Archiv


Museumslandschaft - Sachsen-Anhalt in Gefahr

Noltze: Worum geht es, Herr Puhle?

    Puhle: Es geht im Kern darum, dass das Absenken der kommunalen Haushalte in den letzten Jahren und insbesondere in diesem Jahr und perspektivisch im Jahr 2003 dazu geführt hat bzw. führt, dass kleine und mittlere Museen, zum Beispiel Kreismuseen, Stadtmuseen und Heimatstuben, die sowieso schon nicht besonders gut mit Personal und Finanzmitteln ausgestattet waren, ganz dabei sind, durch diese Situation ausgetrocknet zu werden oder auszutrocknen. Möglicherweise stehen diese auch vor Schließungen.

    Noltze: Welche Standorte sind besonders gefährdet?

    Puhle: Es gibt eigentlich quer durch das Land von Nord nach Süd, von Ost nach West Probleme. Ich kann ja einige Beispiele nennen. Wir haben im Süden des Landes, in der Burg Querfurt eine starke Reduzierung des Personalbestandes. Wir haben auch im kulturhistorischen Museum Merseburg, einem sehr wichtigen Museum, ebenfalls eine Absenkung um 50 Prozent beim Personal von einem Jahr auf das andere. Wir haben im Norden des Landes, in Arendsee, das Problem, dass das Museum zum 1.1.2003 entweder ganz geschlossen oder von ehrenamtlichen Kräften übernommen wird. In Quedlinburg ist vom Oberbürgermeister schon einmal ins Gespräch gebracht worden, dass dort möglicherweise mehrere Museen geschlossen werden müssen. Dies macht auch vor der Landeshauptstadt Magdeburg nicht halt. Unser Technikmuseum steht auf der Sparliste für das kommende Jahr.

    Noltze: Die Krise gibt es ja nun überall. Gibt es denn spezifische Probleme in Sachsen-Anhalt?

    Puhle: Man kann, glaube ich sagen, dass wir deswegen eine besonders dramatische Situation haben, weil es zum einen ein armes Bundesland ist. Ich sehe die Ursache für die Probleme an der musealen Basis darin, dass wir hier sehr kleine Landkreise haben. Das sind kleinere Landkreise als in anderen Bundesländern. Diese Landkreise sind eben finanziell schwach ausgestattet und haben deswegen jetzt besonders große Schwierigkeiten, bei diesen Kürzungen, ihre Kultureinrichtungen überhaupt noch offen zu halten.

    Noltze: Wenn in Berlin die Opernfinanzierung verhandelt wird, ist das eine Sache von nationaler Bedeutung? Haben Sie es schwer, die Bedeutung der kleineren Museen zu vermitteln?

    Puhle: Das gilt sicherlich auf nationaler Hinsicht. Da muss man auch sagen, dass ein jetzt erschienenes Blaubuch, was die großen Leuchttürme, die großen Einrichtungen in der Bundesrepublik besonders hervorhebt, uns ja auch Schwierigkeiten an der Basis bereitet. Denn dann haben Sie eine Folie, um zu sagen, dass das die Einrichtungen sind, die erhalten werden müssen. Die müssen gestärkt werden. Die müssen gefördert werden. Das kann bedeuten, dass eine Konzentration der Mittel an dieser Stelle vorgenommen wird und dass bei den kleineren und mittleren Einrichtungen, die nicht in dieser Liste stehen, die Situation deswegen noch dramatischer wird. Da haben wir ein echtes Kommunikationsproblem.

    Noltze: Wozu brauchen wir denn die vielen Lokalmuseen. Warum sind die wichtig? Wo fangen sie an, Lebensmittel zu werden?

    Puhle: Sie müssen mal überlegen, wie viele Gemeinschaftseinrichtungen es heute noch auf dem Lande, in kleineren Kreisstädten oder in großen Dörfern gibt. Da ist ja sehr viel in den letzten 10 bis 20 Jahren zugrunde gegangen. Das fängt bei der Kneipe an. Das haben wir überall. Das ist nicht nur in Sachsen-Anhalt so. Dann gab es in der DDR noch diese Kulturhäuser. Die sind natürlich auch zu größten Teil abgewickelt worden. Als gemeinschaftsstiftende Einrichtungen sind fast ausschließlich kleine Museen übrig geblieben, in denen sich die Menschen treffen, in denen sie sich über ihre gemeinsame Geschichte und über ihre gemeinsame Kultur verständigen. Dort haben sie dann Gemeinschaftserlebnisse, die über das rein kommerzielle hinausgehen. Genau das ist wichtig und wird jetzt massiv bedroht. Deswegen ist das eigentlich auf Dauer ein unverzichtbares Lebensmittel. Natürlich müssen wir uns immer wieder darüber verständigen, wie viel Kultur wir uns leisten können und müssen. Das ist eigentlich ein ständiger Dialog, den man führen muss. Es gibt da keinen absoluten Wert, den man einmal setzen kann und der für die nächsten 10 Jahre so bleiben kann. Das ist auch unser Problem, dass wir hier mit sehr dehnbaren Begriffen operieren müssen.

    Link: mehr ...

    494.html