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Multiple Sklerose

"Evozierte Potenziale - Neurovegetative Funktionsdiagnostik" unter diesem eher sperrigen Titel fand Ende letzter Woche am Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen eine dreitägige Konferenz statt. Im Mittelpunkt standen Methoden für die Diagnostik von Multiple Sklerose, einer der häufigsten Erkrankungen des Zentralen Nervensystems. In der Bundesrepublik Deutschland zählen Mediziner pro 100.000 Einwohner etwa 60 bis 80 MS-Patienten - so das gängige Kürzel - weltweit leiden etwa Million Menschen an der Krankheit.

Von Mirko Smiljanic |
    Die Diagnose "Multiple Sklerose" löst bei den Betroffenen im ersten Moment einen Schock aus. Niemand erwartet diese Krankheit, obwohl sie das fünfthäufigste neurologische Leiden überhaupt ist. So erging es Monika Cornelius, die vor 15 Jahren binnen weniger Tage eine Reihe merkwürdiger Symptome entwickelte.

    Es fing bei mir an, dass ich Sprachstörungen hatte und fürchterliche Kopfschmerzen, ich bin dann mit dem Verdacht auf eine Hirnhautentzündung ins Krankenhaus gekommen und nach einigen Untersuchungen hat man dann festgestellt, dass es sich um MS handelt,…

    ...was ihr Leben zwar in vielen Punkten verändert hat, unterkriegen ließ sich sie aber nicht.

    Im ersten Moment war es schon ein Schock, aber ich bin schon ein Mensch, der da relativ positiv mit umgeht, bei mir kam das erst so nach einem halben Jahr, dass ich ein Tief hatte, aus dem ich dann aber eigentlich relativ schnell wieder hochgekommen bin.

    Diese Einstellung hat Monika Cornelius übrigens zur idealen Leiterin einer MS-Selbsthilfegruppe gemacht. Allerdings musste auch sie zunächst einmal lernen, was Multiple Sklerose überhaupt ist.

    Multiple Sklerose ist eine immunvermittelte Erkrankung des Zentralen Nervensystems, betreffend das Gehirn und den Augennerven und das Rückenmark.

    Professor Helmut Buchner, Chefarzt der Neurologie am Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen und Präsident der Tagung "Evozierte Potenziale". MS setzt eine Störung des körpereigenen Immunsystems voraus mit der Folge, dass die elektrischen Impulse nicht mehr in gewohnter Geschwindigkeit durch die Nerven geleitet werden. Um zu verstehen, was dabei genau passiert, kann man sich den Nerven als elektrisches Kabel vorstellen.

    Da gibt es also den Kupferdraht und eine umhüllende Struktur um den Kupferdraht, eine Isolation, so ist mit Nerven prinzipiell auch. Mit einem Unterschied: Die Funktion dieser Isolation bestimmt die Geschwindigkeit der Impulsleitung durch die Nerven. Ist die Isolation beschädigt, laufen die Impulse sehr viel langsamer.
    Die Nerven gesunder Menschen leiten zum Beispiel optische Reize in 100 Millisekunden vom Auge ins Hirn, bei MS-Patienten dauert dieser Vorgang 150 bis 200 Millisekunden. Was schon erste Hinweise liefert auf ein Diagnoseverfahren, das die "evozierten" - also hervorgebrachten - elektrischen Potenziale nutzt. Insgesamt stehen drei Methoden zur Verfügung, um MS nachzuweisen. Erstens, die Kernspintomografie,...

    ...mit der man Wasser im Zentralen Nervensystem nachweist. Bei Entzündungsreaktionen, die durch diesen Immunprozess erzeugt werden, kann man vermehr Wasser sehen, das heißt, man sieht vermehrt weiße Flecken, die dieser Entzündungsreaktion entsprechen.

    Diese Entzündung muss der Arzt - zweitens - aber direkt nachweisen, in dem er Flüssigkeit am Rückenmark punktiert und auf entsprechende Prozesse hin untersucht. Und schließlich messen Mediziner die Geschwindigkeit elektrischer Impulse durch die Nerven.

    Man gibt spezifische Reize, zum Beispiel lässt man den zu Untersuchenden auf ein Schachbrettmuster gucken. Bei den Schachbrettmustern werden Schwarz-Weiß-Flecken getauscht, sodass jeweils ein Kontrastmittelreiz entsteht, und man misst die Zeit zwischen dem Wechsel dieses Schwarz-Weiß-Musters und dem Auftreten einer elektrischen Reaktion im Hirn, also die Geschwindigkeit, mit der der Sehnerv den Impuls letztlich weiterleitet.

    Neben optischen Reizen nutzen Ärzte schwache Stromstöße, akustische Impulse, aber auch Magnetfelder, die sie über dem Kopf des Patienten entladen: Im Hirn entsteht dabei ein elektrischer Impuls, dessen Laufzeit sie messen. Trotz aller Technik haben viele Ärzte allerdings immer noch Probleme, MS präzise zu diagnostizieren. In einigen Bereichen überschneiden sich unterschiedliche Krankheitsbilder, sodass bei falscher Diagnostik eine falsche Therapie eingeleitet wird. Die klassische Behandlung von Multi Sklerose beginnt mit hohen Dosen Cortison, die direkt in die Vene gespritzt werden. Als zweite Variante stehen Interferone zur Verfügung, die die Entzündung hemmen. Und bei schweren Krankheitsbildern nutzen Mediziner die Chemotherapie.

    Allerdings ist das letzte Hand und auch ein sehr aggressives Vorgehen, wird in der Regel aber gut vertragen. Mit diesem Therapieschema ist es letztlich möglich, Entzündungsreaktionen stark abzubremsen um auf diese Art und Weise einen positiven Effekt zu erreichen.

    Positive Effekte, sagt MS-Patientin Monika Cornelius, erreicht aber auch, wer einen schlichten Grundsatz beherzigt: Positives Denken hilft heilen! Als Leiterin einer MS-Selbsthilfegruppe macht sie Mitpatienten klar,...

    ...dass die Diagnose als solche sicherlich schlimm ist, dass man aber wenn man versucht, relativ normal damit umzugehen, dann auch das Beste daraus machen kann. Je positiver man an die Krankheit rangeht, desto besser kann der Verlauf sein!