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Mund aufmachen statt Kaffee kochen

In Polen gibt es eine Frauenquote für Parteien - doch die wird oft unterlaufen, indem man Politikerinnen nur auf hinteren Listenplätzen aufstellt. Auf Frauen in Führungspositionen zu verzichten, hält die polnische Arbeitgeberpräsidentin Henryka Bochniarz für ökonomisch unsinnig und plädiert für die Quote.

Von Sabine Adler |
    Für Frauen, die andere Frauen nicht fördern, gibt es einen besonderen Platz in der Hölle. Die das in Aussicht stellte, war die gebürtige Tschechin und amerikanische Außenministerin Madeleine Albright. Henryka Bochniarz wird dort nicht landen. Denn die Chefin des polnischen Arbeitgeberverbandes kämpft für andere. Dass gerade in den osteuropäischen Ländern so viele Frauen an der Spitze stehen, erklärt sie mit den Umwälzungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.

    "Die ganze Transformation bot große Chance für die, die keine Angst vor Änderungen hatten. Das sind vor allem Frauen, sie passten sich viel schneller an die Marktwirtschaft an, begriffen die neuen Regeln besser als die Männer."

    Henryka Bochniarz vertritt Firmen aller Größen mit dem Verband, sie hat beobachtet, dass Frauen eher kleine Unternehmen gründen. Weil sie zeitlich flexibler bleiben, kein zu großes Risiko eingehen wollen. Als Angestellte streben sie nur maximal mittlere Positionen an, weil sie nicht den Regeln der Männer folgen wollen, die auf den oberen Plätzen in der Überzahl sind. Sie hat immer eine Liste von Frauen bei sich, falls ihr jemand sagt, er wisse keinen Namen für eine Führungsposition.

    "Trotz meiner liberalen Meinungen unterstütze ich die Quote. Ich frage oft Arbeitgeber, warum sie sich nicht für eine Frau in einer Führungsposition entscheiden. Weil die keine Erfahrung haben – höre ich dann. Das ist ein Teufelskreis. Sie sind doch ausgezeichnet ausgebildet, machen zusätzliche Schulungen, Kurse. Die Headhunter oder Verwaltungsräte haben am Ende auf ihrer Liste aber trotzdem immer nur Männer."

    Die Arbeitgeberpräsidentin weiß, dass ein Gremium aus mindestens einem Drittel Frauen bestehen muss, damit nicht nur die Regeln der Männer gelten. Das schafft nicht einmal das polnische Parlament mit seinem Frauenanteil von 25 Prozent. Für Parteien gibt es schon eine Quote, doch die wurde unterlaufen, indem man zwar Frauen aufstellte, aber nur auf den hinteren Listenplätzen.

    Bei den nächsten Wahlen soll das Reißverschluss-Prinzip - ein Mann, eine Frau - gelten, sagt sie, die sich im Kommunismus schon in einem wissenschaftlichen Institut eingerichtet hatte, bar jeglicher politischen Ambitionen. Halina Bortnowska ist als Theologin und Philosophin eine Koryphäe in Polen. Trotz ihrer 82 Jahre hat sie die keineswegs selbstverständliche Erfahrung gemacht, als Publizistin immer gehört worden zu sein, was vor allem an ihrer exzellenten Ausbildung lag. Aber sie erlebte immer wieder Situationen wie diese.

    "Es gab ein Theologentreffen, Männer und einige Frauen, Theologinnen, mit den gleichen wissenschaftlichen Titeln. Es kam der Moment, da Kaffee serviert werden sollte. Ein Pfarrer sagte, dass die Frauen dies tun sollten. Ich antwortete: Hier ist ein junger Mann, könnte er das nicht übernehmen. Ich wollte keinen Kaffee kochen, sondern den Mund aufmachen, aber ich war ich die einzige der Frauen, die das wollte.

    Ich möchte nicht, dass Frauen Priester werden, das ist eine Arbeit wie das Lehramt, Männer wollen auch nicht Lehrer werden, weil sich das nicht lohnt. Deswegen ist es besser, erst die Kirche zu reformieren, dann können wir Frauen diese Stellen antreten lassen. "

    Henryka Bochniarz, 16 Jahre jünger als die Philosophin, wurde von der Revolution vor gut 20 Jahren überrascht. Sie nutzte die Gunst der Stunde, gründete ihr Beratungsunternehmen, fand sich schneller als sie denken konnte als Industrieministerin in der Regierung wieder. Seit 1999 führt sie den polnischen Arbeitgeberverband. Sie hält es für ökonomisch unsinnig, auf Frauen zu verzichten.

    Der größte Teil des Bruttosozialprodukts werde im Dienstleistungssektor erwirtschaftet, überall käme es heute auf Empathie, Kontakt- und Teamarbeit an. Die Zeiten, in denen ein Kerl oben stand und Befehle brüllte, wo vor allem physische Kraft nötig war, seien vorbei.