Wolff oder nicht Wolff? Einige Fragezeichen sind doch geblieben – sie finden sich an mehreren Stellen dieser Münchner Schau. "Johann Andreas Wolff (?)" steht da auf der Bildtafel.
Die Urheberschaft ist bei manchen Zeichnungen nach wie vor unsicher. Zum Beispiel bei der des Heiligen Hieronymus: Hieronymus, so sehen wir es abgebildet, arbeitet an der Übersetzung des Alten Testaments, ein Engel steht ihm zur Seite, versinnbildlicht die himmlische Eingebung. Die Konturen sind klar, der Strich intuitiv.
Wolff oder nicht Wolff? Achim Riether, Konservator der Graphischen Sammlung München, hat sich diese Frage zuletzt sehr oft gestellt.
"Es gilt ‚ex ungue leonem‘, also aus der vorhandenen Tatze des Löwen, die ganze Figur in dem Fall des Wolff zu rekonstruieren."
Nur noch wenige Zeichnungen existieren heute
Vom Teil auf das Ganze schließen, anhand bestimmter Federstriche den Schöpfer erkennen: Tatsächlich bestätigte ausgerechnet der Löwe auf dem Bild, am Boden sitzend mit wallender Mähne, die Annahme der Forscher, dass es sich hier um eine originale Wolff-Zeichnung handelt, auch wenn ein allerletztes Fragezeichen bleibt.
"Es ist ja auch immer subjektives Ermessen. Wir waren ja alle nicht dabei. Wenn sie zwei Blätter haben, dann ist das eine vielleicht eine Kopie, das zweite kann aber auch eine Kopie sein, es ist ja nicht zwingend ein Original dabei. Vor dem Problem standen wir häufig."
Überhaupt nur etwas mehr als 100 Zeichnungen von Johann Andreas Wolff existieren heutzutage noch, 50 davon zeigt jetzt das Graphische Kabinett in der Münchner Pinakothek, die meisten Bilder kommen aus dem eigenen Bestand.
Es sind Skizzen, Pläne, Vorstudien, aber auch fertig ausgearbeitete Zeichnungen – mit sakralen und profanen Motiven. Wolff war als kurfürstlicher Hofmaler in München (unter Kurfürst Max Emanuel) unter anderem an der Modernisierung der Münchner Residenz beteiligt, er arbeitete im Auftrag von Bischöfen, fertigte große Wandgemälde in Kirchen und Klöstern an. Heute noch ist er in ganz Bayern von Amberg, Andechs über Freising, Fürstenfeldbruck, Kempten bis hin nach Landshut, Straubing und Regensburg präsent. Wolff übte entscheidenden Einfluss auf das barocke Ausstattungswesen im süddeutschen Raum aus. Die Ausstellung würdigt somit einen stilbildenden Künstler des 17. Jahrhunderts:
"Also das typische sind Zeichnungen, die enorm temperamentvoll, kratzig, unkonventionell sind, sehr schmissige Haken, Nasen, die gebrochen sind, mandelförmige Augen ohne Pupillen, auch ein sehr vehementer Strich, der sich einiges zutraut."
Illustrationen der "Heiligen Familie", der "Kreuzigung Christi", von "Kleopatra und Marcus Antonius" oder "Venus und Amor auf dem Schwanenwagen" zeigen eine inhaltliche Vielfalt. Die "Verkündigung an Maria" ist nebst der Zeichnung als Ölgemälde ausgestellt. Und ein längst vergessenes Blatt mit "Fünf Studien zu einem knieenden Mönch" konnte Wolff neu zugeordnet werden.
Offener Umgang mit Ungewissheit der Urheberschaft
Schüler wie Johann Georg Bergmüller oder Johann Degler und Zeitgenossen wie Georg Asam oder Johann Baptist Gumpp orientierten sich an Wolff. Die Schau zeigt all deren Zeichnungen neben- und übereinander, wie gleich an der Wand rechts des Eingangs. Wer wen auf welche Weise beeinflusst hat, darüber lässt sich oft nur mutmaßen, so wie an manchen Stellen die Urheberschaft selbst infrage steht.
Der offene Umgang mit diesen Ungewissheiten ist aber gerade die Stärke der Ausstellung. Die Schau gibt damit auch einen Einblick in Probleme der Forschung und Ausstellungsvorbereitung.
Zwölf Schaukästen im Eingangskorridor spüren den Fragen nach "Skizze und Ausführung", "Original und Kopie" oder "Lehrer und Schüler" nach, und erklären, wie Kunsthistoriker verschiedene Versionen eines Bildes miteinander vergleichen und daraus Schlüsse über Urheberschaft und Werksstadium ziehen.
Wer noch mehr Aufklärung sucht, dem sei der sehr umfassende Katalog mit detaillierten Angaben zu jeder Zeichnung dringend empfohlen.
Und dann ist da natürlich – das größte Verdienst dieser Ausstellung – die Wiederentdeckung eines fast vergessenen Münchner Barock-Meisters.
"Der trefflichste Satz nach der Ausstellung wird natürlich sein: Der Wolff in Bayern, er ist endlich zurück!"