Archiv


Musik für den Einen Gott

Am Bosporus entsteht derzeit ein außergewöhnliches interreligiöses Projekt. Bei "Music for the One God" - also "Musik für den Einen Gott" - bringen christliche, jüdische und muslimische Musiker gemeinsam die Lobesgesänge ihrer Religionen auf die Bühne. Eine Deutschlandtour ist für den kommenden Sommer geplant.

Von Luise Samman |
    "Das hier ist Byzantinische Musik - und Istanbul ist das eigentliche Zentrum dafür. Diese Musik finden Sie nur in griechisch-orthodoxen Kirchen, wir nutzen sie zum Beten. Manchmal auch für Konzerte - aber dann natürlich eigentlich nicht mit anderer religiöser Musik gemischt. "
    Padelis Zaphelis, Musikethnologe aus Griechenland, sitzt in einem kleinen Probenraum im Zentrum Istanbuls und lächelt freundlich hinter den runden Brillengläsern hervor. Nein, mit Sängern anderer Religionen haben er und die anderen fünf Männer seines byzantinischen Chors tatsächlich noch nie gemeinsam gesungen. Doch hier und heute ist alles anders: Während die Griechen sich einsingen, übt nur einen Raum weiter eine Gruppe Armenier, daneben proben sephardische Juden aus Istanbul - und irgendwo am Ende des Flurs trifft sich derweil der Sufi-Chor. Sandra Sinsch, historische Oboistin aus Deutschland, läuft mit leuchtenden Augen von einem Probenraum zum nächsten.

    "Das ist wie so ein Fenster, das man öffnet und dann in so eine ferne Zeit herein katapultiert wird, wo das alles eins war und alles wirklich friedlich nebeneinander lebte und auch miteinander musizierte. Ich glaube, das hat einfach den Modellcharakter. Also, was wir zusammen im Konzert und auf der Bühne realisieren können - wenn wir es können, dann kann man das auch draußen in der Welt."

    So ungefähr könnte er lauten, der Werbeslogan für das Projekt "Music for the One God". Knapp vierzig Musiker und Sänger unterschiedlichster Nationalität und Religionszugehörigkeit sind dafür in Istanbul zusammengekommen. Türkische, armenische, englische, griechische und deutsche Wortfetzen schwirren durch die Flure. Doch wer deswegen auch ein musikalisches Durcheinander erwartet, der irrt. Warum, erklärt Padelis Zaphelis aus Griechenland:

    "Meiner Meinung nach sind die Melodien bei uns allen die gleichen. Vielleicht mit unterschiedlichen Texten, unterschiedlichem Glauben. Aber die Musik an sich, ihre Weisen, ihre Melodien, sind gleich. Als Musikethnologe kann ich sagen, dass die östlich mediterrane Kultur in diesem Sinne einheitlich ist. Egal ob islamische oder auch arabische, ägyptische, griechische Lobeshymnen - oder die vom Balkan, aus Armenien und Serbien. Das ist das Gleiche."

    Dieses "Gleiche" ist es, was Organisator Mehmet Yesilcay - der jahrelang in Deutschland gelebt hat - mit seinem Projekt zeigen will. Gerade steht er mit einem sunnitisch-türkischen und einer syrianisch-christlichen Sängerin aus Deutschland beisammen, die sich an der Aussprache des jeweils anderen abmühen. "Hal-le-lu-ja" wiederholt Ahmet Özhan, ein bekannter türkischer Sänger, gewissenhaft den Text des jungen Mädchens. Später im Konzert werden sie ohne Bruch vom Syrianischen ins Türkische übergehen, vom christlichen zum islamischen Lobgesang - merklich am Text, nicht aber an der Melodie. Organisator Mehmet Yesilcay nickt zufrieden.

    "So wie die Psalmen, gibt es auch andere Stellen im Alten Testament, die für alle drei monotheistischen Religionen gelten. Nach solch verbindenden Worten haben wir für dieses Projekt gezielt gesucht. Aber natürlich funktioniert das nicht immer. Wir als Muslime können zum Beispiel sagen: Jesus ist ein Prophet - aber Mohammed ist auch ein Prophet. Für andere ist das schwieriger. Die Christen können unseren Glauben da nicht akzeptieren, die Juden verstehen die Christen nicht usw. Aber dennoch gibt es so viele Dinge, die uns vereinen! Deswegen ist dieses Konzert wie ein gemeinsames Gebet."

    Wie ein gemeinsames Gebet - Mehmet Yesilcay macht eine Bewegung, als wolle er die ganze Welt umarmen. Doch längst nicht überall stößt er mit solcher Rhetorik und solchen Ideen auf Begeisterung.

    "Wir haben versucht, Unterstützung von den Istanbuler Kommunen zu bekommen. Immerhin findet sich hier das Erbe aller Kulturen- auf den Friedhöfen liegen Muslime, Christen und Juden. Und trotzdem haben sie den Wert unseres Projekts einfach nicht verstanden.

    In Deutschland war es nicht besser: Nur die Katholische Kirche war sehr interessiert. Wir hatten eigentlich gedacht, dass eher die Protestanten offen reagieren würden. Aber im Gegenteil: Von dort bekamen wir zu hören: "Wie soll Musik für einen Gott möglich sein? Euer Gott ist einer und unserer ist ein anderer.""

    Doch Mehmet Yesilcay ließ sich nicht abschrecken. Bei der Premiere vergangene Woche in Istanbul standen schnauzbärtige Sufi-Sänger neben einem jüdischen und einem armenischen Kantor aus Istanbul, Padelis Zaphelis und sein byzantinischer Chor aus Griechenland wurde von türkischen Oud-Spielern begleitet und Sänger Ahmet Özhan brachte sein "Halleluja" erfolgreich über die Lippen, bevor Christen, Moslems und Juden alle gemeinsam Allah - also Gott - priesen.

    Finanziert wird das Projekt nun von der Europäischen Union und der türkischen Regierung - gerade die hat auf dem Gebiet religiöser Verständigung schließlich Imagepflege dringend nötig. Und ob es den Kirchenvertretern gefällt oder nicht - auch eine Deutschlandtour für den Sommer ist längst geplant.

    Mehr zum Projekt:

    Music for the one God