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Musik für Lawrence und Lara

Wo entstehen heute noch Jahrhundertmelodien, an die sich das Publikum auch nach vierzig Jahren noch erinnert? Einzig die Filmmusik bietet ihren Komponisten noch die Chance, zum Klassiker zu werden. Der Mann, dem das in den vergangenen vierzig Jahren gleich mehrfach gelang, war Franzose und lebte in den USA, weil dort Hollywood ist. Im Alter von 84 Jahren ist Maurice Jarre nun in Los Angeles gestorben.

Von Rüdiger Suchsland | 30.03.2009
    Am Ende sind es, auch für Filmkomponisten, dann doch nur ganz wenige Arbeiten, die einen unsterblich machen. Bei Maurice Jarre war es vor allem dieses Lied: "Lara's Song", die Filmmusik von "Doktor Schiwago", die noch mehr als der Film selbst, Mitte der 60er-Jahre um die Welt ging. Ein absoluter Ohrwurm:

    Er war einer der berühmten drei Musketiere des französischen Kinos, die seit Ende der 50er-Jahre die Filmmusik revolutionierten: Im Vergleich zu Georges Delerue, dem Komponisten der Nouvelle Vague, und zu Michel Legrand, dem jüngeren, amerikanischsten der drei, war Jarre der Romantiker, dem Gefühl und Atmosphäre wichtiger ist, als Effekt, der seine Einfälle immer in einen Gesamtzusammenhang wiederkehrender Themen und Leitmotive einordnet, und symphonisch denkt, wie ein klassischer Komponist.

    Er hatte das Gesicht eines freundlichen Kochs, aber er war ein bürgerlicher Mensch. Geboren wurde Maurice-Alexis Jarre 1924 in Lyon, die prägende Jahre als Schüler waren dominiert von Krieg und deutscher Besatzung.

    Nach der Befreiung begann Jarre dann mit einem klassischen Musik- und Kompositionsstudium am renommierten Pariser Konservatorium. Danach schuf er zunächst Musik für Theaterstücke, und lernte hier den Sinn für Spektakel, für unmittelbare Effekte, und gradlinige Wirkungen aufs Publikum.

    Mit Beginn der 50er wurde er dann Filmkomponist. Seine Weltkarriere begann aber erst zehn Jahre später, 1962 mit der Musik zu einem Film, die dem Publikum sofort neue Dimensionen öffnete, noch nie gesehene Bilder in noch nie gehörte Klangräume verwandelte.

    Das monumentalische Hauptthema von "Lawrence von Arabien", verbindet sich mit dem rauschhaften Farbenspiel einer Morgendämmerung über der Wüste und dem aufglühenden Himmel zum Eindruck einer geradezu übermenschlichen Schicksalsgewalt.

    Aber zur elegischen Pracht treten bei Jarre der Einfluss neuer ethnischer Klänge: Arabische Instrumente, Kitharazupfer, und afrikanische Trommeln. Schließlich setzte Jarre hier auch als einer der ersten Komponisten die Klänge elektronischer Synthesizer ein.

    Mit diesem Film begann nicht nur Jarres internationale Karriere, sondern auch eine konstante und gegenseitig überaus befruchtende Zusammenarbeit mit dem distinguierten britischen Regisseur David Lean. Auf "Lawrence ... " folgte "Schiwago", auf "Schiwago" "Ryans Tochter" und auf diesen 1984 "A Passage to India", für den Jarre seinen dritten und letzten Oscar erhielt.

    Mehr als 160 Filmmusiken hat er komponiert. Dabei waren seine Partner fast immer Regisseure, die mit ihm die bürgerliche europäische Herkunft teilten: Wie Alfred Hitchcock, für dessen fiebrigen Kalten-Kriegs-Thriller "Topaz" er arbeitete, wie Elia Kazan, Luchino Visconti und John Huston, oder auch der Deutsche Volker Schlöndorff, für dessen Grass-Verfilmung "Die Blechtrommel" er die Musik schrieb:

    Er hat viele Preise gewonnen, den letzten erst im Februar in Berlin, wo er bei der Berlinale einen Goldenen Bär für sein Lebenswerk erhielt. Jarre dessen Sohn Jean Michel seit den 70ern durch seine Synthesizermusik bekannt ist, hat sein Leben vor allem in der Schweiz verbracht. Aber gestorben ist er jetzt ausgerechnet in Los Angeles, der Hauptstadt des amerikanischen Kinos.

    Eine seiner letzten Filmmusiken war die für seinen langjährigen Partner Peter Weir. Das Stück stammt aus dessen "Club der toten Dichter" und heißt "Carpe Diem!", "Nutze den Tag!" .