"La Magdalene", so heißt der Titel der neuesten CD des belgischen Vokalensembles Graindelavoix unter der Leitung von Björn Schmelzer, die jetzt beim spanischen
Label glossa herauskam. Der Marienkult im frühen 16. Jahrhundert ist das Thema des jüngsten Programms, in dessen Mittelpunkt die groß angelegte "Missa de Sancta Maria Magdalena" von Nicolas Champion steht, einem zu Unrecht in Vergessenheit geratenen franko-flämischen Komponisten.
Im Studio begrüßt Sie dazu Christiane Lehnigk.
Nicolas Champion
Missa de Sancta Maria Magdalena
I. Ad missam
Kyrie
Graindelavoix
Es ist nun schon die vierte CD des vor zehn Jahren gegründeten belgischen Vokalensembles Graindelavoix und wie zuvor, ist auch diese neue Produktion überaus üppig ausgestattet. Das betrifft nicht nur die Klangaufnahme als solche, sondern auch die Ausarbeitung dieser unbekannten Musik, die wissenschaftliche Erschließung und die umfangreichen Ausführungen im fünfsprachigen Booklet. Darüber hinaus kann man sich die Gesangstexte in der jeweiligen Übersetzung im Internet auf der Homepage von glossamusic.com ansehen und herunterladen.
Einmal mehr hat Björn Schmelzer hier gezeigt, wie lohnenswert es sein kann, sich mit unbekannten Quellen zu befassen und in Archiven schlummernde Schätze zu heben.
Graindelavoix gehört zu den originellsten und innovativsten Ensembles im Bereich der Musik des Mittelalters und der Renaissance - und es konterkariert bewusst bisherige Hörgewohnheiten.
War es bis jetzt eher die Regel, solch eine Musik in möglichst großer "Reinheit", am liebsten "engelsgleich" aufgeführt zu bekommen, so vermengt Schmelzer hier bewusst die Klangfarben nach Art der Renaissance Meister in der Malerei. Dies erreicht er nicht nur durch die Mischung von Frauen- und Männerstimmen, sondern auch durch das Nebeneinander von unterschiedlich ausgebildeten Stimmen, was einen ganz neuen Interpretationsansatz bedeutet.
Dieses Nebeneinander verschiedener Traditionen, beim dem jeder Sänger mit seinem Timbre gleichberechtigt ist, mutet zunächst ganz ungewohnt an, fasziniert aber durch die hymnische Kraft des Gesangs, der kultiviert und wild zugleich ist. Das komponierte musikalische Pathos bekommt so eine berührende Intensität. Und es vereint zugleich die Traditionen der nordeuropäischen sakralen Gesangskultur mit der Volksmusik der Mittelmeerländer, wie sie heute zum Beispiel noch auf Korsika oder Sardinien zu hören ist.
Nicolas Champion
Missa de Sancta Maria Magdalena
I. Ad missam
Gloria
Graindelavoix
Dies war ein Ausschnitt aus dem Gloria der "Missa de Sancta Maria" von Nicolas Champion.
Der Marienkult um Maria Magdalena im frühen 16. Jahrhundert steht im Mittelpunkt der neuesten Produktion von Graindelavoix. Der Musikwissenschaftler, Ensemble-Leiter und Tenor Björn Schmelzer versucht bei seinen vielfältigen Projekten immer einen Zusammenhang herzustellen, zwischen der Musik und der Religion sowie der Kunst der Zeit. Dieser geistes- und kulturgeschichtliche Ansatz, der eine intensive Quellenforschung voraussetzt, führt hier zu einem der zentralen Themen zu Anfang des 16. Jahrhunderts vor der Reformation.
Der französische Humanist Jacques Lefèvre d'Etaples hatte in seiner Abhandlung "De Maria Magdalena" eine provokante These aufgestellt, die zwar nicht ganz neu, aber in ihrer Auswirkung weitreichend war. Lefèvre behauptete, dass sich die Figur der Maria eigentlich aus drei verschiedenen Frauen zusammensetze, die alle in den Evangelien erwähnt werden, aber erst später zu einer einzigen Gestalt vereint wurden: die namenlose Prostituierte, die Christi Füße im Haus des Pharisäers salbt, dann Maria Magdalena, die Frau, der Jesus sieben Dämonen exorzierte und die die erste Zeugin der Erscheinungen des Auferstandenen war, und schließlich Maria, die Schwester der Martha und des Lazarus, die sich für ein kontemplatives Leben entschied und sich nicht, wie ihre Schwester, zu Tode arbeitete.
Mit dieser Darstellung distanzierte sich Lefèvre, obwohl gläubiger Katholik, von der offiziellen kirchlichen Lehrmeinung und ging sogar soweit, dadurch die Existenz der Heiligen Maria Magdalena zu bestreiten. Die Diskussion um dieses Traktat und die massive Reaktion der Konservativen bestärkte nicht zuletzt die reformatorischen Bestrebungen.
Schnell weitete sich die Debatte auch über Paris, den französischen und burgundischen Hof hinaus aus und viele Darstellungen in der bildenden Kunst, vor allem in den Niederlanden, entstanden in direktem Zusammenhang mit dieser "Querelle".
Für Björn Schmelzer ist die Marienmesse von Nicolas Champion "das faszinierendste und wunderbarste Beispiel der Kunstwerke", die aufgrund der Auseinandersetzung von 1518 entstanden. Es ist eine Art theologische Abhandlung, ein Kommentar in Form einer vielteiligen Messe, die nicht nur einen, sondern mehrere Cantus firmi aufweist und sieben Antifonen, gregorianische Wechselgesänge, die von der Struktur her analog zu der Darstellung der drei verschiedenen Marienfiguren in Lefèvres Abhandlung angelegt sind. Dadurch sind die drei Phasen aus dem Leben der fiktiven Maria Magdalena und die drei verschiedenen Erscheinungsformen miteinander verknüpft.
Ob Champion mit seinem Werk aber wirklich die divergierenden Standpunkte - Marienverehrung und vermeintliche Historie - miteinander versöhnen wollte, muss, so Schmelzer, unbeantwortet bleiben.
Der affektreiche Musikstil, in dem Champion diese Messe komponierte, "Musica reservata" genannt, war damals en vogue und findet in der Renaissancegotik ihre Entsprechung, enthält aber auch Zitate und Manierismen aus früheren Stilen. Am auffälligsten sind die kontrastreichen Hell-dunkel-Schattierungen im Zusammenklang, die Vielfalt der rhythmischen Strukturen, die reichen Verzierungen nach französischem oder italienischem Stil, die Vielzahl rhetorischer Figuren sowie auch die improvisatorischen Elemente. Es ist eine reiche Musik, die Graindelavoix hier zum Leben erweckt hat, das Werk eines Komponisten, der zu Unrecht völlig in Vergessenheit geraten war.
Hier ein Ausschnitt aus der Sequenz "Mane prima sabbati", die das Ensemble mit einem Fauxbourdon ergänzt hat, einem typischen dreistimmigen Satz, bei dem die Stimmen, zur besseren Textverständlichkeit, parallel geführt werden.
"Oh süße und liebende Maria,
die wegen ihrer Werke Meerstern genannt wird
Du gleichst der Mutter Christi,
daher wirst du genauso genannt,
obwohl du ihr in Heiligkeit nachstehst."
Nicolas Champion
Missa de Sancta Maria Magdalena
I. Ad missam
Mane prima sabbati
Fauxbourdon
Viel hat Nicolas Champion offensichtlich nicht komponiert, oder zumindest gibt es darüber keine Nachweise - und auch über sein Leben ist wenig bekannt. Champion stammte aus der Gegend von Lüttich, wo er wahrscheinlich ausgebildet wurde. Er war zunächst als Sänger Mitglied der burgundischen Hofkapelle und begleitete Philipp den Schönen und Johanna von Kastilien bei ihren beiden Reisen nach Spanien.
Er war schon bald sehr angesehen, auch unter seinen Kollegen Pierre de la Rue, Alexander Agricola oder Mabriano de Orto. Auch nach dem Tod Philipps im Jahre 1506 blieb Champion zunächst noch Mitglied der Kapelle. Johanna reiste noch jahrelang mit dem Leichnam ihres Mannes im Sarg durch Kastilien und ließ den Chor der "Grande Chapelle" jede Nacht ein Requiem für ihn singen, bis ihr Vater Ferdinand der I. dem ein Ende bereitete und die "Wahnsinnige" in Tordesillas einkerkern ließ.
Daraufhin wurde die Hofkapelle aufgelöst und Champion kehrte nach Flandern zurück. Er wirkte zunächst am Hof der Margarete von Österreich in Mechelen, schloss sich später der Hofkapelle von Karl dem V. an und unternahm auch noch zwei weitere Spanienreisen. Schließlich ließ sich Champion in Lier nieder, wurde Kanonikus und erhielt 1519 bedeutende Pfründe an der Kirche St. Gummarus.
Obwohl Nicolas Champion zu Lebzeiten sehr angesehen war, litt sein Nachruhm doch unter dem übermächtigen Josquin des Prez, so wurde auch seine Vertonung des 130.Psalms, "De Profundis", lange Zeit als eine der besten Kompositionen von Des Prez angesehen. Und da sich nachweislich nur sechs Werke insgesamt erhalten haben, geriet Champion vollständig in Vergessenheit.
Björn Schmelzer und seinem Ensemble Graindelavoix ist es zu verdanken, dass mit dieser Aufnahme der fünfstimmigen "Missa de Sancta Maria Magdalena" ein Stück eigenständige Musik- und Zeitgeschichte wieder zum Klingen gebracht wurde.
Nicolas Champion
Missa de Sancta Maria Magdalena
I. Ad missam
Agnus Dei
Graindelavoix
Es ist deutlich zu hören, dass es Björn Schmelzer und seinem Ensemble Graindelavoix
hier, bei der Marienmesse von Nicolas Champion, nicht in erster Linie um einen "schönen" Klang ging, sondern einmal mehr um ein Experiment mit Klangfarben, bei dem jedoch eine klare Intonation am wichtigsten ist.
Aufgenommen ist die CD, auch als Referenz an die Renaissance-Gotik, in der Sint-Pauluskerk in Antwerpen, die so Schmelzer, passend zur Marien-Thematik, im Rotlichtviertel liegt. Dass auch der Raumklang nicht allzu geschönt und künstlich steril gemischt wurde, ist an ein paar Außengeräuschen wie dem Glockengeläut oder einem entfernt vorbeiknatternden Moped auszumachen, was sympathischerweise nicht herausgefiltert wurde.
Zusätzlich zu der Marienmesse von Champion sind auf der Aufnahme auch noch sechs französisch-flämische Chansons mit Instrumentalbegleitung enthalten, die inhaltlich mit dem Thema verbunden sind, wie zum Beispiel die Chanson "Joyssance vous donneray",
"Ich will dir Vergnügen bereiten, meine Liebe" von Claudin de Sermisy und Clémont Marot.
Claudin de Sermisy, Clément Marot
Joyssance vous donneray. Chanson & Basse danse
Graindelavoix, Solo-Sopran und Instrumente
Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute das neue Programm des Ensembles Graindelavoix vor, in dessen Mittelpunkt die "Missa de Sancta Maria Magdalena" von Nicolas Champion steht. Erschienen ist die CD mit dem Titel "La Magdalene" beim spanischen Label Glossa, im deutschen Vertrieb von note1. Im Studio verabschiedet sich, mit Dank für das Zuhören, Christiane Lehnigk.
La Magdalene
The cult of Mary magdalene in the early 16th century
Graindelavoix / Björn Schmelzer
GLOSSA Platinum GCD P32104
Label glossa herauskam. Der Marienkult im frühen 16. Jahrhundert ist das Thema des jüngsten Programms, in dessen Mittelpunkt die groß angelegte "Missa de Sancta Maria Magdalena" von Nicolas Champion steht, einem zu Unrecht in Vergessenheit geratenen franko-flämischen Komponisten.
Im Studio begrüßt Sie dazu Christiane Lehnigk.
Nicolas Champion
Missa de Sancta Maria Magdalena
I. Ad missam
Kyrie
Graindelavoix
Es ist nun schon die vierte CD des vor zehn Jahren gegründeten belgischen Vokalensembles Graindelavoix und wie zuvor, ist auch diese neue Produktion überaus üppig ausgestattet. Das betrifft nicht nur die Klangaufnahme als solche, sondern auch die Ausarbeitung dieser unbekannten Musik, die wissenschaftliche Erschließung und die umfangreichen Ausführungen im fünfsprachigen Booklet. Darüber hinaus kann man sich die Gesangstexte in der jeweiligen Übersetzung im Internet auf der Homepage von glossamusic.com ansehen und herunterladen.
Einmal mehr hat Björn Schmelzer hier gezeigt, wie lohnenswert es sein kann, sich mit unbekannten Quellen zu befassen und in Archiven schlummernde Schätze zu heben.
Graindelavoix gehört zu den originellsten und innovativsten Ensembles im Bereich der Musik des Mittelalters und der Renaissance - und es konterkariert bewusst bisherige Hörgewohnheiten.
War es bis jetzt eher die Regel, solch eine Musik in möglichst großer "Reinheit", am liebsten "engelsgleich" aufgeführt zu bekommen, so vermengt Schmelzer hier bewusst die Klangfarben nach Art der Renaissance Meister in der Malerei. Dies erreicht er nicht nur durch die Mischung von Frauen- und Männerstimmen, sondern auch durch das Nebeneinander von unterschiedlich ausgebildeten Stimmen, was einen ganz neuen Interpretationsansatz bedeutet.
Dieses Nebeneinander verschiedener Traditionen, beim dem jeder Sänger mit seinem Timbre gleichberechtigt ist, mutet zunächst ganz ungewohnt an, fasziniert aber durch die hymnische Kraft des Gesangs, der kultiviert und wild zugleich ist. Das komponierte musikalische Pathos bekommt so eine berührende Intensität. Und es vereint zugleich die Traditionen der nordeuropäischen sakralen Gesangskultur mit der Volksmusik der Mittelmeerländer, wie sie heute zum Beispiel noch auf Korsika oder Sardinien zu hören ist.
Nicolas Champion
Missa de Sancta Maria Magdalena
I. Ad missam
Gloria
Graindelavoix
Dies war ein Ausschnitt aus dem Gloria der "Missa de Sancta Maria" von Nicolas Champion.
Der Marienkult um Maria Magdalena im frühen 16. Jahrhundert steht im Mittelpunkt der neuesten Produktion von Graindelavoix. Der Musikwissenschaftler, Ensemble-Leiter und Tenor Björn Schmelzer versucht bei seinen vielfältigen Projekten immer einen Zusammenhang herzustellen, zwischen der Musik und der Religion sowie der Kunst der Zeit. Dieser geistes- und kulturgeschichtliche Ansatz, der eine intensive Quellenforschung voraussetzt, führt hier zu einem der zentralen Themen zu Anfang des 16. Jahrhunderts vor der Reformation.
Der französische Humanist Jacques Lefèvre d'Etaples hatte in seiner Abhandlung "De Maria Magdalena" eine provokante These aufgestellt, die zwar nicht ganz neu, aber in ihrer Auswirkung weitreichend war. Lefèvre behauptete, dass sich die Figur der Maria eigentlich aus drei verschiedenen Frauen zusammensetze, die alle in den Evangelien erwähnt werden, aber erst später zu einer einzigen Gestalt vereint wurden: die namenlose Prostituierte, die Christi Füße im Haus des Pharisäers salbt, dann Maria Magdalena, die Frau, der Jesus sieben Dämonen exorzierte und die die erste Zeugin der Erscheinungen des Auferstandenen war, und schließlich Maria, die Schwester der Martha und des Lazarus, die sich für ein kontemplatives Leben entschied und sich nicht, wie ihre Schwester, zu Tode arbeitete.
Mit dieser Darstellung distanzierte sich Lefèvre, obwohl gläubiger Katholik, von der offiziellen kirchlichen Lehrmeinung und ging sogar soweit, dadurch die Existenz der Heiligen Maria Magdalena zu bestreiten. Die Diskussion um dieses Traktat und die massive Reaktion der Konservativen bestärkte nicht zuletzt die reformatorischen Bestrebungen.
Schnell weitete sich die Debatte auch über Paris, den französischen und burgundischen Hof hinaus aus und viele Darstellungen in der bildenden Kunst, vor allem in den Niederlanden, entstanden in direktem Zusammenhang mit dieser "Querelle".
Für Björn Schmelzer ist die Marienmesse von Nicolas Champion "das faszinierendste und wunderbarste Beispiel der Kunstwerke", die aufgrund der Auseinandersetzung von 1518 entstanden. Es ist eine Art theologische Abhandlung, ein Kommentar in Form einer vielteiligen Messe, die nicht nur einen, sondern mehrere Cantus firmi aufweist und sieben Antifonen, gregorianische Wechselgesänge, die von der Struktur her analog zu der Darstellung der drei verschiedenen Marienfiguren in Lefèvres Abhandlung angelegt sind. Dadurch sind die drei Phasen aus dem Leben der fiktiven Maria Magdalena und die drei verschiedenen Erscheinungsformen miteinander verknüpft.
Ob Champion mit seinem Werk aber wirklich die divergierenden Standpunkte - Marienverehrung und vermeintliche Historie - miteinander versöhnen wollte, muss, so Schmelzer, unbeantwortet bleiben.
Der affektreiche Musikstil, in dem Champion diese Messe komponierte, "Musica reservata" genannt, war damals en vogue und findet in der Renaissancegotik ihre Entsprechung, enthält aber auch Zitate und Manierismen aus früheren Stilen. Am auffälligsten sind die kontrastreichen Hell-dunkel-Schattierungen im Zusammenklang, die Vielfalt der rhythmischen Strukturen, die reichen Verzierungen nach französischem oder italienischem Stil, die Vielzahl rhetorischer Figuren sowie auch die improvisatorischen Elemente. Es ist eine reiche Musik, die Graindelavoix hier zum Leben erweckt hat, das Werk eines Komponisten, der zu Unrecht völlig in Vergessenheit geraten war.
Hier ein Ausschnitt aus der Sequenz "Mane prima sabbati", die das Ensemble mit einem Fauxbourdon ergänzt hat, einem typischen dreistimmigen Satz, bei dem die Stimmen, zur besseren Textverständlichkeit, parallel geführt werden.
"Oh süße und liebende Maria,
die wegen ihrer Werke Meerstern genannt wird
Du gleichst der Mutter Christi,
daher wirst du genauso genannt,
obwohl du ihr in Heiligkeit nachstehst."
Nicolas Champion
Missa de Sancta Maria Magdalena
I. Ad missam
Mane prima sabbati
Fauxbourdon
Viel hat Nicolas Champion offensichtlich nicht komponiert, oder zumindest gibt es darüber keine Nachweise - und auch über sein Leben ist wenig bekannt. Champion stammte aus der Gegend von Lüttich, wo er wahrscheinlich ausgebildet wurde. Er war zunächst als Sänger Mitglied der burgundischen Hofkapelle und begleitete Philipp den Schönen und Johanna von Kastilien bei ihren beiden Reisen nach Spanien.
Er war schon bald sehr angesehen, auch unter seinen Kollegen Pierre de la Rue, Alexander Agricola oder Mabriano de Orto. Auch nach dem Tod Philipps im Jahre 1506 blieb Champion zunächst noch Mitglied der Kapelle. Johanna reiste noch jahrelang mit dem Leichnam ihres Mannes im Sarg durch Kastilien und ließ den Chor der "Grande Chapelle" jede Nacht ein Requiem für ihn singen, bis ihr Vater Ferdinand der I. dem ein Ende bereitete und die "Wahnsinnige" in Tordesillas einkerkern ließ.
Daraufhin wurde die Hofkapelle aufgelöst und Champion kehrte nach Flandern zurück. Er wirkte zunächst am Hof der Margarete von Österreich in Mechelen, schloss sich später der Hofkapelle von Karl dem V. an und unternahm auch noch zwei weitere Spanienreisen. Schließlich ließ sich Champion in Lier nieder, wurde Kanonikus und erhielt 1519 bedeutende Pfründe an der Kirche St. Gummarus.
Obwohl Nicolas Champion zu Lebzeiten sehr angesehen war, litt sein Nachruhm doch unter dem übermächtigen Josquin des Prez, so wurde auch seine Vertonung des 130.Psalms, "De Profundis", lange Zeit als eine der besten Kompositionen von Des Prez angesehen. Und da sich nachweislich nur sechs Werke insgesamt erhalten haben, geriet Champion vollständig in Vergessenheit.
Björn Schmelzer und seinem Ensemble Graindelavoix ist es zu verdanken, dass mit dieser Aufnahme der fünfstimmigen "Missa de Sancta Maria Magdalena" ein Stück eigenständige Musik- und Zeitgeschichte wieder zum Klingen gebracht wurde.
Nicolas Champion
Missa de Sancta Maria Magdalena
I. Ad missam
Agnus Dei
Graindelavoix
Es ist deutlich zu hören, dass es Björn Schmelzer und seinem Ensemble Graindelavoix
hier, bei der Marienmesse von Nicolas Champion, nicht in erster Linie um einen "schönen" Klang ging, sondern einmal mehr um ein Experiment mit Klangfarben, bei dem jedoch eine klare Intonation am wichtigsten ist.
Aufgenommen ist die CD, auch als Referenz an die Renaissance-Gotik, in der Sint-Pauluskerk in Antwerpen, die so Schmelzer, passend zur Marien-Thematik, im Rotlichtviertel liegt. Dass auch der Raumklang nicht allzu geschönt und künstlich steril gemischt wurde, ist an ein paar Außengeräuschen wie dem Glockengeläut oder einem entfernt vorbeiknatternden Moped auszumachen, was sympathischerweise nicht herausgefiltert wurde.
Zusätzlich zu der Marienmesse von Champion sind auf der Aufnahme auch noch sechs französisch-flämische Chansons mit Instrumentalbegleitung enthalten, die inhaltlich mit dem Thema verbunden sind, wie zum Beispiel die Chanson "Joyssance vous donneray",
"Ich will dir Vergnügen bereiten, meine Liebe" von Claudin de Sermisy und Clémont Marot.
Claudin de Sermisy, Clément Marot
Joyssance vous donneray. Chanson & Basse danse
Graindelavoix, Solo-Sopran und Instrumente
Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute das neue Programm des Ensembles Graindelavoix vor, in dessen Mittelpunkt die "Missa de Sancta Maria Magdalena" von Nicolas Champion steht. Erschienen ist die CD mit dem Titel "La Magdalene" beim spanischen Label Glossa, im deutschen Vertrieb von note1. Im Studio verabschiedet sich, mit Dank für das Zuhören, Christiane Lehnigk.
La Magdalene
The cult of Mary magdalene in the early 16th century
Graindelavoix / Björn Schmelzer
GLOSSA Platinum GCD P32104