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Mundharmonikas aus Klingenthal

Rock, Blues, Jazz, Schlager und Folk sind zu hören, wenn in Klingenthal das Internationale Mundharmonika Festival stattfindet. Denn im Vogtland, rund um das Klingenthal, hat Mundharmonikamusik, vor allem aber der Bau der kleinen Instrumente, Tradition. Davon zeugt auch das Musikinstrumentenmuseum in Markneukirchen.

Von Eva Firzlaff | 21.09.2008
    Der Bus brummt den Berg hoch von Klingenthal nach Mühlleithen und klappert die Gasthöfe ab. Es ist Mundharmonika-Live-Nacht. Seit einigen Jahren gibt es das Internationale Mundharmonika Festival in Klingenthal, immer am dritten Wochenende im September. Carsten Meinel ist Musiklehrer und Chef des Mundharmonika-Vereins.

    "Das Ziel ist ja, den Einsatz der Mundharmonika in den verschiedenen Musikstilen zu zeigen. Deswegen gibt es Gala-Konzerte, gibt es gemütliche Abende oder die Live-Nacht, die Hauptveranstaltung am Samstagabend. Das ist so eine Art Honky Tonk, wie man das aus Großstädten kennt, wo man von Kneipe zu Kneipe pilgert. Aber hier ist das Besondere, dass überall Mundharmonika-Livemusik ist, Rock-Musik, Blues, Jazz, Schlager, Folk-Musik."

    Es kommen Musiker fast aus der ganzen Welt, spielen in Workshops, geben Konzerte. Eine - für mich jedenfalls - bisher noch nicht gehörte Vielfalt. Auch das Drumherum ist schön. Im Biergarten beginnt einer zu spielen, gleich finden sich Mitspieler. Und auf der offenen Bühne musiziert jeder, der möchte und kann.

    "Ja, so geht es zum Festival zu. Die Atmosphäre ist wirklich herzlich und warm. Man muss sich hier einfach wohl fühlen. Das ist eben einmalig, das zeichnet das Festival aus."

    Schon vor 350 Jahren kamen die Instrumentenbauer aus dem benachbarten Böhmen. Dort musste man nach dem Dreißigjährigen Krieg, um weiterhin als Meister zu arbeiten, katholisch werden. Wer das nicht wollte, wanderte aus nach Sachsen. Heidrun Eichler:

    "Man hatte hier eine Art Heimindustrie, die Geigenbauer und auch alle anderen Gewerke, die ja schon um 1800 hier ansässig waren, man hat schon damals alle Orchesterinstrumente hier hergestellt, die haben zu Hause in der Werkstatt gearbeitet für den Verleger, für den Händler. Sie kamen sich zwar vor, wie unabhängige Meister, waren sie aber nicht. Sie waren abhängig vom Händler, der die Instrumente weiter verkauft hat."

    Und diese wurden steinreich, nicht die Instrumentenbauer. In Markneukirchen erzählt man von etlichen Millionären um 1900. Rund um den großen Markt stehen dort hochherrschaftliche Villen, die man eher in Leipzig oder Dresden erwartet, als in so einem kleinen Städtchen im Wald.

    "Die meisten Instrumentenmacher sind tatsächlich im Vogtland. Die Musikinstrumente wurden bis nach Amerika, Japan geliefert. Zum Teil auch heute noch. Viele sehr gute Musiker aus der ganzen Welt kommen ins Vogtland und holen sich hier ihre Instrumente oft persönlich, von dem Meister auf sie zugeschnitten oder angefertigt."

    Zwischen den beiden wichtigen Orten des Musikwinkels Markneukirchen und Klingenthal liegen nur etwa 15 Kilometer - doch es fängt schon bei der Sprache an:

    "Die Markneukirchener fühlen sich mehr der anderen Seite zugehörig. Man ist ja besiedelt wurden durch ostfränkische Oberpfälzer Bauern im elften Jahrhundert. Und das hört man heute noch am Dialekt. Und in Klingenthal spricht man einen ganz anderen Dialekt. Da ist wirklich der Berg dazwischen, dass ist mehr so in Richtung Erzgebirge."

    Und man pflegt eine für den Fremden amüsante Rivalität, die einst im Geigenkrieg gipfelte.

    "Und zwar gab es immer so ein bisschen Zoff zwischen den Händlern von Markneukirchen und Klingenthal. Es heißt, dass man dann auf der Höhe - wenn sie jetzt nach Klingenthal fahren, kommen sie ja über die Gopplersgrüner Höhe. Dass man dann den Markneukirchener aufgelauert und ihnen die Ware abgenommen hätte. Weil sie den Preis drückten und die Klingenthaler Händler somit ausschalteten."

    Ein Klingenthaler Handelsreisender brachte die Mundharmonika mit, schnell wurde das kleine Instrument nachgebaut. Und fast der ganze Ort spezialisierte sich auf Mundharmonika.

    "Klingenthal war neben Trossingen das Zentrum des weltweiten Mundharmonikabaus. Es gab über 140 Firmen nur in Klingenthal, die Mundharmonikas hergestellt haben. Überlebt hat nur C. H. Seydel Söhne, und das jetzt 160 Jahre."

    Als Hosentascheninstrument wanderte die Mundharmonika mit der Wandervogelbewegung durch die Lande und zog auch in den Krieg.

    "Schon im Ersten Weltkrieg war das ein Instrument für die Soldaten, die sich damit gegenseitig Mut gemacht oder ihre Sorgen weggespielt haben. Das war die hohe Zeit von den zwanziger Jahren bis in die 1940er, 1950er Jahre. Nach dem Krieg auch noch ein bisschen, aber dann hat das nachgelassen."

    Das Musikinstrumentenmuseum in Markneukirchen zeigt neben historischen, exotischen und ganz normalen Instrumenten auch kuriose, wie die riesige Mundharmonika, die bestimmt einen halben Meter lang ist.

    "Da gibt es einen bösen Witz, da heißt es: die war für die Berliner. Sie wissen schon, warum. Hat nur einer gespielt, da sind verschiedene Tonarten drauf. Sie haben also die Möglichkeit zu wechseln. Denn eine Mundharmonika ist ja meistens diatonisch, man hat also nur eine Tonleiter. Und wenn man statt D-Dur A-Dur spielen will, braucht man ein anderes Instrument. Und das hat man alles zusammengesetzt, so dass man 24 Mundharmonikas in einem Instrument vereint hat."

    Dieses Musikinstrumentenmuseum in einem Barock-Schlösschen verblüfft seine Besucher. Es ist kein besseres Heimatmuseum und wurde schon 1883 von einem Gewerbelehrer gegründet.

    "Er hatte die Vision, dass man hier Instrumente sehen sollte aus der ganzen Welt, damit die Instrumentenbauer hier ihren Horizont erweitern können, Anregungen bekommen von anderen Kulturen."

    Es gibt wohl kaum ein Instrument, das nicht im Museum zu sehen ist. Und vieles wird vorgeführt. Eine mittelalterliche Drehleier.

    Auch wenn die herrschaftlichen Häuserzeilen in Markneukirchen uns "wohlhabende Stadt" vorgaukeln, war doch die Gegend eher von Wald und einfacher Landwirtschaft geprägt und gar nicht so reich. Die Felder waren karg, so dass in den Dörfern viele ein paar Viecher im Stall hatten, aber daneben auch eine kleine Instrumenten-Werkstatt. In Landwüst, dicht bei Markneukirchen wurde die Scheune des letzten Geigenbauers des Ortes zur so genannten Rumpelkammer. Große alte Holztische, drum herum Stühle und alte Sofas von Uroma.

    "Die Rumpelkammer ist ein ganz kleiner Bestandteil unseres Museums, eine kleine Spielstätte mit circa 25 Plätzen. Wir versuchen, da so bisschen Hausmusik zu etablieren."

    Es gibt Kaffee, Kuchen und handgemachte Musik, der wir in dieser anheimelnden Atmosphäre gerne lauschen.

    "Die Zither kam über Böhmen und über Oberfranken ins Vogtland. Das Vogtland wurde besiedelt zum Teil aus Böhmen, von böhmischen Exilanten, und aus Bayern. Und deshalb kam die Zither hier her."

    Etliche historische Fachwerk-Bauernhäuser bilden dieses Freilandmuseum Landwüst, und alle komplett eingerichtet, als wäre der Bauer gerade mal auf das Feld gegangen. Im Stall rüffeln die Schweine.

    "Umgebinde, Umschrot nennt man diese Häuser. Diese haben einen sehr schönen Giebel. Diese Häuser sind verbreitet im Böhmischen drüben, stehen noch viele. Dann gibt es unten einen denkmalgeschützten Ort, Rauen - dort stehen viele solche Häuser mit diesen schönen Egerländer Giebeln."

    Neben der vielen Musik hat der Musikwinkel noch ein ganz anderes Superlativ:
    Seit drei Jahren steht in Klingenthal die größte Mattenschanze der Welt, offen auch für Besucher. Es gibt einen gläsernen Fahrstuhl. Und - falls der mal nicht fährt - eine Gittertreppe.

    Treppe hoch. Und zur Belohnung den Blick ins Tal.

    "Kann ich mir absolut nicht vorstellen, hier runter zu rutschen. Ich glaub nicht, das würde wohl nie was werden: ist unheimlich, wunderbar, also erstaunlich, alle Achtung vor denen, die da springen. Als Besucher, der das erste Mal auf so einer Anlage steht, kriegt man natürlich schon ein laues Gefühl. Denn wir haben hier einen Höhenunterschied von 140 Metern. Und wenn man dann in den Talkessel runter guckt und sich vorstellt, dass man zwischendurch noch durch die Luft fliegt."

    Alexander Ziron war selbst mal Skispringer, doch von dieser großen Schanze wird er wohl nicht mehr springen. Ohne Schnee sieht die Schanze zwar nicht nach Wintersport aus und trotzdem wird auch im Sommer gesprungen. Man kann Skispringer beim Training beobachten und es gibt Wettkämpfe. Schanzenrekord: 144 Meter.

    "Wir haben seit 2004 jährlich in Klingenthal zwei Sommer-Grand-Prixs. Zum einen der der Nordisch Kombinierten, der in der Regel Ende August stattfindet. Und dann der Höhepunkt: das Finale des Sommer-Grand-Prix im Spezialsprunglauf, das in der Regel am ersten Wochenende im Oktober stattfindet."

    Als der Platz für diese neue Großschanze gesucht wurde, hat man festgestellt, dass gerade dort das Kälteloch von Klingenthal ist, sogar eine der kältesten Stellen von Sachsen. Dort hält der Kunstschnee ewig. Der Wald schützt vor tückischen Winden. Schon um 1930 sollte hier eine Schanze gebaut werden, doch die Olympiade 1936 ging an Garmisch-Partenkirchen und die damaligen Pläne gerieten in Vergessenheit.

    www.vogtland.de
    www.mundharmonika-live.de