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Musik in Weimar
Als Symphonion und Salon-Konzerte konkurrierten

"Musik in Weimar um 1900" will die bedeutenden Institutionen und Protagonisten der Zeit um 1900 ins Licht der Gegenwart rücken. Kuratorin Christiane Wiesenfeldt schildert im DLF-Interview das "breite Themen- und Quellenpanorama" der Ausstellung.

Christiane Wiesenfeld im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Der Platz der Demokratie in Weimar.
    Ein Kulturort europäischen Ranges: Weimar, hier der Platz der Demokratie. (dpa/Friedel Gierth)
    Christoph Schmitz: Wenn Weimar als Kulturort europäischen Ranges in den Blick gerät, dann werden meistens drei Zeitabschnitte als prägend genannt. Das "goldene" Zeitalter mit Goethe, Schiller, Herder, Wieland um 1800, das "silberne" Zeitalter mit Franz Liszt in der zweiten Hälfte von 1800 und schließlich das, ja, "bronzene" möchte man eigentlich gar nicht sagen, weil es so unglaublich einflussreich weltweit gewesen ist. Gemeint ist die Moderne um 1920, die Zeit des staatlichen Bauhauses. Bei diesem Dreischritt bleibt aber aus musikhistorischer Sicht die nicht unbedeutende Epoche des Fin de Siècle in Weimar außen vor, jene epochale Nahtstelle zwischen Tradition und Moderne. So sieht das jedenfalls die Hochschule für Musik Franz Liszt und die Klassik Stiftung Weimar. Gemeinsam haben sie darum zusammen mit Studenten der Musikwissenschaft eine Ausstellung erarbeitet. Seit gestern Abend ist sie im Weimarer Schloss zu sehen unter dem Titel: "Musik in Weimar um 1900", kuratiert von der Musikprofessorin Christiane Wiesenfeldt.
    Ihre Ausstellung will die bedeutenden Institutionen und Protagonisten um 1900 ins Licht rücken. Wer waren die, habe ich Christiane Wiesenfeld zuerst gefragt?
    Christiane Wiesenfeld: Wir haben vor allen Dingen entdeckt, dass die ehemaligen Präsidenten der heutigen Musikhochschule, die zu seiner Zeit noch Orchesterschule hieß, in der Regel Komponisten waren, also Musiker, die praktisch ausgerichtet waren und eben weniger wie heute jetzt Manager einer Institution sind, sondern am Musikleben Weimars aktiv teilhatten. Da wäre zum Beispiel der Name Waldemar von Baußnern zu nennen, ein Rektor der Weimarer Hochschule zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der vielseitig komponiert hat und auch dort wiederum alles, vom Streichquartett, was wir im Rahmen der Ausstellungseröffnung auch hören konnten, bis hin zu recht einfachen Liedern zur Laute dann für den volkstümlichen Nutzen. Das ist ein Name, der uns in dem Rahmen begegnet ist.
    Schmitz: Welche Rolle spielte denn die bürgerliche Kultur überhaupt mit ihrem ja sehr klassischen Selbstverständnis bei der Begegnung mit den neuen Strömungen in der Musik? War man offen? Hat man das Neue aufgenommen?
    Wiesenfeld: In jedem Fall. Wir haben in Weimar eine Institution, die dafür federführend war. Das ist der Allgemeine Deutsche Musikverein, eine Konzertveranstalter-Organisation, die von Franz Liszt mitgegründet worden ist im 19. Jahrhundert und der bis in die 1930er-Jahre hinein, wo er sich dann auf Druck der Reichsmusikkammer auflösen musste, verantwortlich war für zahlreiche Konzertprogramme internationalen Zuschnitts. Man hat in Weimar, aber auch generell in Thüringen relativ viele Konzerte durch den ADMV gefördert, wo man auch neues Repertoire hören könnte zu der Zeit.
    Schmitz: Zum Beispiel?
    Wiesenfeld: Man hat zu der Zeit relativ schnell die Werke von Richard Strauss aufs Programm gesetzt. Ebenso von anderen Komponisten wie etwa Engelbert Humperdinck haben wir sofort auf den Programmen, sowohl des Hoftheaters als auch des ADMV Werke.
    Schmitz: Die Großherzöge von Weimar waren ja in der "Goldenen" und "Silberne" Zeit die Financiers und Förderer des kulturellen Fortschritts gewesen. Wie war das zu Beginn von 1900, also kurz vor dem Ende der Monarchie, in Deutschland?
    Wiesenfeld: Ja, da nimmt das Ganze eine sehr interessante Wendung. Einerseits muss man sich vorstellen, dass natürlich weiterhin die Hofkultur mit Salon-Konzerten und auch Förderung Einzelner im Weimarer Konzertleben fortgesetzt wurde. Da gibt es eine Kontinuität. andererseits richten sich aber die Interessen, wie man ja zum Beispiel an dem Wiederaufbau der Wartburg sehen kann und verschiedenen Werken, die in dem Zusammenhang dann entweder beauftragt, oder dem Herzogshaus gewidmet worden sind, geht es in eine Richtung der nationalen Selbstvergewisserung, die in dem Rahmen dann gepflegt wird und auch Repertoire zeitigt. Das hängt zusammen, so dass das Herzogshaus in diesem Fall teilhat an einer gesamtdeutschen Bewegung, die man vielleicht vorsichtig mit dem Begriff Patriotismus bezeichnen könnte und an dem natürlich dann auch verschiedene Repertoires ihren Anteil haben.
    Schmitz: Nun einmal konkret zu dem, was man sehen kann in Ihrer Ausstellung, Frau Wiesenfeld. In sechs thematische Sektionen haben Sie die Ausstellung aufgeteilt. Konkret: Was gibt es zu sehen und zu hören?
    Wiesenfeld: Das beginnt sowohl bei Gästelisten des Theaters zur Wiedereinweihung, wo man sehen kann, dass zahlreiche, international renommierte Persönlichkeiten, darunter auch zahlreiche Komponisten in Weimar extra angereist sind, um diese Eröffnung zu sehen. Wir haben zur Alltags- und Festkultur in Weimar um 1900 unterschiedliche Exponate versammelt, zum Beispiel ein sogenanntes Symphonion. Das ist ein Musikapparat, den man vielleicht als Vorläufer unserer heutigen Jukebox bezeichnen könnte, in den man eine Münze einwirft, dann einmal kurbelt und eine Metallplatte auflegen kann, auf der dann jeweils über Tonabnehmer des Gerätes die Musik erklingt. Wir haben aber auch ganz klassische Exponate, natürlich Musikalien, Fotografien, Programme von verschiedenen Konzerten versammelt und auch nicht zuletzt Eko-Dokumente, also handschriftliche Dokumente, so dass wir zeitgleich mit dem breiten Themenpanorama auch ein sehr breites Quellenpanorama zeigen können.
    Schmitz: Christiane Wiesenfeldt, Kuratorin der Ausstellung "Musik in Weimar um 1900".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.