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Museum Kurhaus Kleve
Heimatkunde mit Stephen Prina

Galesburg ist eine trostlose Kleinstadt im amerikanischen Bundesstaat Illinois. Im Museum Kurhaus Kleve porträtiert der amerikanische Künstler Stephen Prina seine Heimatstadt humorvoll und mit raumfüllenden Installationen. Das autobiographische Werk geht dabei auch auf die bestehende Sammlung in Kleve ein.

Von Georg Imdahl |
    Das Foto zeigt das Museum Kurhaus Kleve am 01.10.2015 in Kleve, Nordrhein-Westfalen
    Das Museum Kurhaus Kleve zeigt "galesburg, illinois" von Stephen Prina (dpa/picture alliance/Roland Weihrauch)
    Seine bekannteste Serie ging auf einen Zufall zurück. Im Buchladen eines Freundes hielt Stephen Prina 1986 einen schlanken Katalog in der Hand, in dem sämtliche 556 Werke von Edouard Manet aufgeführt waren. Der junge Konzeptkünstler dachte sich: Ist das nicht seltsam – so ein kleines Paperback soll das komplette Oeuvre von Manet enthalten.
    So kam Prina auf die Idee, jedes Gemälde in originaler Größe nachzumalen – allerdings als "blindes Bild", das nichts anderes zeigt als blasse verwischte Tinte auf Papier. Als sei das Bild ausgelöscht. Seit fast dreißig Jahren malt Prina, wann immer eine Ausstellung von ihm ansteht, solche Abstraktionen – wie jetzt gerade für das Museum Kurhaus in Kleve. Inzwischen ist er bei der Hälfte der 556 Werknummern Manets angelangt, und wer weiß, ob der 1954 geborene Künstler sein Hauptwerk überhaupt noch wird abschließen können.
    Einen gewissen Ruhm hat ihm die Reihe jedoch definitiv eingetragen: Seinen eigenen Namen hat Prina untrennbar mit dem Pariser Modernisten des 19. Jahrhunderts verknüpft – zumindest als Fußnote –, und das Auslöschen von Bildern geht ja auch auf eine prominente Vorgeschichte zurück: Der junge Robert Rauschenberg hatte sich 1953 einen Namen gemacht, als er eine Zeichnung von Willem de Kooning ausradierte. Und Prinas Vorgehen, ein Werk über die Zeitdauer seines gesamten Lebens zu dehnen, spielt wiederum auf die "Date Paintings" von On Kawara an – der malte jeden Tag ein Bild mit dem jeweiligen Datum der Entstehung.
    Solche Verweise, Zitate und Anspielungen kennzeichnen die Praxis von Stephen Prina, einem Künstler der zweiten Generation der Konzeptkunst, der einst an renommierten Instituten in den USA Musik und bildende Kunst studiert hatte und seit 2004 selbst an der Harvard University lehrt.
    Erinnerung an Künstler und Autoren aus Galesburg
    Ob in Gemälden, Fotos, Ready-mades oder in begehbaren Soundinstallationen, in denen man es sich bequem machen kann wie jetzt in Kleve – stets reichert Prina seine Arbeiten mit erkennbaren oder versteckten Assoziationen an, die sie zu einem – meist unterhaltsamen – Vexierspiel machen. In diesem Geist geht er auch auf das Museum ein, indem er mit eigenen Arbeiten auf die Sammlung reagiert.
    Seine jüngste Arbeit ist autobiographisch begründet und auf mehrere Räume verteilt. In zahlreichen Objekten porträtiert Prina seine Geburtsstadt Galesburg, ein Kaff irgendwo in Illinois. Ein Flugzeug hatte der Künstler eigens angemietet, um eine vor sich hin dümpelnde Autowaschstraße aus der Vogelperspektive zu fotografieren – dort stand früher mal der "Harbor's Lights Club", in dem der junge Stephen mit seiner Band aufgetreten war. In einer Vitrine liegt eine Münze für einen freien Cocktail in der Bar, die dem Jungen so viel bedeutete, eine gigantische Fototapete an der Wand zeigt die heutige, eher trostlose Gegenwart.
    Wenn wir in der Ausstellung auf die sechsbändige Biographie von Abraham Lincoln stoßen, so deshalb, weil ihr Verfasser Carl Sandburg ebenfalls aus Galesburg stammte. Und das Lesezeichen im zweiten Band erinnert an eine berühmte Debatte um die Abschaffung der Sklaverei, die Lincoln im Jahr 1858 auch wohin führte? Richtig: Nach Galesburg. Dort wurde schließlich auch die Bildhauerin Dorothea Tanning geboren – die nach Prinas Meinung noch viel zu stark als Frau an der Seite von Max Ernst wahrgenommen wird und zu wenig als eine eigenständige Künstlerin. Auch sie taucht also durch Fotos ihrer Skulpturen in dem persönlichen Panorama der amerikanischen Kleinstadt auf.
    Insgesamt durchzieht ein milder Humor Prinas Werk, das sich immer wieder mit mancher Anekdote aus dem eigenen Leben verknüpft. Der strengen Konzeptkunst verleiht er bisweilen einen Plauderton.