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Mundpropaganda und sozialer Druck

Die in Deutschland wohl bekannteste Studierenden-Community StudiVZ hat es von gerade mal 50.000 im Juni 2006 auf mittlerweile an die 5 Millionen Mitglieder geschafft. Das war für die Kommunikationswissenschaftler an der Universität Münster ein Grund, diesem Community-Boom auf den Grund zu gehen. Sie wollten beispielweise wissen, warum sich Studierende überhaupt in der Internet-Plattform registrieren lassen.

Von Florian Peter |
    "Also es ging eigentlich hier mit der Uni erst los. Ich hab im Oktober hier angefangen und dann hieß es - von den O-Gruppen hier, dass man sich in der Gruppe anmelden sollte, im StudiVZ anmelden sollte, in die entsprechenden Gruppen eintreten sollte. Und da wurde dann halt einiges drüber organisiert."

    "Ich glaube das war damals so, dass eine Freundin mir eine Einladung geschickt hat."

    "Ich bin über meinen Bruder da reingekommen. Der hat mir davon erzählt."

    "Vorher war man auf so anderen Seiten, die aber nicht so groß waren. Und bei StudiVZ ist wirklich jeder drin und deswegen bin ich dann irgendwann dann auch eingetreten."

    Mundpropaganda und ein gewisser sozialer Druck der anderen - die Gründe, die diese Münsteraner Studierenden für ihre Anmeldung in StudiVZ angeben, decken sich mit den Ergebnissen der Studie von Professor Volker Gehrau. Der Kommunikationswissenschaftler der Uni Münster hat zusammen mit seinen Studierenden rund 600 Nutzer- und Nichtnutzer der Online-Community befragt. Das wohl wichtigste Ergebnis: StudiVZ hat auch ohne Werbung in Zeitung, Radio oder Fernsehen sein Zielpublikum relativ schnell erreicht - und das scheint sich auch von zuletzt negativen Nachrichten nicht abschrecken zu lassen.

    "Es gab ja im Verlauf der letzten Zeit auch durchaus negative Medienberichte über StudiVZ - Datenschutz, Werbung, etc. Die sind offenbar auch besprochen worden, waren aber nicht direkt Anlass auszutreten, sondern auch hier war die Gruppenkohärenz - man hat sich zwar drüber unterhalten - so stark, dass die Leute dann drin geblieben sind und sich nicht durch negative Medienberichterstattung veranlasst fühlten, aus StudiVZ wieder auszutreten."

    Und wer erst einmal drin ist, für den ist vor allem eins wichtig:

    "Ab und zu irgendwie mit Freunden kommunizieren. Und wir haben eine Pokerrunde und da muss man sich über StudiVZ anmelden."

    "Für Stalken. (lacht) Für meinen Freunden Nachrichten zu schreiben."

    "Vor allen Dingen irgendwie über Gruppen mit Freunden verabreden und anderen Leuten Nachrichten schreiben. Was man so macht."

    "Um Freundschaften zu pflegen, um Kontakte aufrecht zu erhalten mit Leuten, die man nicht täglich sieht."

    Vor allem der Kontakt zum weiteren Bekanntenkreis wird bei den Studierenden über die Online-Community gepflegt - das ist das wichtigste Ergebnis der zweiten StudiVZ-Studie von Professor Christoph Neuberger. Allerdings: Entgegen der Vermutung des Kommunikationsexperten aus Münster ist die Studierenden-Community für viele kein Platz, um wirklich neue Leute kennen zu lernen.

    "Das war ganz erstaunlich. Das waren sehr, sehr wenige, die gesagt haben, dass sie neue Kontakte gefunden hätten: Nämlich fünf Prozent haben gesagt, dass sie sehr viele oder viele neue Kontakte geknüpft hätten. Knapp zwei Drittel haben keinen einzigen neuen Kontakt gefunden über StudiVZ. Es ist also eher eine Wiedersehensfeier, die stattfindet auf StudiVZ. Man findet die anderen Mitglieder der Abitursklasse oder Leute, die man aus den Augen verloren hat."

    Und das machen die meisten am liebsten anonym: Rund zwei Drittel der Befragten in Neubergers Studie nutzen die Möglichkeit, andere auszukundschaften ohne dass diese erfahren, wer sie denn da gesucht hat. Eine eigene Option in der Online-Community ermöglicht dies. Viele der StudiVZ-Mitglieder haben deshalb mittlerweile ihren richtigen Namen nur noch in Initialen angeben oder sich gar einen kompletten Phantasienamen verpasst.

    Und trotz des unbestreitbaren Booms des Studierenden-Netzwerks im Internet: Es gibt auch einige, die sich gegen eine Mitgliedschaft bei StudiVZ entscheiden.

    "Also ich war da drin, aber mich hat's irgendwie ein bisschen genervt, weil jeder einen anklickt, mit dem man eigentlich nichts zu tun hat. Und dann gucken einen auch Leute an und schreiben einen an. Also dann sollen sie in einen Flirt-Chatroom gehen oder so." (lacht)

    "Ich leg keinen Wert auf irgendwie so Selbstdarstellung im Internet. Und hab auch kein Bedürfnis meine Fotos allen Leuten zu zeigen. Und mit meinen Freunden, da hab ich auch so privat Kontakt und muss das nicht übers Internet machen."

    Doch mit dieser Einstellung ist er momentan in der Minderheit. Denn die Münsteraner StudiVZ-Studien haben gezeigt: Weil mittlerweile sehr viele in der Studierenden-Community Mitglied sind, wächst der soziale Druck dazuzugehören und nicht von der Kommunikation ausgeschlossen zu werden auf die, die es noch nicht sind. Und: Wer erstmal drin ist, geht so schnell auch nicht wieder raus - auch wenn gerade in den vergangenen Monaten in den Medien nicht nur positiv über StudiVZ berichtet wurde.