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Musharraf stärkt seine Macht

Das Oberste Gericht Pakistans hat auch den letzten Einspruch gegen die Wiederwahl von Präsident Pervez Musharraf zurückgewiesen. Christian Wagner, Pakistan-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, wertete die Entscheidung als "Niederlage für die Demokratie". Nun bleibe anzuwarten, ob sich die Opposition gegen Musharraf verbündet.

    Christiane Kaess: Am Telefon ist jetzt Christian Wagner, Pakistan-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Guten Tag!

    Christian Wagner: Guten Tag!

    Kaess: Herr Wagner, ist nach dieser Entscheidung des Obersten Gerichtes die Macht von Präsident Musharraf erst einmal besiegelt?

    Wagner: Nun, damit hat er natürlich seine Machtposition endgültig gefestigt. Er hat den unliebsamen Obersten Richter zunächst ausgetauscht und hat jetzt ein Gericht seiner Wahl eingesetzt. Das hat natürlich nun, wie nicht anders zu erwarten, seine Wiederwahl gerechtfertigt. Also ich denke, damit hat er zumindest zunächst einmal formal seine Machtposition gestärkt, aber es bleibt natürlich abzuwarten, ob die Opposition dies auch anerkennen wird.

    Kaess: Sie haben schon gesagt, die Entscheidung war erwartet worden, weil Musharraf bei der Verhängung des Ausnahmezustandes alle kritischen Richter abgesetzt hat. Welchen Wert hat diese Entscheidung des Obersten Gerichtes also?

    Wagner: Nun, es ist natürlich eine Art Sündenfall dieser Regierung vor der Herrschaft des Militärs, das heißt, damit ist natürlich deutlich geworden, dass das Militär weiterhin das Sagen haben wird innerhalb Pakistans. Das ist natürlich eine Niederlage für die Demokratie, und es bleibt abzuwarten, ob die Opposition, vor allem Benazir Bhutto und Nawaz Sharif, sich nun zu einem Boykott der Wahlen durchringen werden, weil nur dann eben noch einmal deutlich gemacht werden kann, dass es Wahlen sein werden, die eben nicht unter einigermaßen rechtsstaatlichen Bedingungen stattfinden.

    Kaess: Mit welchen Reaktionen der Opposition rechnen Sie, und was würde ein Boykott der Wahlen bringen?

    Wagner: Nun, ich würde davon ausgehen, es gab in den letzten Tagen wohl eine Reihe von Gesprächen zwischen Nawaz Sharif und Benazir Bhutto, es sieht offensichtlich danach aus, dass sich diese beiden ja nun auch nicht gerade befreundeten Persönlichkeiten eventuell doch zu einer Zusammenarbeit entschließen könnten. Wenn sie sich verständigen auf einen Boykott der Wahlen, dann würde dies natürlich einen herben Rückschlag für Musharraf bedeuten, denn eine Wahl, bei der die beiden größten Parteien nicht teilnehmen und die eventuell unter Bedingungen des Ausnahmezustands geführt wird, kann natürlich vom Ausland schwerlich nur als demokratisch oder frei und fair angesehen werden.

    Kaess: Seine Beratungen über die Rechtsmäßigkeit des Ausnahmezustands will das Oberste Gericht fortsetzen, so wurde heute angekündigt. Was erwarten Sie?

    Wagner: Nun, ich würde nichts anderes erwarten, als dass das Oberste Gericht natürlich diese Rechtmäßigkeit des Ausnahmezustands anerkennt. Es ist ein Gericht, was von Musharrafs Gnaden eingesetzt ist. Also ich denke, wir können nichts Anderes erwarten, als dass es diese seine Entscheidung auch letztendlich bestätigen wird.

    Kaess: Das heißt, auch die Parlamentswahl im Januar noch im Ausnahmezustand?

    Wagner: Das bleibt abzuwarten. Es gab durchaus auch Stimmen, die darauf hingedeutet haben, dass der Ausnahmezustand zuvor aufgehoben werden könnte. Es ist natürlich fraglich, ob man Wahlkampf durchführen kann, vor allem wenn auch das Meinungs- und Versammlungsrecht eingeschränkt ist, wie es gegenwärtig der Fall ist, ob man dann Wahlkampf durchführen kann. Also ich könnte mir durchaus vorstellen, dass vielleicht in einigen Wochen auch der Ausnahmezustand aufgehoben wird. Aber auch das wird es natürlich schwierig machen für die Opposition, hier einen geordneten Wahlkampf zu führen.

    Kaess: Nun hat Musharraf angekündigt, er werde noch vor seiner Vereidigung zum Präsidenten vom Amt des Armeechefs zurücktreten und als ziviler Präsident vereidigt werden. Rechnen Sie damit, dass das tatsächlich passieren wird?

    Wagner: Nun, das ist eine Erklärung, die hatte Musharraf bereits vor der Verhängung des Ausnahmezustands getroffen, das war auch der ursprüngliche Fahrplan. Also ich denke, dass er hier auch versucht, dem wachsenden diplomatischen Druck aus dem Ausland entgegenzukommen und sozusagen wieder auf diesen ursprünglichen Fahrplan zurückgeht, der ja seinen Rücktritt vorgesehen hat, der auch Wahlen vorgesehen hat. Allerdings hat er jetzt natürlich Bedingungen geschaffen, sowohl durch die Einsetzung des Obersten Gerichtes als auch durch den Ausnahmezustand, die natürlich diese Situation für ihn deutlich angenehmer machen. Also ich könnte mir schon vorstellen, dass es nun auch zu dem angekündigten Rücktritt kommt, zumal er hier sicherlich auch in der Pflicht gegenüber der internationalen Gemeinschaft steht.

    Kaess: Wenn Musharraf als ziviler Präsident vereidigt werden sollte, dann wäre damit auch der Opposition das Argument entzogen, Musharraf hätte als Armeechef nicht zur Wahl antreten dürfen?

    Wagner: Das ist richtig, allerdings wird sich die Opposition dann natürlich vor allem auf den Ausnahmezustand konzentrieren. Also ich denke, hier ist natürlich deutlich, dass Musharraf jetzt zwar einen formalen Schritt auf die Opposition zugegangen ist, aber wie gesagt, die Absetzung des Obersten Gerichts bleibt natürlich ein solcher eklatanter Verfassungsbruch, dass er damit natürlich in den Augen der einheimischen Opposition nicht an Glaubwürdigkeit gewinnt.

    Kaess: Pakistan-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Christian Wagner, war das. Und wir haben ihn in Indien erreicht, deshalb bitten wir die schlechte Leitung zu entschuldigen. Vielen Dank für das Gespräch.