Karin Fischer: Wir sind ja so enttäuscht! Da schreiben die Kollegen auf den Wissenschaftsseiten der Tageszeitungen heute im Ernst, dass Musik hören oder auch Musik machen nicht intelligenter macht. Der Befund stammt aus einer Untersuchung von neun Neurobiologen und Psychologen, die gestern in Berlin ausgerechnet vom Bundesbildungsministerium veröffentlicht wurde. Ich zitiere: "Die Befunde hinsichtlich einer positiven Auswirkung des Musizierens auf andere kognitive Fähigkeiten sind enttäuschend", heißt es da in schönstem Forscherdeutsch. Auch der so genannte Mozarteffekt, erfahren wir von Kollegen, die sich damit auskennen, sei schon längst als Mythos für Schwangere enttarnt. (PDF-Download der Studie beim Bundesbildungsministerium)
Hans Bäßler, den Vize-Präsidenten des Deutschen Musikrates, habe ich vor der Sendung gefragt, ob das einen Paradigmenwechsel wie beim Spinat auslösen wird.
Hans Bäßler: Ja, das ist eine gute Frage. Die Überzeugung, dass Musik intelligenter macht, diese Überzeugung haben wir eigentlich schon länger nicht mehr, und die jetzt gerade vorgelegte Studie zeigt das, was wir schon längerfristig gedacht haben, dass die Frage nach dem Zuwachs von Intelligenz, gemessen an dem IQ, eigentlich nicht ausreichend vorhanden ist, auch um damit eine familienpolitische Argumentation entstehen zu lassen.
Fischer: Drei bis vier IQ-Punkte Zuwachs durch regelmäßiges Üben, so heißt es in dieser Studie, stehe in keinem Verhältnis zum Aufwand. Das erinnert mich an jene Menschen, die die Gesunderhaltung ihres Körpers durch Sport mit der Begründung ablehnen, das, was sie sich damit an zusätzlicher Lebenszeit hereinholen, hätten sie schließlich durch jahrelange Zeitverschwendung im Fitnessstudio vorher schon zunichte gemacht.
Bäßler: Ich wolle gerade noch mal darauf hinweisen, dass es eigentlich im Zusammenhang mit dem Ausüben von Musik zunächst einmal ja sicherlich nicht darum gehen kann, ob wir den Intelligenzquotienten erhöhen oder nicht erhöhen oder nur eingeschränkt erhöhen. Das ist eine Argumentation, die im Zusammenhang mit jeder Ausübung von künstlerischen Tätigkeiten eigentlich absurd ist. Kunst übt man aus, weil man als Mensch auch eine künstlerische Anlage oder eine musikalische Anlage hat.
Das Entscheidende in diesem Zusammenhang ist eigentlich Folgendes: In einem sozialen Umfeld, in dem Musik gemacht wird, verändert sich die Lernbereitschaft und insbesondere auch zumindest, wenn dieses glückt, auch so etwas wie das grundsätzliche Wohlbefinden, und das wiederum fördert die zusätzliche Qualität in diesen Lernvorgängen, die man dann tatsächlich wohl messen kann in einer Drei- bis Vierpunktausmessung. Das ist aber natürlich nicht das Entscheidende im Zusammenhang mit dem Machen von Musik.
Fischer: Da möchte ich noch ein bisschen nachhaken, Herr Bäßler: Natürlich sind wir eigentlich bisher davon ausgegangen, dass Musikerziehung sozusagen die qualitätvollere, die intensivere Bildung ist als zum Beispiel Sportmachen oder Playstation spielen.
Bäßler: Die Frage des Sports, vielleicht nicht unmittelbar gegen die Musik ausgespielt werden sollte, das ist mir deswegen ganz wichtig, weil das natürlich ein Umgang mit dem Körper ist, wie er ähnlich auch im Zusammenhang mit dem Musizieren geschieht. Aber das Entscheidende, glaube ich, ist, Musikmachen beansprucht eben den ganzen Körper und die ganze Seele und den ganzen Geist. Und in dieser Weise ist Musikmachen etwas ganz Unverwechselbares, das dringend erforderlich ist an einer Schule, die im Wesentlichen eigentlich kognitiv ausgerichtet ist. Und auch das private Umfeld ist im Wesentlichen eigentlich eher kognitiv ausgerichtet, und aus dem Grunde brauchen wir Tätigkeiten, die den Menschen insgesamt umfassen.
Fischer: Musik und Sport sind nicht gegeneinander auszuspielen, das ist klar, vor allem, wenn es sich sozusagen um die sozialen Fähigkeiten handelt, die man dabei erwirbt. Ich persönlich habe jahrzehntelang behauptet, dass, wer Klavierspielen gelernt hat, auf jeden Fall gut Autofahren können musste, und wir wissen ja, dass Neurologen ziemlich viel untersuchen, unter anderem auch die multiplen kognitiven Fähigkeiten, die beispielsweise ein Dirigent beansprucht, während er ein 60-Musiker-Orchester in Schach hält. Sind das alles Einzelergebnisse, die man so nicht überbewerten sollte?
Bäßler: Nein, das glaube ich nicht, sondern zum Musikmachen gehört eben auch die Schulung von Reaktionsfähigkeit und das schnelle Umsetzen in Bewegungen, sehr feinmotorische Bewegung hinein. Und das in der Tat kann damit geschult werden, genauso wie eben zum Beispiel das gemeinsame Singen oder Spielen in einem Ensemble kann sich dann in diesem sozialen Kontext noch einmal wieder zusätzlich positiv auswirken. Diese Bezüge sind herstellbar und sind auch messbar.
Fischer: Sollen sich die Schwangeren dieser Republik Mozarts kleine Nachtmusik jetzt endgültig als Kopfhörer wieder vom Bauch nehmen, oder ist das zumindest doch so was wie ästhetische Erziehung im Mutterleib, die man jetzt jahrelang propagiert hat?
Bäßler: Was mir völlig nicht nachvollziehbar ist, ist die Vorstellung, dass wir um solcher Dinge Willen mit Kunst umgehen sollen. Kunst ist kein Mittel zu einem Zweck, sondern Kunst ist immer ein Selbstzweck und hat eine eigene Qualität, die nicht einzubinden ist in irgendeine Form von Funktionalität.
Hans Bäßler, den Vize-Präsidenten des Deutschen Musikrates, habe ich vor der Sendung gefragt, ob das einen Paradigmenwechsel wie beim Spinat auslösen wird.
Hans Bäßler: Ja, das ist eine gute Frage. Die Überzeugung, dass Musik intelligenter macht, diese Überzeugung haben wir eigentlich schon länger nicht mehr, und die jetzt gerade vorgelegte Studie zeigt das, was wir schon längerfristig gedacht haben, dass die Frage nach dem Zuwachs von Intelligenz, gemessen an dem IQ, eigentlich nicht ausreichend vorhanden ist, auch um damit eine familienpolitische Argumentation entstehen zu lassen.
Fischer: Drei bis vier IQ-Punkte Zuwachs durch regelmäßiges Üben, so heißt es in dieser Studie, stehe in keinem Verhältnis zum Aufwand. Das erinnert mich an jene Menschen, die die Gesunderhaltung ihres Körpers durch Sport mit der Begründung ablehnen, das, was sie sich damit an zusätzlicher Lebenszeit hereinholen, hätten sie schließlich durch jahrelange Zeitverschwendung im Fitnessstudio vorher schon zunichte gemacht.
Bäßler: Ich wolle gerade noch mal darauf hinweisen, dass es eigentlich im Zusammenhang mit dem Ausüben von Musik zunächst einmal ja sicherlich nicht darum gehen kann, ob wir den Intelligenzquotienten erhöhen oder nicht erhöhen oder nur eingeschränkt erhöhen. Das ist eine Argumentation, die im Zusammenhang mit jeder Ausübung von künstlerischen Tätigkeiten eigentlich absurd ist. Kunst übt man aus, weil man als Mensch auch eine künstlerische Anlage oder eine musikalische Anlage hat.
Das Entscheidende in diesem Zusammenhang ist eigentlich Folgendes: In einem sozialen Umfeld, in dem Musik gemacht wird, verändert sich die Lernbereitschaft und insbesondere auch zumindest, wenn dieses glückt, auch so etwas wie das grundsätzliche Wohlbefinden, und das wiederum fördert die zusätzliche Qualität in diesen Lernvorgängen, die man dann tatsächlich wohl messen kann in einer Drei- bis Vierpunktausmessung. Das ist aber natürlich nicht das Entscheidende im Zusammenhang mit dem Machen von Musik.
Fischer: Da möchte ich noch ein bisschen nachhaken, Herr Bäßler: Natürlich sind wir eigentlich bisher davon ausgegangen, dass Musikerziehung sozusagen die qualitätvollere, die intensivere Bildung ist als zum Beispiel Sportmachen oder Playstation spielen.
Bäßler: Die Frage des Sports, vielleicht nicht unmittelbar gegen die Musik ausgespielt werden sollte, das ist mir deswegen ganz wichtig, weil das natürlich ein Umgang mit dem Körper ist, wie er ähnlich auch im Zusammenhang mit dem Musizieren geschieht. Aber das Entscheidende, glaube ich, ist, Musikmachen beansprucht eben den ganzen Körper und die ganze Seele und den ganzen Geist. Und in dieser Weise ist Musikmachen etwas ganz Unverwechselbares, das dringend erforderlich ist an einer Schule, die im Wesentlichen eigentlich kognitiv ausgerichtet ist. Und auch das private Umfeld ist im Wesentlichen eigentlich eher kognitiv ausgerichtet, und aus dem Grunde brauchen wir Tätigkeiten, die den Menschen insgesamt umfassen.
Fischer: Musik und Sport sind nicht gegeneinander auszuspielen, das ist klar, vor allem, wenn es sich sozusagen um die sozialen Fähigkeiten handelt, die man dabei erwirbt. Ich persönlich habe jahrzehntelang behauptet, dass, wer Klavierspielen gelernt hat, auf jeden Fall gut Autofahren können musste, und wir wissen ja, dass Neurologen ziemlich viel untersuchen, unter anderem auch die multiplen kognitiven Fähigkeiten, die beispielsweise ein Dirigent beansprucht, während er ein 60-Musiker-Orchester in Schach hält. Sind das alles Einzelergebnisse, die man so nicht überbewerten sollte?
Bäßler: Nein, das glaube ich nicht, sondern zum Musikmachen gehört eben auch die Schulung von Reaktionsfähigkeit und das schnelle Umsetzen in Bewegungen, sehr feinmotorische Bewegung hinein. Und das in der Tat kann damit geschult werden, genauso wie eben zum Beispiel das gemeinsame Singen oder Spielen in einem Ensemble kann sich dann in diesem sozialen Kontext noch einmal wieder zusätzlich positiv auswirken. Diese Bezüge sind herstellbar und sind auch messbar.
Fischer: Sollen sich die Schwangeren dieser Republik Mozarts kleine Nachtmusik jetzt endgültig als Kopfhörer wieder vom Bauch nehmen, oder ist das zumindest doch so was wie ästhetische Erziehung im Mutterleib, die man jetzt jahrelang propagiert hat?
Bäßler: Was mir völlig nicht nachvollziehbar ist, ist die Vorstellung, dass wir um solcher Dinge Willen mit Kunst umgehen sollen. Kunst ist kein Mittel zu einem Zweck, sondern Kunst ist immer ein Selbstzweck und hat eine eigene Qualität, die nicht einzubinden ist in irgendeine Form von Funktionalität.