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Museale Wahlkampfhilfe

Am 23. Mai wird ein neuer Bundespräsident gewählt. Bekanntlich stehen zwei Kandidaten zur Wahl. Doch nur Amtsinhaber Horst Köhler wird in der Fotoausstellung "Der Mensch, der Präsident" im Museum für Kommunikation in Berlin von seiner besten Seite präsentiert.

Von Frank Hessenland |
    Mal ganz ehrlich und Hand aufs Herz: Fänden wir es nicht alle etwas merkwürdig, wenn kurz vor einer wichtigen Wahl, etwa der Bundestagswahl im September, jeder wichtige Politiker, oder dessen Mitarbeiter oder dessen Lieblingspressefotograf, sich ein öffentliches Museum heraussuchen würde und dort eine Fotoreihe von sich selbst platzierte? Die Bundeskanzlerin etwa hinge vielleicht im Alten Museum am Berliner Dom. Der Außenminister in der Staatoper. Dann würde gewählt und die Bilder danach wie alte Wahlplakate wieder abgehängt. Sähe dies nicht nach ein wenig zu viel nach Wahlkampfhilfe und Anbiederung eines Kulturbetriebes an eine bestimmte politische Person aus? Nähmen bei einer solchen Praxis Amt und Institution nicht Schaden? Und wo sollte dies enden? Dies muss man sich fragen, nachdem das Museum für Kommunikation in Berlin ausgerechnet von heute bis zum Tag der Bundespräsidentenwahl 93 Fotografien des amtierenden Bundespräsidenten Horst Köhler präsentiert. Es sind Fotos des Focus-Fotografen Christian Irrgang, der sich zum Ziel gesetzt hat Horst Köhler bei seiner Arbeit "über die Schulter zu schauen" und zu zeigen, was ein Präsident so alles macht am Tag.

    ""Das hat Frau Dr. Kugler ja gesagt, dass der Mann mehrere Gesichter hat ... Das es ein offizielles Gesicht gibt. Das kennt man, wenn man vor den Terminen vor der Wand im Blitzlichtgewitter steht oder eine Rede hält hinter einem Podium. Und es gibt den Mann, der auf der Rudermaschine sitzt und mit seiner Frau zu Abend isst oder bei der Hochzeit seines Sohnes Wunderkerzen anzündet.”"

    Dazu kommen Fotos von Köhler in einem Kindergarten, auf Afrikabesuch, im Flugzeug. Mal im kontrastreichen Schwarz-weiß wie ein Kennedyfoto, mal in Farbe gehalten. Immer gutgelaunt, meist händchenhaltend mit seiner Frau. Leider verzichten sowohl der Fotograf als auch die Museumsleitung jedoch auf ein künstlerisches Konzept oder einen eigenständigen Ausstellungsanspruch, der die Fotografien von Bildseiten in einer illustrierten Zeitung unterscheiden würde. Im Gegenteil: Bildunterschriften und Tafeln verraten eine eher liebedienerische Haltung.

    ""Grüß Gott”"

    - heißt es etwa unter einem Bild von Köhler und Papst Benedikt im "Bunte"-Stil -

    ""ein adretter Bub und ein fesches Mädel begrüßen Papst und Präsident auf dem Flughafen Franz Josef Strauß.”"

    "Schirmherr!” Tröstet eine andere Bildunterschrift.

    ""Ausgerechnet beim Sommerfest im Schlosspark beginnt es zu regnen. Das konnte die gute Laune des Präsidenten aber nicht verhindern.”"

    Gott sei Dank, soll man da wohl denken. Und das Ziel der Ausstellung? Das verrät eine große Tafel einen Meter weiter:

    ""Die Menschen sollen spüren, hier kümmert sich einer.”"

    Wie sich die Ausstellung von einem Wahlwerbespot oder einer entsprechenden Broschüre unterscheiden sollte, weiß letztlich nur der Fotograf und die Museumsleiterin Lieselotte Kugler.

    ""Wenn Sie sehen, dass er es zulässt, dass man ihn fotografiert nach einer Preisverleihung oder einer Ordensverleihung, wo er wirklich erschöpft aus von 47 Orden, die er überreicht hat, 47 Mal Ansprachen hält, mit den Teilnehmern konferiert, dass er dann auch das zulässt, dass so ein Foto veröffentlicht wird oder das man es sieht. Das hat’s bis jetzt auch noch nicht gegeben, dass man ja als Staatsperson oder als Royal oder wie auch immer ja nur darauf bedacht ist ein gutes Bild in der Öffentlichkeit zu machen und das ist schon etwas Neues.”"

    Dass das Zustandekommen der Ausstellung tatsächlich als ein – wenn auch begrenzter - Übergriff der Politik in die Ausstellungsplanung eines öffentlichen Museums gesehen werden kann, zeigt ein Blick in die Geschichte. Die eher konservativ-liberale Direktorin Kugler platzierte die Fotoausstellung aus "Aktualitätsgründen" im Wahlmonat. Der Vertreter des Finanzministers im Museums-Kuratorium hatte nichts dagegen, da die SPD damals noch Köhler unterstützte. Als sich das änderte konnte die Ausstellungsplanung nicht mehr geändert werden, lacht Kugler heute. Jedenfalls sprang dann die FDP-nahe Friedrich Naumann Stiftung hinzu und finanzierte das Projekt. Das Präsidialamt schaute wohlwollend zu. Man kann nur hoffen, dass sich ähnliches im Museum für Kommunikation und anderen Kulturinstitutionen nicht wiederholt – sonst müssen wir vor Wahlen wirklich noch etwa Peter-Ramsauer-Porträts im Naturkundemuseum, Edmund Stoiber im Armeemuseum oder Peter Strucks Motorradfotos im Technikmuseum ertragen lernen.