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Musik von César Franck und Ernest Chausson
Ein Geiger und sein Schüler

Die Geigerin Isabelle Faust und der Pianist Alexander Melnikov widmen sich auf ihrer neuen CD der populären A-Dur Violinsonate von César Franck. In einer nicht alltäglichen Kopplung beschäftigen sie sich zudem mit dem weit weniger bekannten und immer noch selten aufgeführten Konzert für Klavier, Violine und Streichquartett d-Moll von Ernest Chausson.

Von Norbert Hornig | 11.06.2017
    Der französische Komponist belgisch-deutscher Herkunft César Franck
    Der französische Komponist belgisch-deutscher Herkunft César Franck (picture alliance / dpa )
    Schon seit vielen Jahren arbeiten sie erfolgreich zusammen: die Geigerin Isabelle Faust und der Pianist Alexander Melnikov. Ihre gemeinsamen Aufnahmen stellten auch sehr bekannte und interpretatorisch scheinbar ausgeschöpfte Werke des Kammermusikrepertoires in ein neues Licht. Auf geradezu sensationelle Weise war dies in ihrer Einspielung sämtlicher Beethoven-Violinsonaten geschehen. Auf ihrer neuen CD bei Harmonia Mundi widmen sie sich nun der populären A-Dur Violinsonate von César Franck und, in einer nicht alltäglichen Kopplung, dem weit weniger bekannten und immer noch selten aufgeführten Konzert für Klavier, Violine und Streichquartett d-Moll von Ernest Chausson.
    Musik: César Franck, aus: Violinsonate A-Dur, 1. Satz, Isabelle Faust (Violine), Alexander Melnikov (Klavier)
    Entspannt, verhalten und tastend klingt der Beginn von César Francks Violinsonate, in einem dosiertem Spannungsverlauf lassen Isabelle Faust und Alexander Melnikov daraus einen großartigen Kosmos erwachsen, der in mannigfaltigen Klangfarben leuchtet und dynamisch abgestuft ist. Sie entschlüsseln das Werk in seiner enormen Vielschichtigkeit, bringen den Reichtum an Farben, Schattierungen und Zwischentönen hervor – und setzen wieder einmal Maßstäbe. Isabelle Faust kultiviert einen leichten, oft geradezu schwerelosen Klang, Vibrato setzt sie sehr überlegt und eher dezent ein. Ohnehin geht sie nie verschwenderisch mit diesem Ausdrucksmittel um, obwohl ein hochromantisches Stück wie Francks Violinsonate manchmal regelrecht dazu verleitet. So erscheint Francks Violinsonate hier in einem neuen Klanggewand, wobei auch das verwendete Instrumentarium eine wesentliche Rolle spielt. Isabelle Faust spielt auf einer darmbesaiteten Stradivari-Geige, der "Vieuxtemps" von 1710, Alexander Melnikov ist auf einem weich und klanglich dunkel eingefärbten Érard-Flügel zu hören, der um 1885 gebaut wurde.
    Musik: César Franck, aus: Violinsonate A-Dur, 2. Satz, Isabelle Faust (Violine), Alexander Melnikov (Klavier)
    César Franck komponierte die A-Dur-Violinsonate im Jahre 1886 und machte sie seinem Freund Eugène Ysaÿe zum Hochzeitsgeschenk. Der berühmte belgische Geiger brachte das Werk im Dezember 1887 mit der Pianistin Léontine Marie Bordes-Pène in der Pariser Société National zur Uraufführung. Der Erfolg war durchschlagend. Seitdem gehört die Sonate zum eisernen Bestand des Kammermusikrepertoires. Es ist ein Meisterwerk, das dem Geiger und dem Pianisten, der einen ungewöhnlich schweren Part zu bewältigen hat, einen enormen gestalterischen Freiraum bietet. Auch formal verlässt das Werk das gewohnte Schema. Die vier Sätze hat Franck mit besonderer handwerklichen Sorgfalt zyklisch miteinander verknüpft, alle wesentlichen thematischen Gestalten lassen sich vom pastoralen Anfangsthema des ersten Satzes mit seiner charakteristischen Terz-Bewegung ableiten. So schließt sich über der Sonate ein großer Spannungsbogen, der von den Interpreten mit langem Atem aufgebaut und erhalten werden muss. Das gelingt Isabelle Faust und Alexander Melnikov, neben aller Arbeit am Detail, sehr gut. Im Finale münden das Hauptthema und Gedanken aus den drei vorherigen Sätzen in eine fulminante Schlusssteigerung.
    Musik: César Franck, aus: Violinsonate A-Dur, 4. Satz (Finale), Isabelle Faust (Violine), Alexander Melnikov (Klavier)
    Die Kopplung der A-Dur-Violinsonate von César Franck mit dem Konzert für Klavier, Violine und Streichquartett von Ernest Chausson ist ungewöhnlich, aber gleich aus mehreren Gründen sehr plausibel. Ernest Chausson war nämlich Kompositionsschüler von César Franck am Pariser Konservatorium, und sein Konzert op. 21 ist ebenfalls dem Geiger Eugène Ysaÿe gewidmet, der am 4. März 1892 auch Solist der Uraufführung in Brüssel war. Ysaÿe nahm das Konzert, wie auch die Violinsonate von César Franck, häufig in seine Konzertprogramme auf.
    Das viersätzige Chausson-Konzert ist eine großformatige Komposition von rund einer Dreiviertelstunde Spieldauer. Mit seiner zyklischen Form, seiner Harmonik und seinem lyrischen Charakter knüpft das Werk an die Tonsprache von César Franck an, es zeigt aber auch schon deutliche Merkmale des neuen, auf Debussy verweisenden impressionistischen Stil, den Chausson in Frankreich mitbegründete. Die große kammermusikalische Besetzung mit Klavier führt zu einer gesteigerten Wirkung der Klangfarben. Durch die üppige Chromatik und die vielen Modulationen erhält der ersten Satz einen reizvoll schillernden Glanz.
    Musik: Ernest Chausson, aus: Konzert für Klavier, Violine und Streichquartett d-Moll, 1. Satz (Ausschnitt), Alexander Melnikov (Klavier), Isabelle Faust (Violine), Salagon Quartett
    Der klangliche Gesamteindruck dieser Aufnahme wird maßgeblich bestimmt durch die Mitwirkung des Salagon Quartetts. In diesem seit 2004 bestehenden Ensemble haben sich mit Christine Busch, Lisa Immer, Sebastian Wohlfarth und Gesine Queyras Musiker zusammengefunden, die in renommierten Kammerorchestern und Spezialensembles für Musik des 18. Jahrhunderts spielen. Auf Instrumenten der jeweiligen Stilepoche streben sie nach dem Ideal einer "historisch informierten", eloquenten und farbenreichen Aufführungspraxis. Der Name des Ensembles ist übrigens inspiriert durch das französische Kloster Salagon in der Haute Provence. Das nuancierte und feinsinnige Spiel des Ensembles ergänzt sich geradezu perfekt mit dem klanglichen Profil von Isabelle Faust und Alexander Melnikov, wie hier im zweiten Satz, einem zarten Siciliano.
    Musik: Ernest Chausson, aus: Konzert für Klavier, Violine und Streichquartett d-Moll op. 21, 2. Satz (Ausschnitt), Alexander Melnikov (Klavier), Isabelle Faust, (Violine), Salagon Quartett
    Besonders dieser klangduftende zweite Satz macht deutlich, dass Chausson d-Moll-Konzert als ein musikhistorisches Bindeglied zwischen César Franck und Claude Debussy verstanden werden kann. Chausson gelingt in diesem Werk eine beglückende Synthese aus spätromantischer Klangschwelgerei und einer bereits stark impressionistisch anmutenden Raffinesse. Der französische Musikkritiker Pierre Lalo sah in Chaussons Konzert damals "eines der beachtlichsten und interessantesten Werke, die in den letzten Jahren geschrieben wurden". Dem ist auch aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen. Nun hat das Werk mit Alexander Melnikov, Isabelle Faust und dem Salagon Quartett Interpreten gefunden, denen es gelungen, den klanglichen Reichtum dieser Musik voll auszuschöpfen.
    Musik: Ernest Chausson, aus: Konzert für Klavier, Violine und Streichquartett d-Moll, 4. Satz (Ausschnitt), Alexander Melnikov (Klavier), Isabelle Faust (Violine), Salagon Quartett
    Das Finale aus dem Konzert für Klavier, Violine und Streichquartett op. 21 von Ernest Chausson. Alexander Melnikov, Isabelle Faust und das Salagon Quartett haben diese gewichtige Komposition aus dem reichen Fundus der französischen Kammermusik jetzt für Harmonia Mundi eingespielt. Als zweites Werk findet sich auf der CD die Violinsonate von César Franck. In beiden Fällen kann man von Referenzaufnahmen sprechen, denn in allen gestalterischen Parametern so differenziert und ausgefeilt hat man diese Musik wohl noch nicht gehört.
    César Franck, Ernest Chausson
    Isabelle Faust (Violine)
    Alexander Melnikov (Klavier)
    Salagon Quartett
    LC 07045, Harmonia Mundi CD 902254, EAN 3149020225424