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Musik fürs Radio

Mit ihrem neuen Album "India Urbana" setzt die Künstlerin Bê Ignacio mehr auf poppige Eingängigkeit statt wie bisher auf brasilianische Latin- und Jazz-Klänge. Die Songs habe sie absichtlich radiotauglich komponiert, was sie auch ein bisschen eingeschränkt habe, gesteht sie. Jazz und Soul sind dennoch weiterhin vertreten in ihrem Musikmix.

Von Milan Schlegel |
    "Wir bewegen uns ja eigentlich von der Worldmusic und Jazz-Musik, also eigentlich von Jahr zu Jahr immer ein Stückchen näher dem Pop zu, oder man kann es auch kommerzielle Musik nennen, obwohl ich das nicht so gerne mag, aber es ist so. Obwohl – ich hab ja mal einen Spruch gehört, kommerzielle Musik, da müsste man dann auch gut verdienen. Also ich frag mich noch, wo das Geld bleibt bei der kommerziellen Musik."

    Finanziell ist ihr Plan also schon mal nicht aufgegangen. Doch warum nähert sie sich dem Pop trotzdem so stark an? Bê Ignacio ist eine gute Sängerin, keine Frage. Doch Dancefloor-Rhythmen stehen ihr einfach nicht so gut wie die Klänge ihrer brasilianischen Heimat. "Back to the roots!" möchte man ihr zurufen, nachdem man die ersten drei Nummern des Albums gehört hat.

    "Diese drei Anfangstitel 'Sununga', 'Samba ê' und 'Vida Louca' haben wir mit Syndicate-Music produziert in München und das war dann schon auch wirklich bewusst, dass wir damit tatsächlich auch ins Radio wollen. Und so haben wir dann tatsächlich auch komponiert und produziert."

    Gut, das Ziel ist klar: Immer höher soll es hinausgehen, immer weiter will man auf der Chart-Leiter nach oben klettern, um vielleicht irgendwann die Spitze zu erreichen und sich ein Stückchen vom Prestige-Kuchen abzuschneiden. Aber dafür von etwas abrücken, was man liebt und mit Leidenschaft macht? Bê Ignacio beantwortet sich diese Frage fast schon selbst:

    "Bei den anderen Sachen muss man sich auch überhaupt nicht überlegen, wie klingt das, sondern man macht einfach so, wie es kommt. Ich glaube deswegen klingt das dann auch gleich freier. Das ist jetzt ein bisschen schwierig, darüber zu reden, finde ich, weil ich fühle mich ja bei den anderen Songs nicht weniger frei, aber das Radio hat ein Format und eine Farbe, die man erfüllen sollte. Und wenn man so Vorgaben hat als Künstler, ist es schon ein bisschen einschränkend. Und so war es bei den anderen Titeln nicht."

    Bê Ignacio scheint ebenso hin- und hergerissen zu sein wie ihr neues Album "India Urbana". Auf der einen Seite will sie mit "kommerzieller" Musik einen "Hit" landen – auf der anderen Seite will sie als die alte Bê auftreten – die stand für leichtfüßigen Barjazz mit lateinamerikanischer Note.

    Interessant ist die Gewichtung auf "India Urbana": Mit sieben zu drei sind die Jazz- und Soul-Nummern deutlich stärker vertreten als die vermeintlichen Charts-Nummern. Doch wie hat sie selbst eigentlich diese beiden Seiten auf dem Album wahrgenommen?

    "Verschieden, also bei der einen Seite in München mit Syndicate-Music eher diese Radiofarbe zu bekommen und bei der anderen Seite einfach zu machen, so wie man Spaß hat."

    Klingt ja fast schon nach: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Dabei ist es im Pop doch meist eher so: Nur was sich wirklich mühelos anhört, erreicht nicht nur die Ohren, sondern auch die Spitze der Charts.