Michael Köhler: Versuchen wir mal Ordnung reinzubringen mit Kunstkritiker Hanno Rauterberg. Fehlt es an zeitgenössischen Ausstellungen im Hamburger Bahnhof zu Berlin wie Bastian kritisiert?
Hanno Rauterberg: Also Bastian hat Recht mit seiner Kritik. Es gibt vergleichsweise wenig aktuelle jüngere Künstler, die dort gezeigt werden, also die große Gursky-Ausstellung beispielsweise wird in München gezeigt, Neo Rauch wird in Wolfsburg gezeigt, auch die Leipziger Schule insgesamt, da musste man nach Wien fahren, um die zu sehen. Gleichzeitig ist diese Kritik von Heiner Bastian aber auch durchaus bigott, denn die Sammlung, für die er immer tätig gewesen ist, die Sammlung Marx, diese Sammlung hat auch den Hamburger Bahnhof immer im Klammergriff gehabt. Also es gab lange die Vereinbarung, dass fast ausschließlich Bilder aus dieser Sammlung dort zu zeigen wären, und entsprechend war dort auch gar kein Raum, um andere Dinge zu veranstalten.
Köhler: Stimmen die Vorwurfe Heiner Bastians, der Generaldirektor Peter-Klaus Schuster sei eine Katastrophe, die Flick-Sammlung sei überflüssig und der Verein insgesamt schädlich?
Rauterberg: Also man kann schon sagen, dass der Schuster kein besonders großer Freund der zeitgenössischen Kunst ist. Das muss man auch nicht unbedingt kritisieren, denn die zeitgenössische Kunst hat in Berlin ja mehr Schauorte, mehr Schauplätze, als man das für gewöhnlich annimmt. Ich verstehe nicht ganz, warum jetzt viele fordern, es müsste dringend eine neue Kunsthalle für Berlin her, weil es so was bislang nicht gäbe. Es gibt so etwas, nämlich die Kunstwerke in der Auguststraße direkt im Galerienviertel. Es gibt auch Kunstvereine, sogar zwei, es gibt den Martin-Gropius-Bau, ein großes Ausstellungshaus. Also Austragungsorte gibt es viele. Trotzdem kann man natürlich unzufrieden sein mit dem, was im Hamburger Bahnhof passiert ist. Das führt aber nicht unbedingt dazu, dass man jetzt neue weitere Häuser für die Kunst bauen muss.
Köhler: Herr Rauterberg, fehlt es an Ankaufsgeldern für den Hamburger Bahnhof und die Nationalgalerie?
Rauterberg: Es fehlt sicherlich an Geldern, aber ich glaube, es ist nicht das Primäre. Was wichtig wäre, wäre eine klare politische Ausrichtung. Und auch wenn ich eben gesagt habe, es gibt viele Orte, an denen man die Kunst zeigt in Berlin, wäre es dennoch wichtig, glaube ich, bestimmte große, wichtige, einflussreiche Positionen in Berlin auch stärker zu zeigen als bisher. Nicht um sie unbedingt noch weiter zu hypen. Also der Markt spült ja im Moment sehr viele Namen nach oben, er pustet sie sozusagen nach oben, und dann könnte man eigentlich von den staatlichen Museen erwarten, dass sie diese Markthypes kritisch begleiten, das heißt, dass sie sie nicht ignorieren, sie aber auch nicht feiern, sondern eine Möglichkeit schaffen, sie kritisch zu bewerten. Das wäre, finde ich, die Aufgabe, die auch in Berlin den Museen zukäme, und dafür bräuchten sie auch mehr Geld.
Köhler: Sind die Adressaten der Vorwürfe die richtigen, also ist der Direktion eigentlich ein Vorwurf zu machen, oder ist das ein Vorwurf, der in den politischen Raum gemacht worden ist?
Rauterberg: Na ja, der General ist schon dafür verantwortlich, die Gelder zu verteilen, und bislang hat er sich vor allem darauf kapriziert, also Peter-Klaus Schuster, Sammler zu sammeln. Das heißt, er hat sich mit Flick und Marx große Sammlungskontingente herangezogen und meinte, offensichtlich sei damit der zeitgenössischen Kunst Genüge getan. Das ist schon im Falle Marx etwas merkwürdig, weil der vor allem Werke von Warhol, von Rauschenberg, von Beuys, also von auch vielen Künstlern, die längst tot sind, in seiner Sammlung hat und nicht besonders viel Zeitgenössisches hat. Insofern ist es schon auch die falsche Museumspolitik gewesen, sich so stark an einige sehr einflussreiche Sammler zu binden.
Köhler: Wenn wir über den Tag der Kritik versuchen mal ein bisschen hinaus zu denken, wird da vielleicht schon auf einen Generationenwechsel spekuliert? Ist das, was ein Kollege ein Vorbeben nannte, oder ist es schlicht Personalgeschachere, weil da demnächst einige in den Ruhestand gehen?
Rauterberg: Ich glaube, es ist erstmal gekränkte Eitelkeit, sowohl bei Herrn Bastian als auch bei Herrn Marx. Herr Marx hat das auch gesagt, er ist irgendwie verbittert darüber, dass seine Sammlung nicht mehr so stark im Mittelpunkt steht wie früher. Das ist aber auch gar nicht die Aufgabe des Hamburger Bahnhofs. Der Hamburger Bahnhof ist ja kein Privatmuseum, und insofern kann man durchaus froh sein, dass er jetzt seinen Hut nimmt. Ich glaube, das bedeutet für den Hamburger Bahnhof ganz neue Fragen und auch die Chance, durchaus ein anderes Konzept dort zu verwirklichen vielleicht mit mehr aktuellen Ausstellungen als bisher.
Köhler: Seinen Hut nimmt, das heißt, seine Sammlung aus dem Hamburger Bahnhof abzieht?
Rauterberg: Dass er sie abzieht. Das ist natürlich schade um viele der Werke, die dort zu sehen sind. Vor allem der Beuys-Block ist, finde ich, sehr beeindruckend und so auch nur selten in Deutschland sonst zu sehen. Auch viele andere Werke wird man dort vermissen, aber es bietet, glaube ich, eine größere Unabhängigkeit für die Arbeit der Kuratoren dort im Museum.
Hanno Rauterberg: Also Bastian hat Recht mit seiner Kritik. Es gibt vergleichsweise wenig aktuelle jüngere Künstler, die dort gezeigt werden, also die große Gursky-Ausstellung beispielsweise wird in München gezeigt, Neo Rauch wird in Wolfsburg gezeigt, auch die Leipziger Schule insgesamt, da musste man nach Wien fahren, um die zu sehen. Gleichzeitig ist diese Kritik von Heiner Bastian aber auch durchaus bigott, denn die Sammlung, für die er immer tätig gewesen ist, die Sammlung Marx, diese Sammlung hat auch den Hamburger Bahnhof immer im Klammergriff gehabt. Also es gab lange die Vereinbarung, dass fast ausschließlich Bilder aus dieser Sammlung dort zu zeigen wären, und entsprechend war dort auch gar kein Raum, um andere Dinge zu veranstalten.
Köhler: Stimmen die Vorwurfe Heiner Bastians, der Generaldirektor Peter-Klaus Schuster sei eine Katastrophe, die Flick-Sammlung sei überflüssig und der Verein insgesamt schädlich?
Rauterberg: Also man kann schon sagen, dass der Schuster kein besonders großer Freund der zeitgenössischen Kunst ist. Das muss man auch nicht unbedingt kritisieren, denn die zeitgenössische Kunst hat in Berlin ja mehr Schauorte, mehr Schauplätze, als man das für gewöhnlich annimmt. Ich verstehe nicht ganz, warum jetzt viele fordern, es müsste dringend eine neue Kunsthalle für Berlin her, weil es so was bislang nicht gäbe. Es gibt so etwas, nämlich die Kunstwerke in der Auguststraße direkt im Galerienviertel. Es gibt auch Kunstvereine, sogar zwei, es gibt den Martin-Gropius-Bau, ein großes Ausstellungshaus. Also Austragungsorte gibt es viele. Trotzdem kann man natürlich unzufrieden sein mit dem, was im Hamburger Bahnhof passiert ist. Das führt aber nicht unbedingt dazu, dass man jetzt neue weitere Häuser für die Kunst bauen muss.
Köhler: Herr Rauterberg, fehlt es an Ankaufsgeldern für den Hamburger Bahnhof und die Nationalgalerie?
Rauterberg: Es fehlt sicherlich an Geldern, aber ich glaube, es ist nicht das Primäre. Was wichtig wäre, wäre eine klare politische Ausrichtung. Und auch wenn ich eben gesagt habe, es gibt viele Orte, an denen man die Kunst zeigt in Berlin, wäre es dennoch wichtig, glaube ich, bestimmte große, wichtige, einflussreiche Positionen in Berlin auch stärker zu zeigen als bisher. Nicht um sie unbedingt noch weiter zu hypen. Also der Markt spült ja im Moment sehr viele Namen nach oben, er pustet sie sozusagen nach oben, und dann könnte man eigentlich von den staatlichen Museen erwarten, dass sie diese Markthypes kritisch begleiten, das heißt, dass sie sie nicht ignorieren, sie aber auch nicht feiern, sondern eine Möglichkeit schaffen, sie kritisch zu bewerten. Das wäre, finde ich, die Aufgabe, die auch in Berlin den Museen zukäme, und dafür bräuchten sie auch mehr Geld.
Köhler: Sind die Adressaten der Vorwürfe die richtigen, also ist der Direktion eigentlich ein Vorwurf zu machen, oder ist das ein Vorwurf, der in den politischen Raum gemacht worden ist?
Rauterberg: Na ja, der General ist schon dafür verantwortlich, die Gelder zu verteilen, und bislang hat er sich vor allem darauf kapriziert, also Peter-Klaus Schuster, Sammler zu sammeln. Das heißt, er hat sich mit Flick und Marx große Sammlungskontingente herangezogen und meinte, offensichtlich sei damit der zeitgenössischen Kunst Genüge getan. Das ist schon im Falle Marx etwas merkwürdig, weil der vor allem Werke von Warhol, von Rauschenberg, von Beuys, also von auch vielen Künstlern, die längst tot sind, in seiner Sammlung hat und nicht besonders viel Zeitgenössisches hat. Insofern ist es schon auch die falsche Museumspolitik gewesen, sich so stark an einige sehr einflussreiche Sammler zu binden.
Köhler: Wenn wir über den Tag der Kritik versuchen mal ein bisschen hinaus zu denken, wird da vielleicht schon auf einen Generationenwechsel spekuliert? Ist das, was ein Kollege ein Vorbeben nannte, oder ist es schlicht Personalgeschachere, weil da demnächst einige in den Ruhestand gehen?
Rauterberg: Ich glaube, es ist erstmal gekränkte Eitelkeit, sowohl bei Herrn Bastian als auch bei Herrn Marx. Herr Marx hat das auch gesagt, er ist irgendwie verbittert darüber, dass seine Sammlung nicht mehr so stark im Mittelpunkt steht wie früher. Das ist aber auch gar nicht die Aufgabe des Hamburger Bahnhofs. Der Hamburger Bahnhof ist ja kein Privatmuseum, und insofern kann man durchaus froh sein, dass er jetzt seinen Hut nimmt. Ich glaube, das bedeutet für den Hamburger Bahnhof ganz neue Fragen und auch die Chance, durchaus ein anderes Konzept dort zu verwirklichen vielleicht mit mehr aktuellen Ausstellungen als bisher.
Köhler: Seinen Hut nimmt, das heißt, seine Sammlung aus dem Hamburger Bahnhof abzieht?
Rauterberg: Dass er sie abzieht. Das ist natürlich schade um viele der Werke, die dort zu sehen sind. Vor allem der Beuys-Block ist, finde ich, sehr beeindruckend und so auch nur selten in Deutschland sonst zu sehen. Auch viele andere Werke wird man dort vermissen, aber es bietet, glaube ich, eine größere Unabhängigkeit für die Arbeit der Kuratoren dort im Museum.