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Musik stört mehr als Hundebellen

Psychologie. - Jeder zweite Deutsche fühlt sich von Lärm belästigt. Nicht nur im Straßenverkehr wartet der Krach, auch zuhause, in den eigenen vier Wänden, ist niemand vor ungebetener Geräuschkulisse sicher. Auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Akustik in Miami wurden in dieser Woche neue Studien zur Wahrnehmung von Lärm vorgestellt.

Von Guido Meyer |
    Von jedem ein bisschen: etwas Fernsehen, ein wenig Unterhaltung, laute Musik und noch mehr. Dies sind die typischen Geräusche, denen sich Menschen zuhause, in ihren eigenen vier Wänden, ausgesetzt sehen. Amerikanische Psychologen wollten wissen, wie sehr sie einerseits dieser Lärm stört und ob er andererseits ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, zum Beispiel bei Heimarbeitern.

    " Wir haben 100 Personen untersucht, die sich für den Kauf eines Hauses interessierten. Zunächst haben wir sie gefragt, ob sie sich in ihrem bisherigen Zuhause von Lärm belästigt fühlten, welche Geräusche regelmäßig aufträten und welche besonders nervig seien. "

    Harry Alter hat mit Kollegen seiner Firma Owens Corning Science Technology in Granville im US-Bundesstaat Ohio ein Lärm-Labor entwickelt, das Acoustic Research Experience Laboratory (AREL). Dieses Labor ist von allen Geräuschen der Außenwelt abgeschirmt - mit Ausnahme derjenigen, die von einem Nachbarraum aus dem Probanden durch die Wände vorgespielt werden. Die vier Seiten des Raums sind mit vier Typen von mehr oder weniger schallschluckenden Materialien verkleidet. Jeweils vier Sekunden lang wurden die Teilnehmer durch jeweils eine Wand beschallt. Zunächst mit Top-40-Musik aus dem Radio, dann mit der Übertragung eines Hockey-Spiels im Fernsehen gefolgt von einer viersekündigen Unterhaltung vieler Personen und schließlich ein viersekündiges Potpourri verschiedener Geräusche wie dem Stimmen eines Instruments, spielenden Kindern oder Krach in der Küche.

    Obschon der Geräuschpegel aller vier Einspielungen ungefähr gleich war, empfanden die Testpersonen die Musik aus dem Radio als am lautesten - und damit am störendsten, wie Alicia Wagner erklärt vom Architektur-Ingenieurs-Programm der Universität von Nebraska.

    " In unserer Studie haben die Probanden die Musik wahrscheinlich deswegen als am störendsten empfunden, weil das Signal durchgehend gleich laut war. An zweiter Stelle kam das Potpourri mit Geräuschen aus der Küche, dem Üben eines Musikinstruments, bellenden Hunden und ähnlichem. Dabei handelt es sich um unregelmäßige Geräusche, sowohl von der Lautstärke wie von ihrem Auftreten her. Beim Arbeiten werden solche Variationen als sehr störend empfunden. "

    Während des Versuchs wurden die Probanden gebeten, Aufgaben zu lösen: ein Sudoku, mathematische Rechnungen, verbale Fragen und Tippen eines Textes auf der Tastatur. Hier zeigte sich nun das erstaunliche Ergebnis, dass die Störgeräusche von nebenan die Ergebnisse dieser Tests nicht negativ beeinflusst haben. Das individuelle Sich-gestört-Fühlen korreliert also nicht mit der Leistungsfähigkeit der Person. Alicia Wagner hat eine mögliche Erklärung:

    " Die meisten Menschen sind in der Lage, einen Ausgleich dafür zu schaffen, wenn sie sich abgelenkt fühlen. Sie konzentrieren sich dann einfach mehr und können die Aufgaben dennoch erfüllen. Es gibt jedoch dazu noch keine Langzeitstudien. Es ist gut möglich, dass sich die Personen am Ende eines Tages müde und ausgelaugt fühlen, was sich nach einer Stunde noch nicht zeigt. "