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Musik
Vom Kampf zum Tanz

Gegensätze ziehen sich an. Im Fall der beiden englischen Musiker Louise Rhodes und Andy Barlow stimmt es ausnahmsweise wirklich. Schon seit 1996 machen die beiden unter dem Namen Lamb gemeinsam Musik. Anfangs war die Atmosphäre oft angespannt, heute sind Musik und Musiker entspannter, wie auch das neue Album "Backspace Unwind" zeigt.

Von Anke Behlert | 11.10.2014
    Lamb sind ein seltsames Paar. Sängerin Lou Rhodes ist Ende 40, wirkt aber viel jünger in ihrem stylishen, halbtransparenten Oberteil und der bunten Leggins. Produzent Andy Barlow ist braun gebrannt, leger in Jeans und Pullover gekleidet und fast zehn Jahre jünger. Vor allem zu Beginn ihrer Karriere war die Atmosphäre innerhalb der Band deshalb oft angespannt. Rhodes hatte ihre kleinen Kinder mit auf Tour, während Barlow sich ganz dem Partyleben hingab. Außerdem kamen beide musikalisch aus völlig gegensätzlichen Richtungen. Barlow war der Technik- und Computergeek, der gerne an verschachtelten Beats bastelte. Rhodes war mit Folkmusik aufgewachsen. Hört man die Songs ihres ersten Albums an, klingt es oftmals so, als würden zwei unterschiedliche Stücke um die Oberhand kämpfen. Heute sind Musik und Musiker entspannter, sagt Lou Rhodes.
    "Wir waren einfach zwei sehr unterschiedliche Personen, die ums Überleben gekämpft haben. Heute ist es viel harmonischer. Die Unterschiede gibt es immer noch, wir gehen aber anders damit um. Wir benutzen sie nicht mehr, um uns gegenseitig fertigzumachen. Es ist eher wie Tanz, als ein Kampf."
    Nach ihrem Debüt 1996 veröffentlichten Lamb drei weitere Alben auf denen sie sich vom Trip Hop immer mehr Richtung Pop bewegten und ihren elektronischen Sound mit akustischen Instrumenten erweiterten. Der große Durchbruch blieb aber aus und 2004 schließlich beschlossen beide, die Band vorerst auf Eis zu legen. Danach verfolgten Rhodes und Barlow einige Jahre ihre Soloprojekte, bevor sie 2011 wieder gemeinsam ins Studio gingen. Mit ihrem fünften Album "5" wollten sie zum Kern der Band zurückkehren.
    "Bevor wir "5" geschrieben haben, haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, was Lamb eigentlich ist und was es nicht ist. Und Lamb ist nun mal kein Sammelbecken für akustische Musik. Wir mussten das strikt trennen. Lamb ist Andys technischer Input und mein Gesang, das können wir einfach am besten. Zwei sehr unterschiedliche Dinge, die zusammengeworfen werden und aus denen etwas entsteht, das keiner von uns alleine hinbekommen würde."
    "We fall in love"
    Mit ihrem neuen Album "Backspace Unwind" setzen sie das Reduzieren fort: elektronische Beats, Klavier und schimmernde Synthesizer, dazu Lou Rhodes zart hauchender Gesang. Mehr braucht es meistens nicht. Bei einigen Songs sorgen Streicher für etwas mehr Drama.
    "What makes us humans"
    Den größten Teil der Songs haben Lamb in Andy Barlows Studio in der Nähe von Brighton aufgenommen. Es liegt auf einem Hügel und hat, neben einer tollen Aussicht, alles, was die beiden brauchen.
    "Wir wollen uns zu Hause fühlen und unser eigenes Essen kochen. Viele Bands gehen gerne in ein teures Studio in der Stadt. Aber wir wollen lieber unseren eigenen Raum haben."
    "Shines likes this"
    Weltraum, Sterne und Satelliten tauchen in Lou Rhodes Texten auf. In den Songs funkeln hier und da spacige Blips und Blops aus dem dunklen Hintergrundbrummen. Space, also Raum oder Weltraum, ist der rote Faden des Albums sagen Andy Barlow und Lou Rhodes.
    "Ich wollte etwas mehr Raum in den Songs, sie sollten weniger produziert klingen, als die letzten Alben."
    "Ich weiß auch nicht, warum der Weltraum so oft auftaucht. Ich denke es hatte etwas damit zu tun, dass ich eine Art Schreibblockade hatte, als wir mit der Platte angefangen haben. Es ist unser sechstes Album, ich war gerade mit meinem vierten Soloalbum fertig geworden und nachdem ich so viele Songs geschrieben hatte, dachte ich: Was gibt es noch zu sagen? Also habe ich mich im frei assoziierenden Schreiben versucht. Und da kamen einfach viele Sachen mit Raum und Space heraus."
    "As satellites go by"
    Lambs charakteristische Kombination aus sperrigen Rhythmen und schönem Gesang eignet sich wunderbar zum träumen. Man fühlt sich von ihren Songs nicht verstört, denn auf "Backspace Unwind" kämpft keines der Songelemente mehr um die Oberhand. Leider reichen die Songs in Sachen Intensität und Düsternis nicht an die ihrer Genre-Kollegen Portishead ran. Auch wenn sich niemand wünscht, dass sich Lou Rhodes und Andy Barlow wieder gegenseitig zur Weißglut treiben, ein bisschen mehr Reibungsfläche darf es gerne sein.