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Multiferroika für Festplatten von morgen

Technik. - Seit dem guten alten Tonbandgerät speichern magnetisch beschichtete Plastikstreifen Musik, aber auch Daten. In modernen Festplatten etwa ändern nur noch Nanometer große Partikel ihren magnetischen Zustand, wenn Informationen abgelegt werden. Konkurrenz könnten bald Kristalle machen, die nicht nur auf magnetische, sondern auch auf elektrische Felder reagieren. Die Methode steht derzeit noch in der Grundlagenforschung am Max-Born-Institut in Berlin.

Von Wolfgang Noelke |
    Magnetische Datenspeicher nutzen die Eigenschaft winziger Magnetpartikel, sich durch den Magnetismus eines Schreibkopfes wie Kompassnadeln ausrichten zu lassen und in dieser Position zu verharren. Bald wird alles anders, denn am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) in Berlin-Adlershof entdeckten drei junge Wissenschaftler, dass sich in einer kristallinen Verbindung der Metalle Holmium und Mangan der Magnetismus auch mit elektrischen Feldern erzeugen und verändern lässt. In den 60er Jahren wurde dieser Effekt zwar vermutet - jetzt aber von der Gruppe um Manfred Fiebig nachgewiesen:

    Stellen Sie sich vor, im Winter und bei sehr trockener Luft, dann können Sie Ihre Haare durch etwas elektrisch Geladenes anziehen. Stellen Sie sich mal vor, sie halten sich einen Magneten einen Kopf und die Haare werden angezogen. Das wird keiner erwarten. Oder nehmen Sie ein elektrisches Feld, dass Sie an einem Kompass halten: da wird auch keiner erwarten, dass da was passiert. Aber diese Materialien haben diese Eigenschaft und wir haben mit Substanzen gearbeitet, die eine Kombination aus besonderen elektrischen und magnetischen Ordnungseigenschaften besitzen. Und da lag es nahe, wirklich ein elektrisches Feld an diesen Substanzen anzulegen, um zu sehen, was dann magnetisch passiert. Dann haben wir halt gesehen: wenn wir eine elektrischen Spannung an unsere Proben anlegen, ändert sich die magnetischen Struktur, also: die werden magnetisch wie Eisen. Das kann man ein- und ausschalten durch das elektrische Feld.

    Und sehen kann man es wirklich. Durchleuchtet man die Probe mit einem reinen Infrarot-Laser, so erhöht sich die Wellenlänge, es verändert sich also die Farbe des Lichts vom Rot ins Gelbliche, dort wo das münzgroße kristalline Plättchen magnetisch wird. Am benachbarten Berliner Hahn-Meitner-Institut bewies Thomas Lankai, dass eine Veränderung der Atome des Kristallgefüges den plötzlichen Magnetismus verursacht:

    Man kann sich vorstellen, dass die magnetischen Wechselwirkungen dann am stärksten sind, wenn eben diese Atome im Kristallgitter einander möglichst nahe kommen. Dadurch, dass ich die Atome durch das elektrische Feld greife und bewege, verändern sich die Abstammungsverhältnisse und ich stelle neue Abstammungsverhältnisse ein. Dadurch stellt sich eine andere magnetische Ordnung ein. Wenn man diese magnetische Ordnung dann im Einzelnen durchrechnet und guckt, welche Atome zueinander benachbart sind, stellt man auch fest dass dieser Effekt durch elektrische Felder einerseits stattfindet, dass man umgekehrt wenn man ein magnetisches Feld auch angelegt, auch die elektrische Ordnung beeinflussen kann. Also damit sind dann die Systeme über die Atom Position gekoppelt.

    In der kristallinen Verbindung so genannter "Multiferroika" verändern sich alle Atome gleichzeitig - kommen sich nahe, erzeugen Magnetismus, liegen neutral, oder rutschen auf die andere Seite - sie erzeugen dort wieder Magnetismus. Bis jetzt entsteht dieser Effekt nur bei minus 180 Grad Celsius. Bald werden vielleicht andere kristalline Metallverbindungen auch bei Zimmertemperatur arbeiten. Würde die erfolgreiche Grundlagenforschung irgendwann zur praktischen Anwendung einer multiferrotischen Festplatte führen, die dann zwar unempfindlich gegen Magnetismus, aber empfindlich gegenüber den wesentlich häufiger auftretenden elektrischen Feldern? Frage an Thomas Lottermoser, den Dritten im Bunde der jungen Berliner Wissenschaftler:

    Man kann sich auch Sachen denken, dass man nicht nur eines der Felder nutzt, sondern nur die Kombination: dass man halt ein magnetisches Feld anlegt und dadurch die Probe in einen Zustand bringt, in der ich sie dann mit einem elektrischen Feld wiederum sehr leicht manipulieren kann. Und damit hätte ich wieder einen gewissen Schutz gegenüber separat auftretenden magnetischen oder elektrischen Störfelder. Also da sind beliebige Kombinationen denkbar. Worauf es hinauslaufen wird, ist eigentlich noch völlig unklar, da man eben halt noch in den Kinderschuhen steckt.