Der griechische Mythos von Orpheus und Eurydike, vom Sänger, der zu seiner verstorbenen Geliebten in die Unterwelt hinabsteigt, um mit der Schönheit seines Gesanges die Herzen der Totengötter zu erweichen, diese alte Geschichte ist wie jeder Mythos zeitlos und modern. Denn Orpheus darf ja Eurydike nur dann in die Welt der Lebenden zurückführen, wenn er sich auf dem Weg nach oben nicht nach ihr umdreht und sie ihm vertrauensvoll folgt. Es geht also um Vertrauen, um Treue, um Mut, der aber beide verlässt, sie werden misstrauisch, insofern treulos, und ihr Glück geht im Orkus baden. Die Orpheus-Geschichte - eine Art Ehetest, ein Big-Brother-Experiment für Liebespaare. Die Unterwelt ist der Container, in dem das Paar auf Tauglichkeit für das Zusammenleben geprüft wird.
Der britische Regisseur Stephen Lawless hat in seiner Wiener Inszenierung von Glucks "Orfeo" auf diese Deutung des alten Stoffes gesetzt. Sein Orfeo und seine Euridice sind bei der fetzigen Ouvertüre ein lustiges Brautpaar von heute, das mit den Festgästen in einem historischen Saal zusammengekommen ist. Doch plötzlich stocken die Bewegungen, als würde ein Film angehalten, als käme Orfeo ins Grübeln über sich und seine "Beziehung". Und die nun folgende Geschichte von Tod und Hölle ist vom Regisseur gedacht als Konflikt und Reifungsprozess zweier für das Zusammenleben noch unreifer Menschen, denen es an Mut, Vertrauen und Treue fehlt. Aber genau hier steckt das Problem der Inszenierung: Der Regisseur hat sich das alles nur so gedacht, aber er hat es nicht konsequent und stringent ins Bild gesetzt. Sein Orfeo steigt nämlich wirklich in die Unterwelt hinab, wo ihn höllische Gestalten bedrängen. Die Angst und Einsamkeit in der Zweisamkeit thematisiert Lawless nicht. Das Gebirge, das Orfeo hinabsteigt, besteht aus schwarzen Instrumentenkästen. Zum Kerngedanken der Regie passt das überhaupt nicht, wie so vieles danebengeht. Darum scheitert Lawless auch an einer entscheidenden Herausforderung dieser Komposition. Gluck hat ja ein Happy End für die Liebenden gesetzt. Nachdem Orfeos Rettungsplan gescheitert ist und die Geliebte endgültig verloren zu sein scheint, erbarmen sich bei Gluck die Himmlischen des Paares, und Orfeo bekommt seine Euridice doch noch wieder. Wie glaubwürdig hätte das spätbarocke Deus ex Machina-Wunder in diesem psychologischen und aktualisierten Konzept real geerdet werden können! Die Beziehungskiste im Container wäre einfach zu einem guten Ende gekommen.
Ablenkung von dieser unfertigen Inszenierung boten die Musik und der Gesang, und das im Überfluss. An erster Stelle der amerikanische Countertenor Bejung Mehta, ein Verwandter des Dirigenten Zubin Mehta. Mit faszinierender Leichtigkeit schweifte sein Sopran durch sämtliche Lagen, flatterte in kunstvollen Verzierungen auf, verebbte nach exaltierten Volten im Pianissimo. Kleine Schönheiten waren auch der Sopran der Euridice von Miah Persson und der Sopran des Amors von Sunhae Im. Darstellerisch aber wurden sie in Stephen Lawless Inszenierung nicht heimisch. Dass der Chor und die Solisten die Ballett-Partien mit Pantomimen füllen mussten, machte die Sache nur schlimmer. Der Dirigent René Jacobs allerdings, das Freiburger Barockorchester und der Arnold Schönberg-Chor ließen die Wiener Urfassung der Partitur von 1762 mit gewohnter musikantischer Spielfreude und filigraner Detailarbeit erklingen. Die wenigen Intonationsschwierigkeiten und Ungenauigkeiten kann man vernachlassigen. Aber leider leidet alles, wenn die Inszenierung nicht greift.
Der britische Regisseur Stephen Lawless hat in seiner Wiener Inszenierung von Glucks "Orfeo" auf diese Deutung des alten Stoffes gesetzt. Sein Orfeo und seine Euridice sind bei der fetzigen Ouvertüre ein lustiges Brautpaar von heute, das mit den Festgästen in einem historischen Saal zusammengekommen ist. Doch plötzlich stocken die Bewegungen, als würde ein Film angehalten, als käme Orfeo ins Grübeln über sich und seine "Beziehung". Und die nun folgende Geschichte von Tod und Hölle ist vom Regisseur gedacht als Konflikt und Reifungsprozess zweier für das Zusammenleben noch unreifer Menschen, denen es an Mut, Vertrauen und Treue fehlt. Aber genau hier steckt das Problem der Inszenierung: Der Regisseur hat sich das alles nur so gedacht, aber er hat es nicht konsequent und stringent ins Bild gesetzt. Sein Orfeo steigt nämlich wirklich in die Unterwelt hinab, wo ihn höllische Gestalten bedrängen. Die Angst und Einsamkeit in der Zweisamkeit thematisiert Lawless nicht. Das Gebirge, das Orfeo hinabsteigt, besteht aus schwarzen Instrumentenkästen. Zum Kerngedanken der Regie passt das überhaupt nicht, wie so vieles danebengeht. Darum scheitert Lawless auch an einer entscheidenden Herausforderung dieser Komposition. Gluck hat ja ein Happy End für die Liebenden gesetzt. Nachdem Orfeos Rettungsplan gescheitert ist und die Geliebte endgültig verloren zu sein scheint, erbarmen sich bei Gluck die Himmlischen des Paares, und Orfeo bekommt seine Euridice doch noch wieder. Wie glaubwürdig hätte das spätbarocke Deus ex Machina-Wunder in diesem psychologischen und aktualisierten Konzept real geerdet werden können! Die Beziehungskiste im Container wäre einfach zu einem guten Ende gekommen.
Ablenkung von dieser unfertigen Inszenierung boten die Musik und der Gesang, und das im Überfluss. An erster Stelle der amerikanische Countertenor Bejung Mehta, ein Verwandter des Dirigenten Zubin Mehta. Mit faszinierender Leichtigkeit schweifte sein Sopran durch sämtliche Lagen, flatterte in kunstvollen Verzierungen auf, verebbte nach exaltierten Volten im Pianissimo. Kleine Schönheiten waren auch der Sopran der Euridice von Miah Persson und der Sopran des Amors von Sunhae Im. Darstellerisch aber wurden sie in Stephen Lawless Inszenierung nicht heimisch. Dass der Chor und die Solisten die Ballett-Partien mit Pantomimen füllen mussten, machte die Sache nur schlimmer. Der Dirigent René Jacobs allerdings, das Freiburger Barockorchester und der Arnold Schönberg-Chor ließen die Wiener Urfassung der Partitur von 1762 mit gewohnter musikantischer Spielfreude und filigraner Detailarbeit erklingen. Die wenigen Intonationsschwierigkeiten und Ungenauigkeiten kann man vernachlassigen. Aber leider leidet alles, wenn die Inszenierung nicht greift.