* Musikbeispiel: Anon./Henestrosa - Cancíon: Je vous
Um die "Kunst der Fantasie" geht es in der neuesten Einspielung von Andrew Lawrence-King und seinem Harp Consort, eine hochartifizielle Kunstform der Improvisation, wie sie am spanischen Hof Karls des V. gepflegt wurde. "El libro de cifra nueva" von Luis Venegas de Henestrosa ist eine umfangreiche Sammlung von Intavolierungen geistlicher und weltlicher Gesänge, in der die Werke der berühmtesten spanischen und franko-flämischen Komponisten wie Cabezón, Mudarra, Josquin Desprez und Crequillon zusammengestellt wurden. Darin enthalten sind aber ebenso Volkstänze und spanische villancicos wie französische Chansons und musikalisch höchst anspruchsvolle Fantasien oder tientos.
Henestrosa wollte dieser Musik nicht nur zu größerer Bekanntheit verhelfen oder Vokalmusik für Instrumente einrichten, sondern er bearbeitete sie auch in einer Art und Weise, wie sie heutzutage verpönt wäre, wie sie aber zu seiner Zeit üblich war. So fügte er zum Beispiel Abschnitte aus verschiedenen Werken zu einem neuen Pasticcio zusammen und schuf so ganz neuartige Stücke.
Schon in der Renaissance hatte es die strenge Trennung zwischen Komponisten und Musiker nicht gegeben, der Musiker war nicht nur Interpret, sondern zugleich auch immer ein Nachschöpfender. Der gekonnte improvisatorische Umgang mit Themen und Melodien, Verzierungen und formaler Umgestaltung gehörte zum Können eines guten Musikers. "Die Intavolierungen Henestrosas", so Andrew Lawrence-King, "sind deshalb nur ein Glied in einer Kette künstlerischen Schaffens, die Musiker unterschiedlicher Musikkulturen in einem Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte übergreifenden Zusammenwirken miteinander verbindet."
* Musikbeispiel: Enríquez de Valderrábano - Tiento sobre la Pavana real
Dies war ein Tiento sobre la Pavana real von Enríquez de Valderrábano.
Mit tiento wurden polyphon gesetzte Kompositionen für ein Solo-Instrument bezeichnet, in denen polyphone Ordnung und improvisatorische Freiheit miteinander verbunden wurden. "Die Kunst der Fantasie" wird in Henestrosas Sammlung in vielfältigen Formen dargestellt.
Da gibt es neben dem tiento und der fantasía, melodische glosas über franko-flämische Kirchenmusik sowie diferencias, Variationsfolgen, über romances und sogar die einfacheren cancíons werden von Henestrosa nach dem Vorbild franko-flämischer Vokalpolyphonie mit imitierendem Kontrapunkt und strenger Kanontechnik versehen. Im folgenden Unum colle deum, einer Warnung vor falschen Schwüren, gestaltete er eine 40-stimmige Motette mit zehn vierstimmigen Instrumentalchören zu einem strengen Kanon. Allerdings mussten die Musiker hier in die Trickkiste moderner Aufnahmetechnik greifen, um dieses Stück mit nur fünf Musikern realisieren zu können.
* Musikbeispiel: Henestrosa - Fuga a 40: Unum colle deum
Andrew Lawrence-King, der in dieser Aufnahme nicht nur die spanische Doppelharfe und die Renaissance-Harfe, sondern auch Orgel, Cembalo und Psalterium spielt, gilt als einer der weltweit führenden Interpreten alter Musik. Er arbeitet nicht nur als Solist sondern leitet auch Barockopern und Oratorien, ist dem Ensemble Hesperion XX seit vielen Jahren verbunden und gründete nach der Continuo-Gruppe "Tragicomedia" 1994 auch sein eigenes Ensemble, "The Harp Consort", mit dem er , vielfach ausgezeichnet, weltweit konzertiert.
Es gibt wenige Ensembles, die stilistisch und musikalisch so homogen zusammen musizieren wie Lawrence-King und sein Harp Consort. Diese geradezu innige Zusammenarbeit wird besonders deutlich in den eigenen Improvisationen, die auch in dieser Einspielung den besonderen Reiz ausmachen. Gerade hier zeigt sich die fundierte Kenntnis und Vertrautheit der Interpreten mit dieser Musik. Das Consort setzt sich hier zusammen aus Hille Perl - Viola da gamba, Lee Santana – Vihuela und Cister, Steven Player - Renaissance Gitarre und Perkussion sowie Helen Coombs – Orgel und Cembalo.
"El Libro de cifra nueva" von Henestrosa war das erste Tabulaturbuch für Tasteninstrumente oder Harfe, das im Druck erschienen ist, hatte allerdings Vorbilder, wie zu Beispiel die der Vihuelisten Mudarra, Pisador, Narváez, Valderrábano. Diese sind in Henestrosas Anthologie ebenso vertreten wie die Organisten Cabezón und Palero oder die Sänger Josquin, Crecquillon und Vásquez. Offensichtlich war ihr Repertoire an tientos, glosas, canciones und diferencias Gemeingut aller drei Instrumentengruppen, für die Hernestrosa seine Intavolierungen schrieb: tecla – Tasteninstrumente, arpa- Harfe und vihuela, baugleich mit der Gitarre aber meist wie eine Laute gestimmt, oder aber gestrichen als Viola da gamba.
Diese drei Instrumentenfamilien wie auch die mit Metallsaiten bezogenen Instrumente Cister und Psalterium galten als "vollkommen", weil sie sowohl zum Akkord- als auch zum Melodiespiel fähig waren, für den Solovortrag ebenso geeignet waren wie zur Begleitung von Sängern und zum Ensemblespiel, und sie bildeten den Kern spanischer Tanzkapellen und Theaterorchester wie auch höfischer Kammermusik-Ensembles.
Andrew Lawrence-King und The Harp Consort haben ihr Programm in sechs Abschnitte eingeteilt, die die verschiedenen Stilrichtungen der Sammlung Henestrosas vorstellen.
Hier zum Abschluss das "Finale". Es beginnt mit den "Diferencias sobre Guárdame las vacas" von Henestrosa nach Narváez, darauf folgt die "Romance Paseábase el rey moro von Narváez" und "Paseábase glosado" von Palero/Henestrosa und es endet mit einer Improvisation nach Mudarra, Cabézon und Henestrosa.
* Musikbeispiele:
- Henestrosa & Narváez - Diferencias sobre Guárdame las vacas
- Narváez - Romance Paseábase el rey moro
- Palero/Henestrosa - Paseábase glosado
- Final - Improvisation nach Mudarra & Cabezón/Henestrosa
El arte de fantasía – Luis Venegas de Henestrosa
The Harp Consort
Leitung: Andrew Lawrence-King
Label: Harmonia mundi (USA)
Labelcode: LC 7045
Bestell-Nr.: HMU 907316
Um die "Kunst der Fantasie" geht es in der neuesten Einspielung von Andrew Lawrence-King und seinem Harp Consort, eine hochartifizielle Kunstform der Improvisation, wie sie am spanischen Hof Karls des V. gepflegt wurde. "El libro de cifra nueva" von Luis Venegas de Henestrosa ist eine umfangreiche Sammlung von Intavolierungen geistlicher und weltlicher Gesänge, in der die Werke der berühmtesten spanischen und franko-flämischen Komponisten wie Cabezón, Mudarra, Josquin Desprez und Crequillon zusammengestellt wurden. Darin enthalten sind aber ebenso Volkstänze und spanische villancicos wie französische Chansons und musikalisch höchst anspruchsvolle Fantasien oder tientos.
Henestrosa wollte dieser Musik nicht nur zu größerer Bekanntheit verhelfen oder Vokalmusik für Instrumente einrichten, sondern er bearbeitete sie auch in einer Art und Weise, wie sie heutzutage verpönt wäre, wie sie aber zu seiner Zeit üblich war. So fügte er zum Beispiel Abschnitte aus verschiedenen Werken zu einem neuen Pasticcio zusammen und schuf so ganz neuartige Stücke.
Schon in der Renaissance hatte es die strenge Trennung zwischen Komponisten und Musiker nicht gegeben, der Musiker war nicht nur Interpret, sondern zugleich auch immer ein Nachschöpfender. Der gekonnte improvisatorische Umgang mit Themen und Melodien, Verzierungen und formaler Umgestaltung gehörte zum Können eines guten Musikers. "Die Intavolierungen Henestrosas", so Andrew Lawrence-King, "sind deshalb nur ein Glied in einer Kette künstlerischen Schaffens, die Musiker unterschiedlicher Musikkulturen in einem Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte übergreifenden Zusammenwirken miteinander verbindet."
* Musikbeispiel: Enríquez de Valderrábano - Tiento sobre la Pavana real
Dies war ein Tiento sobre la Pavana real von Enríquez de Valderrábano.
Mit tiento wurden polyphon gesetzte Kompositionen für ein Solo-Instrument bezeichnet, in denen polyphone Ordnung und improvisatorische Freiheit miteinander verbunden wurden. "Die Kunst der Fantasie" wird in Henestrosas Sammlung in vielfältigen Formen dargestellt.
Da gibt es neben dem tiento und der fantasía, melodische glosas über franko-flämische Kirchenmusik sowie diferencias, Variationsfolgen, über romances und sogar die einfacheren cancíons werden von Henestrosa nach dem Vorbild franko-flämischer Vokalpolyphonie mit imitierendem Kontrapunkt und strenger Kanontechnik versehen. Im folgenden Unum colle deum, einer Warnung vor falschen Schwüren, gestaltete er eine 40-stimmige Motette mit zehn vierstimmigen Instrumentalchören zu einem strengen Kanon. Allerdings mussten die Musiker hier in die Trickkiste moderner Aufnahmetechnik greifen, um dieses Stück mit nur fünf Musikern realisieren zu können.
* Musikbeispiel: Henestrosa - Fuga a 40: Unum colle deum
Andrew Lawrence-King, der in dieser Aufnahme nicht nur die spanische Doppelharfe und die Renaissance-Harfe, sondern auch Orgel, Cembalo und Psalterium spielt, gilt als einer der weltweit führenden Interpreten alter Musik. Er arbeitet nicht nur als Solist sondern leitet auch Barockopern und Oratorien, ist dem Ensemble Hesperion XX seit vielen Jahren verbunden und gründete nach der Continuo-Gruppe "Tragicomedia" 1994 auch sein eigenes Ensemble, "The Harp Consort", mit dem er , vielfach ausgezeichnet, weltweit konzertiert.
Es gibt wenige Ensembles, die stilistisch und musikalisch so homogen zusammen musizieren wie Lawrence-King und sein Harp Consort. Diese geradezu innige Zusammenarbeit wird besonders deutlich in den eigenen Improvisationen, die auch in dieser Einspielung den besonderen Reiz ausmachen. Gerade hier zeigt sich die fundierte Kenntnis und Vertrautheit der Interpreten mit dieser Musik. Das Consort setzt sich hier zusammen aus Hille Perl - Viola da gamba, Lee Santana – Vihuela und Cister, Steven Player - Renaissance Gitarre und Perkussion sowie Helen Coombs – Orgel und Cembalo.
"El Libro de cifra nueva" von Henestrosa war das erste Tabulaturbuch für Tasteninstrumente oder Harfe, das im Druck erschienen ist, hatte allerdings Vorbilder, wie zu Beispiel die der Vihuelisten Mudarra, Pisador, Narváez, Valderrábano. Diese sind in Henestrosas Anthologie ebenso vertreten wie die Organisten Cabezón und Palero oder die Sänger Josquin, Crecquillon und Vásquez. Offensichtlich war ihr Repertoire an tientos, glosas, canciones und diferencias Gemeingut aller drei Instrumentengruppen, für die Hernestrosa seine Intavolierungen schrieb: tecla – Tasteninstrumente, arpa- Harfe und vihuela, baugleich mit der Gitarre aber meist wie eine Laute gestimmt, oder aber gestrichen als Viola da gamba.
Diese drei Instrumentenfamilien wie auch die mit Metallsaiten bezogenen Instrumente Cister und Psalterium galten als "vollkommen", weil sie sowohl zum Akkord- als auch zum Melodiespiel fähig waren, für den Solovortrag ebenso geeignet waren wie zur Begleitung von Sängern und zum Ensemblespiel, und sie bildeten den Kern spanischer Tanzkapellen und Theaterorchester wie auch höfischer Kammermusik-Ensembles.
Andrew Lawrence-King und The Harp Consort haben ihr Programm in sechs Abschnitte eingeteilt, die die verschiedenen Stilrichtungen der Sammlung Henestrosas vorstellen.
Hier zum Abschluss das "Finale". Es beginnt mit den "Diferencias sobre Guárdame las vacas" von Henestrosa nach Narváez, darauf folgt die "Romance Paseábase el rey moro von Narváez" und "Paseábase glosado" von Palero/Henestrosa und es endet mit einer Improvisation nach Mudarra, Cabézon und Henestrosa.
* Musikbeispiele:
- Henestrosa & Narváez - Diferencias sobre Guárdame las vacas
- Narváez - Romance Paseábase el rey moro
- Palero/Henestrosa - Paseábase glosado
- Final - Improvisation nach Mudarra & Cabezón/Henestrosa
El arte de fantasía – Luis Venegas de Henestrosa
The Harp Consort
Leitung: Andrew Lawrence-King
Label: Harmonia mundi (USA)
Labelcode: LC 7045
Bestell-Nr.: HMU 907316