Ja, bei einem Konzert, da sehe ich dann die Musik wie auf eine Leinwand projiziert, das ist dann ganz farbig, vielleicht wie im Kino. Das wechselt auch ständig, die Musik ändert sich ja auch die ganze Zeit, die Farben ziehen dann einfach so vorbei, von links nach rechts. Und sobald ich ein Intervall deutlich als Intervall heraushöre, empfinde ich den Geschmack.
Für Elisabeth Sulser ist Musik mehr als Töne oder Tonfolgen. Jedes Musikstück und jedes Konzert bedeuten für sie eine farbenprächtige bittersüße Sinfonie. Die junge Musikerin hat eine Synästhesie. Das heißt, dass bei ihr mehrere Sinnesempfindungen miteinander gekoppelt sind. Und so weiß sie bereits seit ihrem 16. Lebensjahr, dass Töne nicht nur klingen, sondern wunderbar bunt sind.
Das C ist zum Beispiel rot, und das G blau, und das E braun, und das Fis violett, und das H silbrig, silbrig oder grau.
Elisabeth Sulser sieht aber nicht nur bunte und schillernde Töne. Sie kann sogar Tonintervalle erkennen - also den Frequenzabstand zwischen aufeinanderfolgenden Tönen. Und das vermag sie nicht nur mit dem Gehör, wie andere Musiker, sondern mit ihrem Geschmackssinn. Sulser:
Hier empfinde ich zum Beispiel Zucker, das war die große Terz....jetzt wieder Zucker....
Die Quinte schmeckt nach Wasser, eine kleine Sexte hingegen nach Sahne. Auch bitter und salzig sind vertreten und sogar der Geschmack von frisch gemähtem Gras.
Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Tonintervall, Sekunde, Terz, Quinte, Quarte, sind ja, sagen wir mal, keine natürlich gegebenen Reizkonstellationen, sondern um ein Tonintervall überhaupt zu verstehen, wahrzunehmen, muss man ein formales musikalisches Training absolviert haben. Und das ist eine spannende Geschichte: es ist zum ersten mal eine Synästhesie hier berichtet worden, wo eine formal erlernbare Wahrnehmung mit einem basalen Wahrnehmungsereignis gekoppelt wird, nämlich in diesem Fall Geschmack.
Der Neuropsychologe Lutz Jäncke von der Universität Zürich ist begeistert. Seit Jahren untersucht er sowohl Musiker als auch Menschen mit Synästhesien. Die Synästhesie ist ohnehin schon sehr selten. Nur circa 360 Fälle sind in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben. Und eine solche Tonintervall-Geschmacks-Synästhesie gab es bislang noch nie. Und nicht nur das: sie stellt die bisherigen Erklärungsversuche für das Phänomen Synästhesie auf den Kopf. Jäncke:
Normalerweise ist es so, dass bei Synästhesien davon ausgegangen wird, dass ein Zusammenhang zwischen zwei Wahrnehmungsaspekten automatisch existiert: Sie sehen einen Buchstaben und empfinden automatisch eine Farbe. Weil diese Automatizität vorliegt, gehen viele davon aus, dass es eine genetisch determinierte Variante des menschlichen Gehirns ist, wo möglicherweise Kopplungen existieren zwischen verschiedenen Wahrnehmungssystemen. In unserem Fall muss offenbar eine neue Verdrahtung entstanden sein zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fähigkeit, Tonintervalle wahrzunehmen. Und das ist eine völlig neue Variante, das heißt das Lernen kommt hier mit ins Spiel, Erfahrung kommt hier mit ins Spiel, wo die Synästhesie möglicherweise modifiziert worden ist.
Um diese neue Synästhesie-Variante genauer zu untersuchen, gaben Jäncke und sein Team der Musikerin verschieden schmeckende Lösungen von sauer, süß, bitter oder salzig auf die Zunge. Danach spielten sie ein Tonintervall und die Musikerin musste dieses erkennen. Wenn der Geschmack für sie zum Intervall passte, war sie deutlich schneller als Musiker aus der Kontrollgruppe. Wurde ihr jedoch ein süßer Geschmack statt eines bitteren auf die Zunge gestrichen, ihr dabei aber das Intervall für süß vorgespielt, reagierte sie wesentlich langsamer. Warum das so ist und was dabei im Gehirn abläuft, kann Jäncke derzeit noch nicht erklären. Für ihn bedeutet es jedoch, dass unser Gehirn auch außergewöhnliche Verbindungen herstellen kann, die sich später gezielt abrufen lassen. Und das wiederum könnte, wenn man es speziell trainiert, beim Lernen helfen.
Für Elisabeth Sulser ist Musik mehr als Töne oder Tonfolgen. Jedes Musikstück und jedes Konzert bedeuten für sie eine farbenprächtige bittersüße Sinfonie. Die junge Musikerin hat eine Synästhesie. Das heißt, dass bei ihr mehrere Sinnesempfindungen miteinander gekoppelt sind. Und so weiß sie bereits seit ihrem 16. Lebensjahr, dass Töne nicht nur klingen, sondern wunderbar bunt sind.
Das C ist zum Beispiel rot, und das G blau, und das E braun, und das Fis violett, und das H silbrig, silbrig oder grau.
Elisabeth Sulser sieht aber nicht nur bunte und schillernde Töne. Sie kann sogar Tonintervalle erkennen - also den Frequenzabstand zwischen aufeinanderfolgenden Tönen. Und das vermag sie nicht nur mit dem Gehör, wie andere Musiker, sondern mit ihrem Geschmackssinn. Sulser:
Hier empfinde ich zum Beispiel Zucker, das war die große Terz....jetzt wieder Zucker....
Die Quinte schmeckt nach Wasser, eine kleine Sexte hingegen nach Sahne. Auch bitter und salzig sind vertreten und sogar der Geschmack von frisch gemähtem Gras.
Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Tonintervall, Sekunde, Terz, Quinte, Quarte, sind ja, sagen wir mal, keine natürlich gegebenen Reizkonstellationen, sondern um ein Tonintervall überhaupt zu verstehen, wahrzunehmen, muss man ein formales musikalisches Training absolviert haben. Und das ist eine spannende Geschichte: es ist zum ersten mal eine Synästhesie hier berichtet worden, wo eine formal erlernbare Wahrnehmung mit einem basalen Wahrnehmungsereignis gekoppelt wird, nämlich in diesem Fall Geschmack.
Der Neuropsychologe Lutz Jäncke von der Universität Zürich ist begeistert. Seit Jahren untersucht er sowohl Musiker als auch Menschen mit Synästhesien. Die Synästhesie ist ohnehin schon sehr selten. Nur circa 360 Fälle sind in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben. Und eine solche Tonintervall-Geschmacks-Synästhesie gab es bislang noch nie. Und nicht nur das: sie stellt die bisherigen Erklärungsversuche für das Phänomen Synästhesie auf den Kopf. Jäncke:
Normalerweise ist es so, dass bei Synästhesien davon ausgegangen wird, dass ein Zusammenhang zwischen zwei Wahrnehmungsaspekten automatisch existiert: Sie sehen einen Buchstaben und empfinden automatisch eine Farbe. Weil diese Automatizität vorliegt, gehen viele davon aus, dass es eine genetisch determinierte Variante des menschlichen Gehirns ist, wo möglicherweise Kopplungen existieren zwischen verschiedenen Wahrnehmungssystemen. In unserem Fall muss offenbar eine neue Verdrahtung entstanden sein zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fähigkeit, Tonintervalle wahrzunehmen. Und das ist eine völlig neue Variante, das heißt das Lernen kommt hier mit ins Spiel, Erfahrung kommt hier mit ins Spiel, wo die Synästhesie möglicherweise modifiziert worden ist.
Um diese neue Synästhesie-Variante genauer zu untersuchen, gaben Jäncke und sein Team der Musikerin verschieden schmeckende Lösungen von sauer, süß, bitter oder salzig auf die Zunge. Danach spielten sie ein Tonintervall und die Musikerin musste dieses erkennen. Wenn der Geschmack für sie zum Intervall passte, war sie deutlich schneller als Musiker aus der Kontrollgruppe. Wurde ihr jedoch ein süßer Geschmack statt eines bitteren auf die Zunge gestrichen, ihr dabei aber das Intervall für süß vorgespielt, reagierte sie wesentlich langsamer. Warum das so ist und was dabei im Gehirn abläuft, kann Jäncke derzeit noch nicht erklären. Für ihn bedeutet es jedoch, dass unser Gehirn auch außergewöhnliche Verbindungen herstellen kann, die sich später gezielt abrufen lassen. Und das wiederum könnte, wenn man es speziell trainiert, beim Lernen helfen.