment abgebrochen
    Matthias Lilienthal hatte sich durch neun Jahre Leitung des Berliner Theaterkombinats HAU ausgewiesen. Davor war er Chefdramaturg bei dem Berserker Frank Castorf an der Volksbühne, und zwischendrin organisierte er in Beirut das "Festival der Welt". Ein gut vernetzter Global Player der Off-Theaterwelt, ein Macher. Allerdings mit einer sehr anderen Vorstellung von Kultur, vor allem aber von einer sehr anderen Vorstellung von Theater, nämlich die vom HAU. Am HAU machen sie "anderes Theater", das heißt, ein interdisziplinäres, partizipatives, postdramatisches Diskurs- und Performancetheater. Dafür sind sie ein Begriff. Mit wenig Geldmitteln viel Rambazamba.
    Anti als Haltung
    Und genau das brachte der neue Intendant auf die Bühnen der Münchner Kammerspiele: Viel Event, viel Spektakel, viel Rambazamba. Vermeintlich politisch, vermeintlich avantgardistisch. Ganz nach dem Motto, wir zeigen es diesem Abonnentenvolk! Auf deren – Zitat Lilienthal – "Kunstkacke" scheißen wir. Also, alles neu. Und viel Durcheinander, bis ins Programmoutfit. Jetzt kommen überwiegend Freie Gruppen, kollektives Inszenieren, viel Performance zum Zug. Die klassische Schauspiel- und Sprechkunst ist nicht mehr gefragt. Der viel beschworene "Geist" der Kammerspiele dieser im besten Sinne Produktionsgemeinschaft verflüchtigte sich auch dadurch, dass hochkarätige Schauspielerinnen wie Brigitte Hobmeier, Anna Drexler oder Katja Bürkle kündigten, weil sie für sich keine schauspielerische Zukunft sahen. Auf ihre Kunst wird kein Wert mehr gelegt. Experimentell? Vor allem anti. Anti-bürgerlich, anti Sprech- und Regietheater, anti Ensemble, anti Kammerspieltradition.
    Miese Auslastungszahlen
    Lilienthal holte "seine" HAU-Theaterwelt inklusive Personal nach München. Das Ergebnis - bis auf seltene Ausnahmen wie jüngst die beeindruckende Inszenierung der "Attentäterin" von Amir Reza Koohestani - war eine gehörige Irritation. Ein weiteres Missverständnis. Am Ende ist es einfach eine Frage der Kalkulation. So war es kein Wunder, dass Abonnements gekündigt wurden, die Auslastung nur noch 65 Prozent betrug, selbst die anfangs so enthusiastischen Theaterkritiker sich auf ihre Kriterien besannen und das Konzept bemängelten.
    Und die CSU-Stadtratsfraktion beschloss, dass es für Matthias Lilienthal keine zweite Intendanz geben wird. Typisch Lilienthal, dass er nun verkündet, er habe bei so wenig Wertschätzung keine Lust mehr, sich um eine zweite Intendanz zu kümmern. War ja eigentlich von Anfang an klar: Der Berliner im Shabby-Schlabberlook passt nicht in die Kulturschickeria der Münchner Kammerspiele. Zu radikal? Mitnichten. Es reicht nur nicht, sich nur als Bürgerschreck zu inszenieren. Das ist schlicht zu niederschwellig. "Alles ganz anders" ist nicht unbedingt "alles besser", und schon gar nicht ist alles gut.